Antrag 63/II/2025 Elterngeld als Gleichstellungsmotor endlich neu starten

Status:
Annahme

Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, sich für eine umfassende Reform des Elterngeldes einzusetzen, die den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Realitäten des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Ziel der Reform muss sein, Gleichstellung der Geschlechter aktiv zu fördern, finanzielle Benachteiligungen bei der Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit abzubauen und echte Wahlfreiheit für alle Familienmodelle zu schaffen. Insbesondere fordern wir:

 

  1. Gerechte Berechnungsgrundlage für das Elterngeld schaffen

 

Künftig soll das Elterngeld so berechnet werden, dass es für Familien finanziell keinen Unterschied mehr macht, welcher Elternteil die Elternzeit übernimmt. Das gesamte Nettoeinkommen beider Elternteile soll als Berechnungsgrundlage herangezogen werden, mit einer sinnvollen Deckelung nach oben.

 

Alternativmodelle sind zu prüfen, z. B.:

  • Orientierung des Elterngeldes am bundesdeutschen Medianeinkommen
  • Einführung eines höheren Einkommensausgleichs (bis 100%) innerhalb einer vertretbaren Höchstgrenze

 

Bestehende Sonderregelungen für Selbständige, Alleinerziehende und Leistungsempfänger*innen bleiben unangetastet oder müssen verbessert werden. Mehr-Eltern-Familienkonstellationen (z. B. gleichgeschlechtliche oder Patchworkfamilien) sollen künftig gleichberechtigt berücksichtigt werden.

 

  1. Inflationsausgleich und Dynamisierung der Elterngeldbezugsgrenze

 

Seit 2007 hat keine Erhöhung, Inflationsausgleich oder Dynamisierung des Elterngeldes stattgefunden. Seitdem ist die Kaufkraft um 38 Prozent gesunken. Um dies auszugleichen, soll eine einmalige Sofort-Erhöhung des Elterngeldes um ⅓ stattfinden. Das Elterngeld und die Einkommensobergrenze für den Bezug von Elterngeld muss jährlich an die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung angepasst werden, damit insbesondere der Mittelstand nicht dauerhaft benachteiligt wird.

 

  1. Flexibilisierung des parallelen Bezugs von Elterngeld

 

Der derzeit stark eingeschränkte parallele Bezug von Elterngeld durch beide Elternteile soll flexibilisiert werden. Insbesondere in den ersten Lebenswochen nach der Geburt soll der parallele Bezug für mehr als nur einen Monat möglich sein. Ein paralleler Bezug während der Schutzfrist nach der Geburt (Mutterschutz, 6 bis 8 Wochen) soll grundsätzlich ermöglicht werden (siehe auch „Familienschutz“ weiter unten). Wenn der zweite Elternteil sich auf mindestens vier bis sechs Monate Elterngeld festlegt, sollen zusätzliche parallele Bezugsmonate ermöglicht werden.

 

  1. Ausweitung der Partnermonate und Anreize für partnerschaftliche Aufteilung

 

Die Anzahl der Partnermonate soll deutlich erhöht werden. Ein in anderen Ländern bereits bestehendes „6-6-6-Modell“ (die dritten 6 Monate nur nutzbar durch den jeweils anderen Elternteil) soll hier zum Vorbild genommen werden. Für eine gerechtere Aufteilung der Elternzeit zwischen beiden Elternteilen könnte bei gleichmäßiger Inanspruchnahme ein erhöhter Elterngeldsatz gezahlt werden.

 

  1. Reform der Hinzuverdienstgrenzen beim Elterngeld Plus und Partnerschaftsbonus

 

Die bisherigen Hinzuverdienstgrenzen sollen abgeschafft oder hilfsweise deutlich angehoben werden. Auch bei höherem Einkommen sollen Eltern den vollen Elterngeldbetrag beziehen können, um Erwerbstätigkeit in Teilzeit nicht länger finanziell zu bestrafen. Die Anhebung der Zuverdienstgrenze auf das jeweilige Vollzeitäquivalent wird geprüft. Insbesondere der Partnerschaftsbonus ist in dieser Form nicht Anreiz genug und zu komploiziert, um die Arbeitsstunden zu reduzieren.

 

  1. Einführung einer Familienstartzeit und Ausbau des Familienschutzes

 

Die Umsetzung einer Familienstartzeit ist überfällig. Deutschland muss die EU-Richtlinie, nachdem der zweite Elternteil zwei Wochen nach der Geburt bei vollem Lohn von der Arbeit freigestellt werden soll, umsetzen. Es soll eine gesetzliche, umlagefinanzierte Familienstartzeit von mindestens zwei Wochen bei 100 Prozent Lohnfortzahlung für den zweiten Elternteil eingeführt werden. Langfristig ist ein umfassender Familienschutz anzustreben, der beiden Elternteilen bereits vor der Geburt voll bezahlte Freistellung ermöglicht. Die bestehende 100-prozentige Lohnfortzahlung im Mutterschutz soll perspektivisch auf den zweiten Elternteil ausgeweitet werden.

 

  1. Gesellschaftlichen Wandel aktiv vorantreiben

 

Das Bundesfamilienministerium wird aufgefordert, breit angelegte Aufklärungs- und Informationskampagnen zu starten, die die Bedeutung partnerschaftlicher Sorgearbeit, die Bindungstheorie und den volkswirtschaftlichen Nutzen gleichberechtigter Elternschaft verdeutlichen.

Väter, die keine Care-Arbeit übernehmen bzw. keine oder kaum Elternzeit nehmen, sollen gesellschaftlich nicht länger als Normalfall gelten. Gleichberechtigte Sorgearbeit muss zur gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit werden.

Ein Kündigungsschutz für den zweiten Elternteil ab Bekanntwerden der Schwangerschaft soll eingeführt werden, um frühzeitige und sichere Planungen auch gegenüber Arbeitgeber*innen zu ermöglichen.

Für nicht-traditionelle Familienmodelle, insbesondere gleichgeschlechtliche, Patchwork- und Mehr-Eltern-Konstellationen, sind sämtliche noch bestehenden rechtlichen Hürden beim Elterngeldbezug vollständig zu beseitigen.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)
Überweisungs-PDF: