Wir kämpfen seit jeher für bessere Arbeitsbedingungen – dazu gehören Arbeitszeitverkürzungen, eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Leben sowie eine faire Bezahlung. Da der Arbeitsweg für die meisten Arbeitnehmer*innen eine notwendige Voraussetzung ist, um ihre Arbeit überhaupt auszuführen, sollte dieser ebenso gerecht entlohnt werden.
Stress und andere gesundheitliche Probleme beginnen nicht am Arbeitsplatz, sondern oft schon auf dem Hinweg. Menschen mit langen Pendelwegen haben nachgewiesen mehr Stress und weniger freie Zeit im Alltag. Außerdem gehen lange Pendelwege mit einem erhöhten Risiko für psychische Krankheiten wie Depressionen und anderen körperlichen Beschwerden (z.B. Kopf- und Rückenschmerzen, Herzinfarkt) einher. Eine Entlohnung des Arbeitsweges ist daher auch ein Anstoß für Unternehmen, Home-Office Möglichkeiten, dezentrale Büros, flexiblere Arbeitszeiten und Ähnliches anzubieten.
Gleichzeitig darf das nicht heißen, dass Arbeitnehmer*innen, die gerne vor Ort arbeiten möchten, ins Home Office gezwungen werden, um die Bezahlung des Arbeitsweges sowie Heiz- und Gebäudekosten zu sparen. Auch hier käme es zu einer Benachteiligung bereits belasteter Arbeitnehmer*innen. Ebenso problematisch ist die sukzessive Erhöhung der Dauer eines „zumutbaren“ Arbeitswegs für arbeitslose Personen. Inzwischen darf Arbeit durch den Jobcenter vermittelt werden, bei welcher der Arbeitsweg über 2 Stunden beträgt, bereits unter der Ampel-Regierung gab es Bemühungen diese Zeit auf 3 Stunden anzuheben
Arbeitswege intersektional denken:
FINTA Personen haben oft längere und kompliziertere Arbeitswege, was an mehrere Faktoren gekoppelt ist. Ein Grund besteht in einer Stadtplanung, die sich an weißen cis-Männern orientiert und die Lebensrealitäten und Arbeitswege von FINTAs, queeren Personen, BIPOCs, Menschen mit Behinderungen und anderen marginalisierte Gruppen nicht berücksichtigt. Warum FINTA-Personen oft längere/kompliziertere Wege haben liegt insbesondere an:
- Care-Arbeit & Mehrfachwege. Frauen und FINTA übernehmen im Schnitt mehr unbezahlte Sorgearbeit (Kinder, Pflege, Einkäufe). Deshalb sind ihre Wege nicht nur „Wohnung → Arbeit → Wohnung“, sondern oft verschachtelt: Kita, Supermarkt, Arzt, Arbeit, Angehörige usw. Das nennt sich „Trip-Chaining“.
- Viele FINTA meiden bestimmte Wege, Parks oder dunkle Unterführungen, weil sie Gewalt oder Belästigung fürchten. Dadurch verlängern sich Wege oder man muss mehr bezahlen (z. B. Taxi statt ÖPNV).
- Ungleich verteilte Arbeitsorte. FINTA arbeiten überproportional in Teilzeit, Care- oder Dienstleistungsberufen, die oft schlechter angebunden sind (z. B. Pflegeeinrichtungen, Kitas am Stadtrand, Reinigung in Gewerbegebieten).
- Prekäre Beschäftigung & Wohnortverdrängung. Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen leben aufgrund hoher Mieten häufig am Stadtrand. Dadurch verlängern sich ihre Arbeitswege, während der bezahlte Arbeitsweg zugleich eine wichtige soziale Ausgleichsmaßnahme darstellt.
- Stadtplanung aus einer männlichen Normperspektive. Die Stadt- und Verkehrsplanung ist historisch von weißen cis-Männern geprägt und berücksichtigt die Lebensrealitäten und Arbeitswege von FINTAs, queeren Personen, BIPOCs, Menschen mit Behinderungen und anderen marginalisierte Gruppen nicht (insbesondere keine Berücksichtigung von komplexen Wegeketten; Autofokus; ungleich verteilte Infrastruktur).
Um eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben sicherzustellen, müssen Arbeitswege zwingend mitgedacht werden.
Deswegen fordern wir:
- Arbeitswege durch die Arbeitgeber*innen-Seite gerecht zu entlohnen, zum Beispiel durch gesetzlich festgelegte Pauschalbeträge, die sich an der Dauer des Arbeitsweges orientieren
- Gleichzeitig muss, durch die Aufnahme des Begriffes Wohnort in das § 1 AGG, sichergestellt werden, dass ein längerer Arbeitsweg kein Nachteil bei Bewerbungen ist. Dies gilt insbesondere bei Arbeitnehmer*innen, die auf den ÖPNV angewiesen sind. Die verpflichtende Angabe der Wohnadresse in Bewerbungsunterlagen soll daher abgeschafft werden. Die Dauer eines „zumutbaren“ Arbeitswegs bei der Arbeitsvermittlung durch den Jobcenter darf nicht angehoben werden.
- Wir bleiben auch weiterhin bei unserer Forderung eines verpflichtenden Jobtickets und eines Fahrtkostenzuschusses für Arbeitsnehmer*innen.
- zusätzliche Anreize zur Nutzung des ÖPNV und des Fahrrads.
- Arbeitsweg bleibt Arbeitsweg: Es muss sichergestellt werden, dass Arbeitgeber*innen nicht verlangen, Arbeitsaufgaben auf den Hin- und Rückwegen zu erledigen
- Wir bekräftigen unsere Forderung nach einer intersektional-feministischen Stadtplanung, die zeitgemäße Mobilitätskonzepte umfasst. Diese müssen berücksichtigen, dass Menschen mit Care-Verantwortung oft komplexere Arbeitswege haben und dass FINTA-Personen, queere Menschen, BIPoCs, Menschen mit Behinderungen und andere marginalisierte Gruppen auf dem Arbeitsweg überdurchschnittlich häufig Belästigung und Gewalt erfahren.
- Auszubildende und studentisch Beschäftigte sollen in allen Punkten mitgedacht werden.
- Es sollte geprüft werden, wie den komplexeren Wegen von FINTA in Arbeits- und Privatleben auch finanziell Rechnung getragen werden könnte. Z.B. könnte geprüft werden, ob bei der Entlohnung von Arbeitswegen auch Wege der Care Arbeit berücksichtigt werden könnte
