12 Punkte für einen Neustart in der Pflege
Politik, Kranken- und Pflegekassen, Arbeitgeber und Gewerkschaften sowie Betroffenen-Verbände können gemeinsam mehr in der Pflege bewegen. Wir fordern einen Neustart in der Pflege und laden zu einer Debatte über diesen 12-Punkte-Plan ein:
1. Anpassung der Ausbildungskapazitäten an den Bedarf
Es wird ein bundeseinheitliches Verfahren zur Ermittlung des Fachkräftebedarfs auf Grundlage der Bevölkerungsprognosen, Fluktuationszahlen sowie Verweildauer entwickelt. Abgeleitet von der Bedarfsprognose werden die erforderlichen Ausbildungskapazitäten der einzelnen Bundesländer ermittelt. Die Länder richten ihre Ausbildungskapazitäten im Rahmen der neuen Fondsfinanzierung nach dieser Personalbedarfsplanung aus. Um den Bedarf der erforderlichen Lehrkräfte in Schulen und Praxisanleiter/innen in den Betrieben zu decken, werden die Weiterbildungskapazitäten für bedarfsgerecht erhöht. Pensionierte Lehrkräfte und Praxisanleiter/innen können für Bewältigung von Engpässen kurzfristig mobilisiert werden.
2. Durchlässiges Ausbildungssystem
Die neue dreijährige Ausbildung zur „Pflegefachkraft“ soll der Kern eines durchlässigen, transparenten Ausbildungssystems werden. Sackgassen werden vermieden, Perspektiven im Aufstieg und Verantwortungsübernahme eröffnet. Die Helfer/in-Ausbildungen werden ebenfalls generalistisch ausgerichtet, ermöglichen Schulabschlüsse und sind anschlussfähig hin zur Fachkraft-Ausbildung. Akademische Weiterbildungen werden praxisgerecht ausgebaut. Ausbildungen in Teilzeit oder berufsbegleitend sind besonders attraktiv und müssen gestärkt werden.
3. Orientierung zum Pflegeberuf in Schulen und bei den Arbeitsagenturen
Zukünftig werden bei der Agentur für Arbeit auch Ausbildungsplätze in der Pflege gemeldet und statistisch erfasst. Dies ermöglicht – wie in der dualen Ausbildung – eine bessere Vermittlungsquote der Bewerberinnen und Bewerber. Im Rahmen der Berufsorientierung in den Schulen und der Jugendberufsagenturen wird das Berufsbild Pflege mit einer Offensive integriert. Die Offensive umfasst auch eine bundesweite Werbekampagne. Mit einem Modellprojekt werden junge Auszubildende in der Pflege als „Role Models“ ausgebildet und werben in die Schulen.
4. Bessere Bezahlung
Im zukünftigen Gesundheitsfachberuf „Pflegekraft“ muss auch die einheitliche Vergütung sichergestellt werden. Der Lohnunterschied zwischen Altenpfleger/innen und Krankenpfleger/innen beträgt im Durchschnitt 30 Prozent. Mit der generalistischen Ausbildung werden die Ausbildungsvergütungen angeglichen. Diese Angleichung muss zukünftig auch bei den Fachkräften erreicht werden, mit dem Ziel, höhere Gehälter insbesondere in der Altenpflege zu erreichen. Ziel ist es, in der Pflege zu allgemeinverbindlichen Flächentarifverträgen zu gelangen. Dafür wird mit den Sozialpartnern ein Pakt „Neustart in der Pflege“ initiiert. Dieser umfasst nicht nur Vergütungsfragen, sondern auch Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Arbeitsplätze. Der Mindestlohn für Altenpflege wird auf 15 Euro erhöht.
5. Gute Arbeitsbedingungen
Gute Arbeitsbedingungen umfassen u.a. Gesundheitsmanagement, Entbürokratisierung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sollte dies nicht zustande kommen, werden ambulanten Pflegediensten und stationären Altenpflegeeinrichtungen gesetzlich verbindliche Vorgaben gemacht und die Refinanzierung über die Pflegekassen gesichert. Leiharbeit in der Pflege wird verboten.
6. Verbindliche Personaluntergrenzen
Es werden sowohl in der Krankenpflege wie in der ambulanten und stationären Altenpflege auf Bundesebene Personaluntergrenzen gesetzlich festgelegt. Bis dies erreicht ist, sollen die Länder ermächtigt werden, über Landesgesetzgebung verbindliche Personaluntergrenzen nicht nur in der Krankenpflege, sondern auch in der stationären wie ambulanten Altenpflege sicherzustellen. Die Refinanzierung muss über die Kranken- und Pflegekassen garantiert werden.
7. Gleiche Augenhöhe mit anderen Berufsgruppen
Den Stellenwert der Krankenpflegekräfte im Gesundheitssystem wird gestärkt. Die Differenzierung nach „ärztlichem und nichtärztlichem Personal“ ist nicht zeitgemäß. Die Pflegekräfte werden als gleichwertige Berufsgruppe in der Statistik aufgeführt. Die Pflegeleistung in einem Krankenhaus wird zum Qualitätsmerkmal definiert. Die Klinikvorstände werden paritätisch mit Pflegedirektoren/innen und Chefärzten/innen besetzt.
8. Unterstützung von pflegenden Angehörigen
2008 wurden in der Pflegeversicherung (§ 92c SGB XI) Pflegestützpunkte eingeführt, um eine flächendeckende, neutrale und niedrigschwellige Beratung für alle Angehörigen und Pflegebedürftigen zu schaffen. Diese Aufgabe haben die Länder unterschiedlich umgesetzt: während in Rheinland-Pfalz und Berlin mindestens pro 90.000 Einwohner/innen ein PSP zur Verfügung steht, hat Bayern nur acht Pflegestützpunkte und Sachsen verfügt über keine einzige derartige Beratungsstelle. Deshalb müssen im SGB XI verbindlichere Standards festgelegt und in allen Ländern einheitlich umgesetzt werden. Aus den Erfahrungen kann auch eine qualitative Weiterentwicklung abgeleitet werden: Vernetzung im Sozialraum, aufsuchende Beratung, interkulturelle Öffnung und aktive Begleitung der Digitalisierung sollen gestärkt werden. Spezifische Beratungsangebote für pflegende Kinder und Jugendliche sowie für Familien, die ihre Kinder pflegen, müssen gestärkt werden.
9. Vereinbarkeit von Pflege & Beruf
Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) müssen zusammengeführt und weiterentwickelt werden:
- Nutzerfreundliche Ausgestaltung des Rechtsanspruchs für pflegende Angehörige auf 10-tägige Freistellung mit Lohnfortzahlung mit dem Ziel, einen niederschwelligen Zugang analog zum Kinderkrankengeld zu ermöglichen;
- Einführung von Freistellung sowie einer steuerfinanzierten Lohnersatzleistung über einen längeren Zeitraum, bspw. über sechs Monate, analog zum Elterngeld;
- Überarbeitung des Konzepts der 24-monatigen Familienpflegezeit; berücksichtigt werden sollen auch Aspekte der Partnerschaftlichkeit und existenzsichernden Teilzeitarbeit, Übergänge in das Modell der Familienarbeitszeit werden geprüft.
Insgesamt muss ein Rechtsanspruch zum Erwerb von Rentenansprüchen der berufstätigen pflegenden Angehörigen eingeführt und aus Bundesmitteln finanziert werden.
Die Tages- und Nachtpflege wollen wir stärken und deshalb den Rechtsanspruch verstärken. Zukünftig soll es für häuslich versorgte Pflegebedürftige eine ausreichende, wohnortnahe, zielgruppengerechte und flexibel gestaltbare Tages- und Nachtpflege und Betreuung (Tageszeitenbetreuung) geben.
10. Qualitätssicherung
Gute Pflege benötigt gute Bedingungen, aber auch Qualitätsentwicklung und Aufsicht sowie Kontrolle. Im Pflegestärkungsgesetz II sind die Kontrollrechte des Medizinischen Dienstes der Kassen (MDK) gestärkt worden. Die Länder müssen nun auf die Anwendung und Evaluation drängen. Im SGB XI sollen zusätzlich die Kontrollmöglichkeiten der Sozialhilfeträger ausgeweitet werden. Die Beratungsbesuche bei pflegenden Angehörigen durch die Kassen sollen qualifiziert und nach einheitlichen Standards durchgeführt werden.
11. Digitalisierung
Wir wollen technische Innovationen nutzen, um die Qualität der Pflege zu erhöhen, und die Pflegekräfte zu entlasten. Gewonnene zeitliche Spielräume durch Digitalisierung, assistierte Lösungen oder Robotik sollen genutzt werden, um mehr Zeit für die Mensch-zu-Mensch-Beziehung in der Pflege zu gewinnen.
12. Pflege gehört in die Mitte unserer Gesellschaft!
Pflege-Preise, Pflege-Kampagnen und Dialog-Prozesse sind wichtige Instrumente zur Verbesserung unseres Bildes von Pflege. Die Kommunikation darüber muss in den Lebenswelten der Menschen ankommen: Kita, Familie, Schule, Universität, Kultur, Arbeitsplatz, Sportverein, u.v.m. Pflege gehört zur Lebensplanung dazu, Tabus müssen verschwinden. Denn Pflege geht uns alle an!
12 Punkte für einen Neustart in der Pflege
Politik, Kranken- und Pflegekassen, Arbeitgeber und Gewerkschaften, Vertreter der Versicherten/soziale Selbstverwaltung sowie Betroffenen-Verbände können gemeinsam mehr in der Pflege bewegen. Wir fordern einen Neustart in der Pflege und laden zu einer Debatte über diesen 12-Punkte-Plan ein:
1. Anpassung der Ausbildungskapazitäten an den Bedarf
Es wird ein bundeseinheitliches Verfahren zur Ermittlung des Fachkräftebedarfs auf Grundlage der Bevölkerungsprognosen, Fluktuationszahlen sowie Verweildauer entwickelt. Abgeleitet von der Bedarfsprognose werden die erforderlichen Ausbildungskapazitäten der einzelnen Bundesländer ermittelt. Die Länder richten ihre Ausbildungskapazitäten im Rahmen der neuen Fondsfinanzierung nach dieser Personalbedarfsplanung aus. Um den Bedarf der erforderlichen Lehrkräfte in Schulen und Praxisanleiter/innen in den Betrieben zu decken, werden die Weiterbildungskapazitäten für bedarfsgerecht erhöht. Pensionierte Lehrkräfte und Praxisanleiter/innen können für Bewältigung von Engpässen kurzfristig mobilisiert werden.
2. Durchlässiges Ausbildungssystem
Die neue dreijährige Ausbildung zur „Pflegefachkraft“ soll der Kern eines durchlässigen, transparenten Ausbildungssystems werden. Sackgassen werden vermieden, Perspektiven im Aufstieg und Verantwortungsübernahme eröffnet. Die Helfer/in-Ausbildungen werden ebenfalls generalistisch ausgerichtet, ermöglichen Schulabschlüsse und sind anschlussfähig hin zur Fachkraft-Ausbildung. Akademische Weiterbildungen werden praxisgerecht ausgebaut. Ausbildungen in Teilzeit oder berufsbegleitend sind besonders attraktiv und müssen gestärkt werden.
Wir fordern die Überführung in die duale Ausbildung.
3. Orientierung zum Pflegeberuf in Schulen und bei den Arbeitsagenturen
Zukünftig werden bei der Agentur für Arbeit auch Ausbildungsplätze in der Pflege gemeldet und statistisch erfasst. Dies ermöglicht – wie in der dualen Ausbildung – eine bessere Vermittlungsquote der Bewerberinnen und Bewerber. Im Rahmen der Berufsorientierung in den Schulen und der Jugendberufsagenturen wird das Berufsbild Pflege mit einer Offensive integriert. Die Offensive umfasst auch eine bundesweite Werbekampagne. Mit einem Modellprojekt werden junge Auszubildende in der Pflege als „Role Models“ ausgebildet und werben in die Schulen.
4. Bessere Bezahlung
Im zukünftigen Gesundheitsfachberuf „Pflegekraft“ muss auch die einheitliche Vergütung sichergestellt werden. Der Lohnunterschied zwischen Altenpfleger/innen und Krankenpfleger/innen beträgt im Durchschnitt 30 Prozent. Mit der generalistischen Ausbildung werden die Ausbildungsvergütungen angeglichen. Diese Angleichung muss zukünftig auch bei den Fachkräften erreicht werden, mit dem Ziel, höhere Gehälter insbesondere in der Altenpflege zu erreichen. Ziel ist es, in der Pflege zu allgemeinverbindlichen Flächentarifverträgen zu gelangen. Dafür wird mit den Sozialpartnern ein Pakt „Neustart in der Pflege“ initiiert. Dieser umfasst nicht nur Vergütungsfragen, sondern auch Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Arbeitsplätze. Der Mindestlohn für Altenpflege wird auf 15 Euro erhöht.
5. Gute Arbeitsbedingungen
Gute Arbeitsbedingungen umfassen u.a. Gesundheitsmanagement, Entbürokratisierung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sollte dies nicht zustande kommen, werden ambulanten Pflegediensten und stationären Altenpflegeeinrichtungen gesetzlich verbindliche Vorgaben gemacht und die Refinanzierung über die Pflegekassen gesichert. Leiharbeit in der Pflege wird verboten.
6. Verbindliche Personaluntergrenzen
Es werden sowohl in der Krankenpflege wie in der ambulanten und stationären Altenpflege auf Bundesebene Personaluntergrenzen gesetzlich festgelegt. Bis dies erreicht ist, sollen die Länder ermächtigt werden, über Landesgesetzgebung verbindliche Personaluntergrenzen nicht nur in der Krankenpflege, sondern auch in der stationären wie ambulanten Altenpflege sicherzustellen. Die Refinanzierung muss über die Kranken- und Pflegekassen garantiert werden.
7. Gleiche Augenhöhe mit anderen Berufsgruppen
Den Stellenwert der Krankenpflegekräfte im Gesundheitssystem wird gestärkt. Die Differenzierung nach „ärztlichem und nichtärztlichem Personal“ ist nicht zeitgemäß. Die Pflegekräfte werden als gleichwertige Berufsgruppe in der Statistik aufgeführt. Die Pflegeleistung in einem Krankenhaus wird zum Qualitätsmerkmal definiert. Die Klinikvorstände werden paritätisch mit Pflegedirektoren/innen und Chefärzten/innen besetzt.
8. Unterstützung von pflegenden Angehörigen
2008 wurden in der Pflegeversicherung (§ 92c SGB XI) Pflegestützpunkte eingeführt, um eine flächendeckende, neutrale und niedrigschwellige Beratung für alle Angehörigen und Pflegebedürftigen zu schaffen. Diese Aufgabe haben die Länder unterschiedlich umgesetzt: während in Rheinland-Pfalz und Berlin mindestens pro 90.000 Einwohner/innen ein PSP zur Verfügung steht, hat Bayern nur acht Pflegestützpunkte und Sachsen verfügt über keine einzige derartige Beratungsstelle. Deshalb müssen im SGB XI verbindlichere Standards festgelegt und in allen Ländern einheitlich umgesetzt werden. Aus den Erfahrungen kann auch eine qualitative Weiterentwicklung abgeleitet werden: Vernetzung im Sozialraum, aufsuchende Beratung, interkulturelle Öffnung und aktive Begleitung der Digitalisierung sollen gestärkt werden. Spezifische Beratungsangebote für pflegende Kinder und Jugendliche sowie für Familien, die ihre Kinder pflegen, müssen gestärkt werden.
9. Vereinbarkeit von Pflege & Beruf
Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) müssen zusammengeführt und weiterentwickelt werden:
- Nutzerfreundliche Ausgestaltung des Rechtsanspruchs für pflegende Angehörige auf 10-tägige Freistellung mit Lohnfortzahlung mit dem Ziel, einen niederschwelligen Zugang analog zum Kinderkrankengeld zu ermöglichen;
- Einführung von Freistellung sowie einer steuerfinanzierten Lohnersatzleistung über einen längeren Zeitraum, bspw. über sechs Monate, analog zum Elterngeld;
- Überarbeitung des Konzepts der 24-monatigen Familienpflegezeit; berücksichtigt werden sollen auch Aspekte der Partnerschaftlichkeit und existenzsichernden Teilzeitarbeit, Übergänge in das Modell der Familienarbeitszeit werden geprüft.
Insgesamt muss ein Rechtsanspruch zum Erwerb von Rentenansprüchen der berufstätigen pflegenden Angehörigen eingeführt und aus Bundesmitteln finanziert werden.
Die Tages- und Nachtpflege wollen wir stärken und deshalb den Rechtsanspruch verstärken. Zukünftig soll es für häuslich versorgte Pflegebedürftige eine ausreichende, wohnortnahe, zielgruppengerechte und flexibel gestaltbare Tages- und Nachtpflege und Betreuung (Tageszeitenbetreuung) geben.
10. Qualitätssicherung
Gute Pflege benötigt gute Bedingungen, aber auch Qualitätsentwicklung und Aufsicht sowie Kontrolle. Im Pflegestärkungsgesetz II sind die Kontrollrechte des Medizinischen Dienstes der Kassen (MDK) gestärkt worden. Die Länder müssen nun auf die Anwendung und Evaluation drängen. Im SGB XI sollen zusätzlich die Kontrollmöglichkeiten der Sozialhilfeträger ausgeweitet werden. Die Beratungsbesuche bei pflegenden Angehörigen durch die Kassen sollen qualifiziert und nach einheitlichen Standards durchgeführt werden.
11. Digitalisierung
Wir wollen technische Innovationen nutzen, um die Qualität der Pflege zu erhöhen, und die Pflegekräfte zu entlasten. Gewonnene zeitliche Spielräume durch Digitalisierung, assistierte Lösungen oder Robotik sollen genutzt werden, um mehr Zeit für die Mensch-zu-Mensch-Beziehung in der Pflege zu gewinnen.
12. Pflege gehört in die Mitte unserer Gesellschaft!
Pflege-Preise, Pflege-Kampagnen und Dialog-Prozesse sind wichtige Instrumente zur Verbesserung unseres Bildes von Pflege. Die Kommunikation darüber muss in den Lebenswelten der Menschen ankommen: Kita, Familie, Schule, Universität, Kultur, Arbeitsplatz, Sportverein, u.v.m. Pflege gehört zur Lebensplanung dazu, Tabus müssen verschwinden. Denn Pflege geht uns alle an!
Änderungsanträge
Status | Kürzel | Aktion | Seite | Zeile | AntragstellerInnen | Text | |
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Nicht abgestimmt | Ä-01 zum Antrag 54/II/2017 | Ändern | 125 | 1 | Tempelhof-Schöneberg | Antrag 54_II_Änderungsantrag-Gegenüberstellung Fassung AK |
Berliner Pflegeoffensive: 12 Punkte für einen Neustart in der Pflege
Politik, Kranken- und Pflegekassen, Arbeitgeber und Gewerkschaften, Vertreter der Versicherten/soziale Selbstverwaltung sowie Betroffenen-Verbände können gemeinsam mehr in der Pflege bewegen. Die Berliner SPD wird die Pflege in den nächsten Jahren zu einem zentralen politischen Thema machen. Mit dem folgenden 12-Punkte-Plan wird der Neustart in der Pflege mit sozialdemokratischen Akzent initiiert, mit welchem wir dringende Handlungsbedarfe identifizieren. Die Berliner SPD wird 2018 einen Pflege-Gipfel mit allen Akteuren und der Stadtgesellschaft durchführen.
Wir laden zu einer Debatte über diesen 12-Punkte-Plan ein:
1. Anpassung der Ausbildungskapazitäten an den Bedarf
Es wird ein bundeseinheitliches Fachkräfte-Monitoring zur Ermittlung des Fachkräftebedarfs auf Grundlage fortlaufend aktualisierter regionaler Daten entwickelt. Abgeleitet von der Bedarfsprognose werden die erforderlichen Ausbildungskapazitäten der einzelnen Bundesländer ermittelt. Die Länder setzen sich ihre Ausbildungskapazitäten im Rahmen der neuen Fondsfinanzierung für ausreichende Ausbildungskapazitäten nach dieser Personalbedarfsplanung eins. Um den Bedarf der erforderlichen Lehrkräfte in Schulen und Praxisanleiter/innen in den Betrieben zu decken, werden die Weiterbildungskapazitäten für bedarfsgerecht erhöht. Für höhere Qualität der Ausbildung führen wir verbindliche Standards für die Praxisanleitung ein. Pensionierte Lehrkräfte und Praxisanleiter/innen können für Bewältigung von Engpässen kurzfristig mobilisiert werden. Um den Bedarf der Berufsfachschulen für Pflege zu decken, richten wir wieder den Studiengang für Pflegepädagogik ein.
Anpassung der Ausbildungskapazitäten an den Bedarf, hinter „Die Länder richten ihre Ausbildungskapazitäten im Rahmen der neuen Fondsfinanzierung nach dieser Personalbedarfsplanung aus.
„Wir werden im Jahr 2020 mit der Einführung der Ausbildungsplatzumlage im Pflegebereich beginnen, sodass alle Betriebe – egal ob sie selbst ausbilden oder nicht – einen Beitrag zum qualitativen und quantitativen Ausbau der Pflegeausbildung leisten.
2. Durchlässiges Ausbildungssystem
Die neue dreijährige Ausbildung zur „Pflegefachkraft“ soll der Kern eines durchlässigen, und anschlussfähigen Ausbildungssystems werden. Die Helfer/in-Ausbildungen werden ebenfalls generalistisch ausgerichtet, ermöglichen Schulabschlüsse und sind anschlussfähig hin zur Fachkraft-Ausbildung. Akademische Weiterbildungen werden praxisgerecht ausgebaut. Ausbildung in Teilzeit muss ermöglicht werden. Berufsbegleitende Ausbildung muss finanziell attraktiver werden.
Wir fordern die Überführung in die duale Ausbildung.
3. Erfassung und Vermittlung durch die Arbeitsagentur
Zukünftig werden die Ausbildungsplätze in der Pflege an die Agentur für Arbeit gemeldet und dort statistisch erfasst. Dies ermöglicht – wie in der dualen Ausbildung – eine bessere Vermittlungsquote der Bewerberinnen und Bewerber. Im Rahmen der Berufsorientierung in den Schulen und der Jugendberufsagenturen wird das Berufsbild Pflege mit einer Offensive integriert. Die Offensive umfasst auch eine bundesweite Werbekampagne. Mit einem Modellprojekt werden junge Auszubildende in der Pflege als „Role Models“ ausgebildet und werben in die Schulen.
4. Bessere Bezahlung
Der Lohnunterschied zwischen Altenpfleger/innen und Krankenpfleger/innen beträgt aktuell im Durchschnitt 30 Prozent. Im zukünftigen Gesundheitsfachberuf „Pflegekraft“ muss die einheitliche Vergütung in Ausbildung und Vergütung sichergestellt werden. . Die Pflege braucht dringend allgemeinverbindliche Flächentarifverträge. Dafür wird mit den Sozialpartnern ein Pakt „Neustart in der Pflege“ initiiert. Dieser umfasst eine bessere Vergütung, Maßnahmen für gute Arbeit, Reduzierung von unfreiwilliger Teilzeit sowie Abschaffung von Leasing-Kräften. Der existierende Mindestlohn für Hilfskräfte in der Altenpflege wird auf 15 Euro erhöht. Darüberhinaus wollen wir einen Mindestlohn auch für Fachkräfte einführen, sobald es gelingt dessen Refinanzierung zu sichern, ohne die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen zu überfordern. Die Einführung einer Pflegevollversicherung stellt die Refinanzierung sicher.
Die höchsten Reserven bei der Fachkräftesicherung liegen bei der Verweildauer im Beruf, die derzeit zu kurz und kein Ausweis guter Arbeitsbedingungen ist.
5. Gute Arbeitsbedingungen
Gute Arbeitsbedingungen umfassen u.a. eine Senkung der Arbeitsintensität durch eine bessere Personalausstattung, Gesundheitsmanagement, Entbürokratisierung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sollte dies nicht zustande kommen, werden ambulanten Pflegediensten und stationären Altenpflegeeinrichtungen gesetzlich verbindliche Vorgaben gemacht und die Refinanzierung über die Pflegekassen gesichert. Eine gute Qualität der beruflichen Fort- und Weiterbildung beugt Überforderung durch unzureichende Kenntnis vor, vermeidet Dequalifizierung im Berufsverlauf und sichert eine gleichbleibende Qualität der Pflege. Wir wollen auf die Entwicklung eines kontinuierlichen beruflichen Fort- und Weiterbildungssystems in der Pflege hinwirken.
Besonders muss der Arbeitsverdichtung entgegen gewirkt werden: Zeitbezogene Vergütungen sollen stärker an die Stelle des Leistungskomplexsystems treten.
6. Verbindliche Personaluntergrenzen
Es werden sowohl in der Krankenpflege wie in der ambulanten und stationären Altenpflege auf Bundesebene Personaluntergrenzen gesetzlich festgelegt. Bis dies erreicht ist, sollen die Länder ermächtigt werden, über Landesgesetzgebung verbindliche Personaluntergrenzen nicht nur in der Krankenpflege, sondern auch in der stationären wie ambulanten Altenpflege sicherzustellen. Die Refinanzierung muss über die Kranken- und Pflegekassen garantiert werden.
7. Gleiche Augenhöhe mit anderen Berufsgruppen
Der Stellenwert der Krankenpflegekräfte im Gesundheitssystem wird gestärkt. Die Differenzierung nach „ärztlichem und nichtärztlichem Personal“ ist nicht zeitgemäß. Die Pflegekräfte werden als gleichwertige Berufsgruppe in der Statistik aufgeführt. Die Pflegeleistung in einem Krankenhaus wird zum Qualitätsmerkmal definiert. Die Führungsgremien in Kliniken werden paritätisch mit Pflegedirektoren/innen und Chefärzten/innen besetzt.
Die Möglichkeit der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf die Kranken- und Altenpflegeberufe (§63 Abs. 3c SGB V) muss endlich auch tatsächlich gelebt und damit die Pflegefachlichkeit gegenüber der Ärzteschaft anerkannt werden.
8. Unterstützung von pflegenden Angehörigen
2008 wurden in der Pflegeversicherung (§ 92c SGB XI) Pflegestützpunkte eingeführt, um eine flächendeckende, neutrale und niedrigschwellige Beratung für alle Angehörigen und Pflegebedürftigen zu schaffen. Diese Aufgabe haben die Länder unterschiedlich umgesetzt: Während in Rheinland-Pfalz und Berlin pro 95.000 Einwohner/innen mindestens ein Pflegestützpunkt zur Verfügung steht, hat Bayern nur acht Pflegestützpunkte und Sachsen verfügt über keine einzige derartige Beratungsstelle. Deshalb müssen im SGB XI verbindlichere Standards festgelegt und in allen Ländern einheitlich umgesetzt werden. Aus den Erfahrungen kann auch eine qualitative Weiterentwicklung abgeleitet werden: Vernetzung im Sozialraum, aufsuchende Beratung, interkulturelle Öffnung und aktive Begleitung der Digitalisierung sollen gestärkt werden. Spezifische Beratungsangebote für pflegende Kinder und Jugendliche sowie für Familien, die ihre Kinder pflegen, müssen gestärkt werden.
9. Vereinbarkeit von Pflege & Beruf
Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) müssen zusammengeführt und weiterentwickelt werden:
- Nutzerfreundliche Ausgestaltung des Rechtsanspruchs für pflegende Angehörige auf 10-tägige Freistellung mit Lohnfortzahlung , um einen niederschwelligen Zugang analog zum Kinderkrankengeld zu ermöglichen;
- Freistellung sowie einer steuerfinanzierten Lohnersatzleistung über einen längeren Zeitraum, bspw. über sechs Monate, analog zum Elterngeld;
- Überarbeitung des Konzepts der 24-monatigen Familienpflegezeit; berücksichtigt werden sollen auch Aspekte der Partnerschaftlichkeit und existenzsichernden Teilzeitarbeit, Übergänge in das Modell der Familienarbeitszeit werden geprüft.
Insgesamt muss ein Rechtsanspruch zum Erwerb von Rentenansprüchen der berufstätigen pflegenden Angehörigen eingeführt und aus Bundesmitteln finanziert werden.
Die Tages- und Nachtpflege wollen wir zum Rechtsanspruch erheben und damit stärken.
10. Qualitätssicherung
Gute Pflege benötigt gute Qualität, auch durch mehr Aufsicht und Kontrolle. Im Pflegestärkungsgesetz II sind die Kontrollrechte des Medizinischen Dienstes der Kassen (MDK) gestärkt worden. Die Kassen müssen nun die Umsetzung sicherstellen. Im SGB XI soll vorgesehen werden, dass auch der Sozialhilfeträger die Prüfungen des MDK beaftragen kann. Die Beratungsbesuche bei pflegenden Angehörigen durch die Kassen sollen qualifiziert und nach einheitlichen Standards durchgeführt werden. Auch Kontinuität in der Unterbringung und Betreuung sind ein wichtiges Qualitätsmerkmal in der Pflege. Die Kündigungsmöglichkeiten nach dem Gewerbemietrecht für Pflege- und Demenz-Wohngemeinschaften gefährden dies. Daher setzen wir uns dafür ein, dass für derartige Wohngemeinschaften der volle Kündigungsschutz des Wohnungsmietrechtes gilt.
11. Digitalisierung
Pflege ist eine Mensch-zu-Mensch Beziehung. Technik kann das nicht ersetzen. Aber wir wollen technische Innovationen nutzen, um die Qualität der Pflege zu erhöhen und die Pflegekräfte zu entlasten. Gewonnene zeitliche Spielräume und Produktivitätsgewinne durch Digitalisierung, durch assistierte Lösungen oder durch Robotik sollen genutzt werden, um mehr Zeit für die Mensch-zu-Mensch-Beziehung in der Pflege zu gewinnen.
Das gilt auch im Hinblick auf den Sozialhilfeträger: Die Digitalisierung in der Abrechnung scheitert bisher teilweise daran, dass die Berliner Sozialämter technisch nicht daran teilnehmen können. Auch die elektronische Pflegedokumentation ist einzuführen.
12. Pflege gehört in die Mitte unserer Gesellschaft!
Pflege-Preise, Pflege-Kampagnen und Dialog-Prozesse sind wichtige Instrumente zur Verbesserung unseres Bildes von Pflege. Die Kommunikation darüber muss in den Lebenswelten der Menschen ankommen: Kita, Familie, Schule, Universität, Kultur, Arbeitsplatz, Sportverein, u.v.m. Pflege gehört zur Lebensplanung dazu, Tabus müssen verschwinden. Denn Pflege geht uns alle an!
Gute Pflege kostet Geld. 1995 war die Einführung der Pflegeversicherung ein Meilenstein zur sozialen Absicherung pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen. Aber sie ist nach wie vor nur eine Teilversicherung, die nur einen Zuschuss zu den tatsächlichen Pflegekosten gewährt. Auf die Höhe der von den Versicherten zu tragenden Eigenanteile an den Kosten konzentriert sich daher der Wettbewerb zwischen Pflegeanbietern. Anstatt den Wettbewerb über die beste Qualität auszutragen, ist ein Preiswettbewerb entstanden, der häufig über die Löhne ausgetragen wird. Auch aufgrund des demographischen Wandels, wachsender Pflegebedürfnisse und moderner Familien- und Erwerbsstrukturen fordern wir daher eine Pflegevollversicherung – vergleichbar mit der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie kann aus Einsparungen bei der Hilfe zur Pflege, dem Verzicht auf dann überflüssige private Zusatzversicherungen und einer moderaten Beitragserhöhung finanziert werden. Perspektivisch fordern wir die Bürgerversicherung nicht nur in der Kranken-, sondern auch in der Pflegeversicherung.