Antrag 132/II/2025 Resolution: Das Klima nicht den Faschos überlassen: Für eine queerfeministische, antirassistische und antiklassistische Klimapolitik

Die Klimakrise bedroht Lebensgrundlagen weltweit und verschärft dabei bestehende Ungleichheiten drastisch. Es braucht dringend linke Antworten und eine Klimapolitik, die (queer)feministisch, antifaschistisch, antirassistisch, internationalistisch, antiklassistisch und diskriminierungssensibel handelt.

 

Wenn wir nicht entsprechende politische Maßnahmen umsetzen, überlassen wir ökologische Fragen denjenigen, die autoritäre, rassistische und menschenverachtende Ansätze verfolgen. Ökofaschistische Narrative nutzen Natur- und Heimatideologien, um Ungleichheit zu rechtfertigen und blenden die Verantwortung kapitalistischer, rassistischer und patriarchaler Strukturen aus.

 

Gegen Ökofaschismus und rechte Narrative

Ökofaschismus ist nicht nur ein polemischer Kampfbegriff gegen pro-ökologische Positionen, sondern spiegelt vielmehr seit Anfang der 2010er Jahre ein größer werdendes Phänomen wider, welches über die bloße Klimawandelleugnung von rechten Parteien hinausgeht. Völkisch-ökologisches Gedankengut findet sich unter anderem in den politischen Manifesten von Rechtsterrorist*innen wie den Tätern von Utøya und Christchurch wieder. Dies schafft eine Kontinuität mit der Blut-und-Boden-Ideologie und der Verehrung des erdgebundenen Volkes in der nationalistischen und späteren nationalsozialistischen Ideologie. Zeitgenössische Öko- und Endzeitfaschist*innen sehen Grenzen als Trennlinie zwischen denen, die Schutz verdienen, und denen, die in sogenannte Opferzonen gehören. Rechte Bewegungen versuchen zunehmend, die Klimakrise für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und ökologische Themen zu vereinnahmen. Sie propagieren Abschottungspolitik, autoritäre Kontrollmaßnahmen in den Bereichen Migration und Reproduktion und verbreiten verschwörungsideologische Deutungen zu Klimakatastrophen unter dem Deckmantel des sogenannten Naturschutzes. Das stellt eine extreme und reale Gefahr für marginalisierte Gruppen dar, wird aber politisch kaum adressiert, wodurch sich rechtsextreme Umweltnarrative gesellschaftlich festsetzen können.

 

Die Klimakrise ist eine Gerechtigkeitsfrage

Unser Anspruch ist es, Klimapolitik mit einer klaren Perspektive auf Gerechtigkeit, Demokratie und Solidarität zu gestalten und bestehende Diskriminierungsstrukturen zu dekonstruieren. Wer über Klimagerechtigkeit spricht, muss soziale Fragen, Machtverhältnisse und Umverteilung in den Blick nehmen. Stattdessen erleben wir eine Politik, die patriarchale, koloniale und kapitalistische Strukturen fortschreibt und so die Ursachen der Klimakrise, insbesondere auch global, reproduziert.

 

Die Klimakrise trifft Menschen ungleich: FINTAs, queere Personen, BIPoCs, Menschen mit Behinderung, wohnungslose Menschen und einkommensarme Haushalte tragen die größten Belastungen und sind von den Folgen der Klimakrise überproportional betroffen – sei es durch Energiearmut, unsichere Arbeitsbedingungen, prekären Wohnverhältnissen oder erhöhte Gewalt in Krisensituationen. Klimapolitik, die diese Ungleichheiten nicht aktiv bekämpft, reproduziert bestehende Diskriminierungen.

 

Ob in heißen, dicht bebauten Stadtteilen, in Sammelunterkünften oder in prekären Jobs: Es braucht spezielle Hitze- und Kälteschutzpläne für Schulen, Kitas, Pflegeheime, Sammelunterkünfte, auf Baustellen und in anderen vulnerablen Bereichen anstelle einer Klimapolitik auf den Kosten prekär Beschäftigter und wohnungsloser Menschen. Gleichzeitig müssen wir es verhindern, dass soziale Gerechtigkeit als Vorwand und Verzögerungsstrategie gegen das Handeln missbraucht wird und Klimaschutz nicht als Gegensatz zur sozialen Gerechtigkeit dargestellt wird. Längerfristige Kosten und Verteilungseffekte dürfen nicht zugunsten der Kurzfristigen heruntergespielt werden.

 

(Queer)feministische Perspektive

Klimapolitik darf nicht geschlechtsneutral gedacht werden. FINTA-Personen leisten den Großteil unbezahlter Sorgearbeit, die mit den Folgen der Klimakrise noch weiter zunehmen wird, arbeiten überdurchschnittlich oft in prekären und vom Klimawandel besonders betroffenen Berufen und haben gleichzeitig weniger Zugang zu Ressourcen, die eine individuelle Bewältigung von Klimafolgen erleichtern.

 

Ohne feministische Perspektiven droht die Klimakrise, alte Ungleichheiten zu verfestigen oder gar zu verschärfen. Eine gerechte Klimapolitik erkennt an, dass soziale und ökologische Transformation nur gelingt, wenn sie geschlechtergerecht gestaltet wird.

 

Auch von Naturkatastrophen, deren Häufigkeit durch die Klimakrise zunehmen wird, sind Frauen meist stärker betroffen, weil sie ihnen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Rolle stärker ausgesetzt sind. So waren beispielsweise bei dem Tsunami, der 2004 Südostasien verwüstete, über 70% der Todesopfer Frauen.

 

Nicht nur, aber besonders in Krisensituationen ist die reproduktive Gesundheit von FINTAs gefährdet und eingeschränkt. Wir dürfen nicht zulassen, dass gesellschaftliche Probleme gegeneinander ausgespielt werden, weil vermeintlich “wichtigere” Krisen und Probleme in den Vordergrund gestellt werden und die Klimakrise so eine zusätzliche Gefahr für die sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung wird.

 

Dafür braucht es systematische Instrumente: verbindliche Folgenabschätzungen, gerechte Infrastrukturplanung und echte Beteiligung von FINTA-Personen. Nur so wird aus der Klimakrise auch eine sozial gerechte Transformation, die niemanden zurücklässt.

Alle klima- und umweltpolitischen Gesetze, Programme, Investitionen und Planungen sollen verpflichtend auf ihre geschlechterspezifischen Auswirkungen geprüft werden. Die Ergebnisse dieser Prüfungen müssen öffentlich einsehbar und Grundlage politischer Entscheidungen sein. Gleichstellungsstellen und Fachverbände, wie beispielsweise Frauenhäuser oder FINTA-Organisationen, müssen frühzeitig in Gesetzgebungs- und Planungsverfahren einbezogen werden.

Darüber hinaus bestärken wir erneut unsere Forderung nach einer feministischen Stadtentwicklung in Bezug auf Klimaanpassungsmaßnahmen und einer feministischen Mobilitätswende. Dazu gehören unter anderem beleuchtete Fuß- und Radwege mit Rücksicht auf nächtliche Sicherheit und Barrierefreiheit, ein verlässlicher, bezahlbarer und flächendeckender ÖPNV sowie flexible Haltestellenkonzepte, Nachtfahrpläne und Transportmöglichkeiten mit Kinderwagen oder Gepäck. Klimaanpassungsmaßnahmen in der Stadtentwicklung und Verkehrsplanung müssen intersektional gedacht werden, da auch ältere Frauen, Menschen mit Behinderungen oder queere FINTA-Personen besonders von Mobilitätsungleichheit betroffen sind.

Zudem müssen wir Paritätsregelungen in allen klima- und umweltpolitischen Beiräten, Kommissionen, Räten und Gremien auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene durchgesetzt werden. Unterstützt wird außerdem die Einrichtung eines feministischen Klimarats auf Bundesebene, der Politik und Verwaltung berät. Dieser Rat soll interdisziplinär besetzt sein – mit Fachmenschen aus Wissenschaft, Aktivismus, Gewerkschaften und Praxis. Darüber hinaus sollen FINTA-Personen gezielt für Karrieren in Umweltwissenschaften, Klimapolitik und Green-Tech-Branchen gefördert werden, unter anderem durch Stipendien, Mentoring, Fortbildungen und gezielte Anreizprogramme.

 

(Queer)feministische Klimapolitik bedeutet daher: gerechte Verteilung von Care-Arbeit, konsequenter und barrierefreier Kälte- und Hitzeschutz sowie entsprechende Schutzräume, die die Bedarfe von queeren Menschen, und FINTAs, insbesondere auch trans, inter und nicht binären Personen berücksichtigt. Klimapolitik muss Körpervielfalt, geschlechtliche Selbstbestimmung und sichere Räume aktiv mitdenken.

 

Dabei müssen immer auch Aspekte von intersektionaler Diskriminierung berücksichtigt werden.

 

Auch in der internationalen Klimapolitik, beispielsweise im Intergovernmental Panel on Climate (IPCC) oder auf der Klimakonferenz COP muss die Teilnahme von FINTA gerade in Entscheidungspositionen gezielt gefördert werden.

 

Antirassistische und antiklassistische Dimensionen

Klimapolitik, die nicht antirassistisch ist, ist keine gerechte Politik und kann der Klimakrise langfristig nichts entgegensetzten. Der Kampf gegen die Klimafolgen muss mit dem Kampf gegen Rassismus, Armut und Ausbeutung verbunden werden. Rassistische Narrative, wie der Diskurs der vermeintlichen Überbevölkerung, werden zum Teil auch durch prominente westliche Klimaaktivist*innen und -organisationen salonfähig gemacht. Diese schüren Verwirrung zwischen Gesamt- und Pro-Kopf-Emissionen und leugnen die aktuelle und historische Verantwortung Deutschlands als Großemittent*in. Dekoloniale und antirassistische Klimabildung muss migrantische, postkoloniale und queere Perspektiven sichtbar machen und ihnen Raum in politischen Prozessen geben. Nur so kann Klimapolitik verhindern, selbst Teil der Unterdrückung zu werden.

 

Klimaschutz ist Klassenkampf: Von Armut betroffene Personen leiden unter den Folgen der Klimakrise, aber auch unter den Ansätzen einer Klimapolitik, die prekär Beschäftigte, Mieter*innen und einkommensarme Haushalte zusätzlich belastet und keine umfassende Umverteilung in den Bereichen Steuern, Vermögen und öffentlicher Daseinsvorsorge vorsieht. Maßnahmen wie ein sozial gerechtes Klimageld müssen insbesondere deswegen in den breiten politischen Fokus rücken und mit Nachdruck verfolgt werden.

 

Dennoch dürfen wir nicht zulassen, dass das Bessere zum Feind des Guten wird. Wir müssen unverhältnismäßige Vorsicht bei der Festlegung ambitionierter klimapolitischer Ziele vermeiden. Wir haben nicht genug Zeit, um perfekte Lösungen zu finden, sondern müssen nach besten Kräften handeln, um echte Emissionsreduktionen zu erreichen. Dabei dürfen wir den Kampf gegen Ungleichheit niemals aus den Augen verlieren.

 

Demokratisierung der Klimapolitik

Rechte bieten autoritäre „Lösungen“ für die Klimakrise an. Wir setzen dem Demokratisierung entgegen: Bürger*innenbeteiligung in Klimafragen muss barrierefrei, mehrsprachig und intersektional organisiert sein. Der sogenannte globale Süden ist am stärksten mit den Auswirkungen der Klimakrise konfrontiert, obwohl Staaten des globalen Nordens mit ihrer klimafeindlichen Wirtschaftsweise deutlich stärker für die Klimakrise verantwortlich sind. Alle klimabezogenen Gesetzesvorhaben müssen verpflichtend auf ihre geschlechtsspezifischen und intersektionalen Auswirkungen geprüft werden. Wichtige Maßnahmen wie die Mobilitätswende, klimagerechtes Bauen und eine Stadtplanung, die auf die Klimakrise reagiert, dürfen nicht zu Klimagentrifizierung führen und müssen wohnungslose Menschen mitdenken.

 

Die Transformationzur klimaneutralen Sädten muss immer auch soziale Absicherung, Schutz vor Verdrängung und faire Arbeit bedeuten. Stadtteile, in denen viele marginalisierte und von Armut betroffene Personengruppen leben, haben eine schlechtere Infrastruktur, weniger Grünflächen und sind stärker von Hitze betroffen. Es braucht Klimainvestitionen in allen Untergliederungen bezahlbare Energie- und Wasserversorgung, kostenfreien ÖPNV und eine Klimapolitik, die nicht durch Gentrifizierung neue Ungleichheiten schafft.

 

Internationale Solidarität

Die Klimakrise ist global, ihre Bekämpfung muss es auch sein. Die Hauptverursacher der Klimakrise sind nicht die Hauptleidtragenden, weshalb Millionen von Menschen zur Flucht gezwungen sind – und trotzdem mit Abschottung, Rassismus und Entrechtung konfrontiert werden. Klimagerechtigkeit muss international gedacht werden, beispielsweise durch dekoloniale und feministische Klimapatenschaften, den Schutz von Klimaaktivist*innen weltweit, der Unterstützung von feministischen und queeren Klimaprojekten, der Begleichung von Klimaschulden und der uneingeschränkten Solidarität mit geflüchteten Menschen.

 

Das Klima nicht den Faschos überlassen, heißt Klimapolitik als Projekt der Befreiung, Solidarität und Demokratie zu gestalten. Gegen Rassismus, Klassismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit, Ableismus und weitere Diskriminierungsstrukturen. Der Kampf gegen die Klimakrise ist im Kern ein sozialistischer Kampf: Nur eine intersektionale, solidarische und demokratische Klimapolitik kann verhindern, dass ökologische Maßnahmen Ungleichheiten verstärken.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)