Alle Menschen sollten eine angemessene, respektvolle und menschenwürdige gesundheitliche Versorgung erhalten. Das ist auch unser Anspruch als Sozialdemokratie. Doch die Realität sieht vielerorts leider immer noch anders aus. Queere Menschen stehen im deutschen Gesundheitssystemvor einer verheerenden Lage. Gesundheit und Versorgungsstrukturen für queere Menschen sind in Deutschland ungleich verteilt. So zeigen die empirischen Befunde einer Studie der Universität Bielefeld (2021), dass queere Menschen in Deutschland – und insbesondere trans Personen – einer systematisch höheren gesundheitlichen Belastung ausgesetzt sind, die weit über individuelle Risikofaktoren hinausgeht. Diese Belastungen sind das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels aus struktureller Diskriminierung, mangelnder medizinischer Sensibilisierung und fehlenden sozialen Sicherheitsnetzen. So erhalten queere Menschen häufig unzureichende Versorgung, weil Fachpersonal oft nicht über die spezifischen körperlichen und psychischen Belastungen informiert ist, die durch dauerhaften Diskriminierungs‑ und Minderheitenstress entstehen oder nehmen aufgrund von andauernden Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitsbereich bestimmte Versorgungsangebote aus Angst vor erneuter Abwertung gar nicht erst wahr, was gesundheitliche Probleme verschleppt und verschärft. Dadurch ergeben sich unter anderem folgende Problemlagen:
Psychische Gesundheit
- 26 % der befragten queeren Personen geben an, an einer depressiven Episode oder Burn‑out zu leiden – ein Wert, der nahezu das Dreifache der Prävalenz bei cis‑heterosexuellen Befragten (10 %) darstellt.
- Bei trans Personen liegt die Prävalenz von Angststörungen bei 40 %, wohingegen cis‑heterosexuelle Befragte lediglich 9 % angeben. Diese Diskrepanz spiegelt die permanente Bedrohungslage wider, die queere Menschen im Alltag erfahren.
- Queere Menschen berichten doppelt so häufig von chronischen Schlafproblemen und essgestörten Verhaltensweisen, wobei trans Personen besonders stark betroffen sind.
Körperliche Erkrankungen
- Die Studie zeigt, dass diese Krankheitsbilder bei queeren Personen fast doppelt so häufig diagnostiziert werden wie in der Gesamtbevölkerung. Chronischer Stress, ausgelöst durch Diskriminierung und soziale Ausgrenzung, wirkt hier als pathophysiologischer Katalysator.
Soziale Isolation und fehlende herkunftsfamiliäre Unterstützung
- 31 % der trans Personen und 15 % der cis‑queeren Befragten fühlen sich dauerhaft einsam – im Vergleich zu lediglich 5 % bei cis‑heterosexuellen Personen.
- 37 % der trans Personen berichten von einer ausgeprägten gesellschaftlichen Ausgrenzung, was die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen zusätzlich erschwert.
- Während queere Menschen häufig auf Freund*innen und Wahl‑Familien als primäre Unterstützungsquelle zurückgreifen, fehlt ihnen häufig ein stabiles familiäres Rückgrat. Dies führt zu einer erhöhten Vulnerabilität gegenüber psychischen Belastungen und reduziert die Wahrscheinlichkeit, frühzeitig medizinische Hilfe zu suchen.
Arbeitsunfähigkeit und ökonomische Folgen
- Queere Beschäftigte waren 2019 doppelt so häufig länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, was nicht nur individuelle Existenzrisiken, sondern auch erhebliche Kosten für das Sozialsystem bedeutet.
Ist nicht schon die Ausgangssituation für queere Menschen, sowohl gesundheitlich wie auch arbeitstechnisch verheerend, so wird ihnen der Zugang zum Gesundheitssektor (z.B. zu medizinischen Behandlungen, Beratungen, Therapien) strukturell durch das derzeitige System selbst erschwert.
Systemische Barrieren im Gesundheitswesen
- Viele Ärzt*innen und Pflegekräfte verfügen nicht über ausreichende Kenntnisse zu geschlechtsspezifischen Besonderheiten und den psychosozialen Stressoren, denen queere Menschen ausgesetzt sind.
- Aufgrund wiederholter negativer Erfahrungen scheuen sich queere Personen häufig davor, ärztliche Angebote wahrzunehmen – selbst wenn sie dringend benötigt werden (z. B. Vorsorgeuntersuchungen).
Ohne gezielte Sensibilisierung, niedrigschwellige Angebote und die Einbindung von queeren Unterstützungsnetzwerken bleibt das Gesundheitssystem für diese Gruppe unzugänglich und queere Menschen gesundheitlich strukturell benachteiligt. Zwar sind die Gesetzesänderungen der letzten Jahre ein guter erster Schritt und haben dazu beigetragen, Diskriminierung abzubauen, aber gesundheitliche Benachteiligungen queerer Menschen werden zumeist immer noch als individuelles Problem und nicht als strukturelles Defizit des deutschen Gesundheitssystems aufgefasst. Deswegen erschreckt es umso mehr, dass, obwohl z.B. Berlin als Regenbogenhauptstadt gilt, vergleichsweise (z.B. zu Köln) wenig queere Gesundheitsversorgungsstrukturen vorzufinden ist und die Unterschiede regional gravierend sind. Es darf jedoch nicht vom Wohnort abhängen, ob ein Mensch Zugang zu adäquater medizinischer Versorgung erhält.
Als SPDqueer können wir das nicht hinnehmen. Queere Gesundheit muss als relevant für die Lebens- und Arbeitspraxis und als gesamtgesellschaftliche Verantwortung wahrgenommen werden. Es geht um die Teilhabe aller und es kann nicht nur Aufgabe der Community sein, für sich selbst zu sorgen. Deswegen fordern wir, dezidierte Verbesserungsmaßnahmen, die sich in folgende fünf Bereiche unterteilen lassen:
- Intersektionalität von queerer Gesundheit
- TINA*-Gesundheit (TINA* = Trans* Inter* Nichtbinär* Agender*)
- Verzahnung von Bezirken, Land und Bund
- Ausbildung und Standardisierung
- Verbesserungen im Versorgungssystem
Nur durch ein konsequentes, intersektionales und politisch verankertes Handeln kann die gesundheitliche Chancengleichheit für queere Menschen hergestellt, nachhaltig gesichert und die strukturellen Ursachen ihrer Benachteiligung wirksam bekämpft werden.
1: Intersektionalität queerer Gesundheit
Queere Menschen gibt es in allen Teilen der Gesellschaft, sie sind arm und reich, alt und jung, weiß und BIPoC, neurotypisch und neurodivergent, haben unterschiedliche Geschlechter und Religionen, sind wohnungslos und vieles mehr. Dadurch sind sie jedoch häufig auch von Mehrfachdiskriminierung betroffen. Bei der Frage der Verbesserung queerer Gesundheit stoßen wir somit zwangsläufig auf andere Bereiche und Defizite unserer Gesellschaft und des Gesundheitssystems. Immer wieder erfahren Personen aus der LGBTQIA*-Community, Menschen mit internationalem Hintergrund oder aufgrund ihres äußerlichen Aussehens Diskriminierung, Ausgrenzung und/oder unsensible Behandlung. Diskriminierungsfreie und respektvolle Behandlung muss jedoch für alle möglich sein. Die von uns aufgestellten Forderungen sind altersübergreifend zu verstehen und beziehen sich auf die Lebenssituationen von queeren Menschen von Kindheit und Jugend an bis ins Hohe Alter.
Die medizinischen Bedürfnisse von Menschen mit unterschiedlichen Diversitätsmerkmalen, ihre Zugänge und Möglichkeiten, und ihr Verhalten bei der Inanspruchnahme von Angeboten und Einrichtungen der Gesundheitsversorgung sind so unterschiedlich und vielfältig wie die Menschen selbst. Es handelt sich um eine heterogene Gruppe mit heterogenen Bedürfnissen. Diese sind dabei nicht mit Blick auf einzelne Diskriminierungsmerkmale erfassbar, sondern müssen in ihrem intersektionalen Zusammenhang gesehen werden. Verallgemeinerungen und Stereotypisierungen sind dabei unbedingt zu vermeiden, ohne jedoch Missstände und Betroffenheiten zu ignorieren.
Wir sind uns darüber im Klaren, dass die hier angeführten intersektionalen Verflechtungen nur einen kleinen Teil der möglichen Mehrfachdiskriminierungen abbilden.
Wir erkennen an, dass es medizinisch notwendige Unterschiede in der Behandlung von biologisch weiblichen Menschen oder z.B. BIPoC-Personen gibt, bspw. aufgrund der Wirksamkeit spezifischer Medikamente oder der Präposition für bestimmte Erkrankungen. Diese medizinische Notwendigkeit darf jedoch keinesfalls mit einer Diskriminierung der jeweiligen Person einhergehen. Sie sind keine Rechtfertigung für Rassismus oder Queerfeindlichkeit!
Feministische Medizin
Unser Ansatz ist ein queerfeministischer. Queere Medizin und feministische Medizin sind für uns in den Forderungen eng miteinander verwoben. Ein Sektor, der hier eine zentrale Rolle spielt, ist der Bereich der geschlechtersensiblen Medizin. Seit Jahren setzen sich Menschen für eine bessere Repräsentanz verschiedener Geschlechter in medizinischen Studien und bei der Medikamentenforschung ein. Dies betrifft nicht nur die Berücksichtigung und Einbindung queerer Identitäten, auch cis-Frauen werden bis heute zu wenig einbezogen, was weitreichende gesundheitliche Folgen hat. Begründet wird der Ausschluss von Personen, die nicht heterosexuell und cis-männlich sind damit, dass es z.B. bei Personen, die eine Menstruation haben in den Studien zu zu hohen Schwankungen in den Untersuchungsergebnissen kommt, dass eine reibungslose Durchführung medizinischer Studien dadurch erschwert würde. Im Ergebnis sind die Ergebnisse solcher Studien und die zugelassenen Medikamente in der empfohlenen Dosis damit aber für einen großen Teil der Bevölkerung unbrauchbar. Die Folgen sind bekannt: Medikamente, die in der Dosierung nicht wirken, weil sie auf cis-männliche Personen ausgerichtet sind (z.B. Schmerzmittel), Krankheitssymptome, die nicht erkannt werden, weil sie nur bei cis-männlichen Personen in der beschriebenen Weise auftreten (z.B. Herzinfarkte) und in der Konsequenz zu spät behandelt werden oder sogar zum Tod der Betroffenen führen, Krankheiten, Organe und Medikamente, die zu wenig erforscht sind, weil sie cis-männliche Personen nicht betreffen (z.B. Endometriose, Schwangerschaftsverhütung, Menstruationsblut). Diese defizitäre Forschung gefährdet Leben und trägt zusätzlich zu einer Tabuisierung ganzer Gesundheitsbereiche bei!
Wir fordern daher klare Vorgaben für die Durchführung und Diversifizierung von medizinischen Forschungen und Studien:
- Die Durchführung von Studien darf nur auf Basis eines breiten Studienteilnehmendenprofils stattfinden.
- Studienbeschreibungen müssen einen Abschnitt zur Inklusion verschiedener Gruppen enthalten, zu welchen u.a. cis-Frauen, queere Identitäten, aber bspw. auch alte Menschen gehören müssen.
- Ein Ausschluss der genannten Gruppen muss nachvollziehbar begründet und faktenbasiert sein.
- Etwaige Testmethoden müssen entsprechend erweitert werden, um die Bedürfnisse vielfältiger Geschlechtsidentitäten zu berücksichtigen.
- Medikamentenzulassungen und -freigaben dürfen nur dann erfolgen, wenn das Medikament über mehrere Patient*innengruppen hinweg getestet wurde.
- Medikamentenvorgaben bereits zugelassener Medikamente müssen hinsichtlich diskriminierender Vorgaben überprüft und bei positiver Prüfung entsprechend angepasst werden.
Wir fordern unsere Mandatsträger*innen auf, sich für die Verankerung bzw. Änderung gesetzlicher Vorgaben einzusetzen, wo erforderlich.
Zudem müssen gezielte Informationen zu Behandlungen, Medikationen und Bedarfen queerer Menschen erarbeitet und zur Verfügung gestellt werden. Diese sollten nicht nur für medizinisches Fachpersonal zugänglich sein, sondern auch für Betroffene und themenspezifisch und zielgruppenorientiert ausgestaltet werden, bspw. im Bereich der Gynäkologie für Lesben, TINA*Personen etc.
Gesundheitsversorgung queerer wohnungs- und obdachloser Menschen
EU, Bund und Länder haben erklärt, Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030 „überwinden“ zu wollen. Aktuelle Zahlen zeigen jedoch eine gegenteilige Entwicklung. Die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung hat in der Beantwortung einer Anfrage der Grünen im Juli 2025 aufgezeigt, dass die Bedarfsprognose für Unterkünfte in Berlin derzeit bei rund 55.000 Plätzen liegt und bis 2029 auf mehr als 85.000 steigen werde. Dabei hat sich die Zahl der untergebrachten Wohnungslosen zwischen 2022 und 2025 bereits mehr als verdoppelt. Hinzu kommen Menschen, die durch die Statistik nicht erfasst werden, da sie nicht in Wohnheimen oder Notunterkünften untergebracht sind, weil sie entweder bei Angehörigen, Bekannten, auf der Straße oder in Behelfsunterkünften leben (schätzungsweise 8.000 Menschen).
Ziel bleibt, dass Menschen nicht mehr wohnungs- bzw. obdachlos werden müssen, alle Menschen einen bezahlbaren Ort zum Leben haben und die Zahlen der Wohnungs- und Obdachlosigkeit nicht weiter ansteigen. Bis dahin müssen jedoch Maßnahmen ergriffen werden, damit auch Menschen ohne festen Wohnsitz u.a. angemessenen und niedrigschwelligen Zugang zu gesundheitlicher Versorgung haben.
Besonders queere Menschen sind proportional häufig von Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffen. Ursache hierfür sind u.a. familiärer Ausschluss und das Verstoßen aus familiären Strukturen aufgrund von Outing und Queerfeindlichkeit, Gewalt im Nahumfeld (Familie, Partner*innenschaften usw.) oder Diskriminierung bei der Job- und Wohnungssuche.
Die Gesundheitsversorgung obdachloser Menschen ist insgesamt mangelhaft, der Zugang zu Medikamenten oder z.B. Vorsorgeuntersuchungen ist erschwert und viele Betroffene sind nicht krankenversichert bzw. verlieren ihre Krankenversicherung im Verlauf. Zudem empfinden sie häufig Scham, medizinische Einrichtungen aufzusuchen oder haben Angst vor Diskriminierung. Gerade wohnungs- und obdachlose Menschen haben jedoch einen erhöhten Bedarf an gesundheitlicher Versorgung, da sie häufig unter körperlichen und psychischen Erkrankungen leiden, mit Drogenkonsum und ungeschütztem Sexualverkehr zu tun haben, aber auch mit gewaltsamen Übergriffen.
Dabei sind sie häufig von Mehrfachdiskriminierung betroffen. Eine Vielzahl der wohnungs- und obdachlosen Menschen ist BIPoC bzw. hat eine Migrations- oder Fluchtbiografie. Queere wohnungs- und obdachlose Menschen sind zudem in mehrfacher Hinsicht von sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen, sowohl aufgrund ihrer Queerness als auch ihrer Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Einrichtungen der Obdach- und Wohnungslosenhilfe sind nicht für queere Menschen sensibilisiert, es gibt keine Notunterkünfte für queere Menschen und in den vorhandenen allgemeinen Einrichtungen sowie auf der Straße erfahren queere Menschen Gewalt aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität und Queerfeindlichkeit durch andere Aufsuchende der Einrichtungen sowie durch das Personal.
Damit geht eine zusätzlich verstärkte Unsicherheit im System, auch im Gesundheitssystem, einher.
Wir fordern:
- Die Schaffung gezielter Sensibilisierungsprogramme in Bezug auf das Thema Queerness im Zusammenhang mit Wohnungs- und Obdachlosigkeit für Einrichtungen der Obdach- und Wohnungslosenhilfe und Beratungsstellen, z.B. Stadtmissionen, aufsuchende Sozialarbeit usw., welche sowohl das Personal als auch dort tätige Ehrenamtliche einbeziehen sollen
- Die Einrichtung eines spezifischen Unterbringungsangebots für queere wohnungs- und obdachlose Menschen, bspw. Notunterkünfte spezifisch für queere Menschen
- Die Schaffung und Ausweitung barrierearmer medizinischer Angebote für wohnungs- und obdachlose Menschen
- Den Abbau von Sprachbarrieren in der Gesundheitsversorgung. Außerdem müssen Möglichkeiten zur kostenlosen Wahrnehmung von Sprachmittlung oder Angeboten in Leichter Sprache geschaffen werden.
- Die Erarbeitung von Lösungen, damit auch Betroffene ohne Aufenthaltstitel, Wohnort oder Krankenversicherung niedrigschwellig und kostenlos versorgt werden können.
Queer und Neurodiversität
Der Begriff der Neurodiversität bezieht sich auf Menschen, deren Gehirn „abweichend“ von neurologischen Normvorstellungen („neurotypisch“) arbeitet und erkennt diese in ihrer Existenz an. Die Unterscheidung zwischen neurodivergent und neurotypisch sieht diese Unterschiede dabei als Variationen, in denen sich menschliche Vielfalt darstellt. Dabei gibt es kein „richtig“ oder „falsch“, „gesund“ oder „krank“, „normal“ oder „anormal“. Neurologische Vielfalt ist „Normalität“. Neurodiversität ist unabhängig von anderen Faktoren wie z. B. Geschlecht, Hautfarbe, Bildungsstand und/oder Herkunft. Gleichzeitig bringt Neurodiversität Barrieren und Hindernisse mit sich, da unsere Gesellschaft auf neurotypische Menschen ausgerichtet ist. Neurodiversität kann sich in verschiedenen Aspekten der Persönlichkeit zeigen, z. B. Lernen, Denkweise, Motorik, Struktur, Interaktion, Sprache und Wahrnehmung. Die erhöhte Reizsensibilität vieler neurodivergenter Menschen kann zu einem höheren Stresserleben und einem verstärkten Bedürfnis nach Rückzug führen, was wiederum gesundheitliche Auswirkungen haben kann. Dies führt auch zu Problemen im Gesundheitssystem, wenn Räumlichkeiten und medizinisches Fachpersonal nicht für den Umgang mit neurodivergenten Menschen sensibilisiert sind.
Der Querschnittsbereich aus den Themen Queer und Neurodiversität liegt darin begründet, dass neurodivergenten Denk- und Sichtweisen Diskriminierungspotenziale bürgen, auch in Bezug auf die geschlechtliche und sexuelle Identität einer Person, bspw. hinsichtlich des eigenen Geschlechtsausdrucks oder der geschlechtlichen Zuweisung anderer, wenn eine neurodivergente Person das Konzept Geschlecht z.B. nicht nachvollziehen kann. Neurodivergente Menschen sind zudem prozentual deutlich häufiger queer als neurotypische Menschen. Die Zusammenhänge bzw. Überschneidungen dieser beiden Spektren wurden in der Vergangenheit bereits einige Male im Rahmen von Studien und Befragungen untersucht, u.a. in den Niederlanden und Australien, wobei die Ergebnisse dieser Untersuchungen darauf hindeuten, dass geschlechtliche und sexuelle Identitäten z.B. bei Autist*innen vielfältiger zu sein scheinen als in der neurotypischen Bevölkerung und auch ein breiteres und vielfältigeres Verständnis derselben zu bestehen scheint.
Die Durchführungen derartiger Studien ist essenziell, um die intersektionalen Verflechtungen zwischen Queerness und Neurodiversität besser zu verstehen und so bedarfsgerechte Maßnahmen entwickeln zu können, um die Teilhabe von Menschen zu verbessern, die sich auf beiden Spektren verorten oder verortet werden. Dies gilt insbesondere für den Gesundheitssektor, da sich aus dieser Verflechtung eine Vielzahl an spezifischen gesundheitlichen Risiken, Stressfaktoren und Bedürfnissen ergibt, auf die fachlich reagiert werden muss. Besonders in Bezug auf medizinische und psychologische Begleitung ist entpathologisierendes und diskriminierungssensibles Wissen von Bedeutung.
Das Unwissen über die Zusammenhänge dieser Themenspektren führt in der Realität leider oft zu Mehrfachdiskriminierung. Viele queere Menschen beschreiben Diskriminierung im Zusammenhang mit Ableismus, also Behindertenfeindlichkeit. Diese bezieht sich am häufigsten auf psychische Merkmale und Neurodivergenz. Jede fünfte befragte Person nach einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle StandUp der Schwulenberatung Berlin erlebte neben Diskriminierung aufgrund der geschlechtlichen oder sexuellen Identität auch Diskriminierung aufgrund einer Neurodivergenz. So werden neurodivergenten Personen in der Praxis u.a. manche Behandlungen versagt, z.B. Hormontherapien oder der Zugang zu bestimmten Verhütungsmitteln, da sie infantilisiert werden und ihnen nicht zugetraut wird, informierte Entscheidungen über ihre Identität z.B. aufgrund ihres Autismus zu treffen. Gleichzeitig wird ihnen dabei die Selbstbestimmung über ihre eigene geschlechtliche und/oder sexuelle Identität und ihren Körper entzogen. Das muss aufhören! Neurodivergent zu sein bedeutet nicht, unfähig zu sein, selbstbestimmte Entscheidungen über die eigene Gesundheit zu treffen.
Zudem gibt es kaum Pflegeangebote, die sowohl queersensibel, als auch auf die Pflege von neurodivergenten Menschen, bspw. von Autismus, ausgerichtet sind. Hier besteht ein enormes Defizit in der gesundheitlichen Versorgung.
Wir fordern:
- Mehr Sensibilität in der Gesundheitsversorgung! Es braucht einen auf Konsens und Kommunikation ausgerichteten Umgang mit Patient*innen, auch während der Behandlung. Medizinisches Personal sollte darauf geschult sein, vor der körperlichen Kontaktaufnahme Konsens zu erfragen (sofern es sich nicht um einen medizinischen Notfall handelt) und in einfacher und klarer Sprache zu kommunizieren, da bspw. nonverbale Kommunikation missinterpretiert werden kann. Eine klare Kommunikation hinsichtlich von Bedürfnissen und Grenzen kann Hürden abbauen und schafft eine größere Vertrauensbasis. Gleichzeitig wird einer etwaigen Reizüberflutung neurodivergenter Personen durch unerwünschte Berührung oder kommunikative Undeutlichkeiten vorgebeugt.
- Die Erarbeitung eines Leitfadens zum konsensualen und diversitätssensiblen Umgang im Patient*innenkontakt
- Mehr Forschung zum Querschnitt Queerness und Neurodivergenz, um adäquate Behandlungsstrategien entwickeln zu können
- Die Schaffung von reizarmen Warte- bzw. Rückzugsbereichen in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen. Diese Bereiche sollten möglichst geräuscharm oder vollkommen ruhig und mit gedimmtem Licht ausgestattet sein. Sollte dies nicht möglich sein, so sollten z.B. Noice-Cancelling-Kopfhörer und ähnliche Werkzeuge zur Reizreduzierung bereitgestellt werden.
- Die Schaffung von Anlaufstellen bei Schwierigkeiten bzw. Unterstützungsbedarf für queere und neurodivergente Menschen.
- Die Schaffung von mehr Pflegeangeboten bzw. die Ausweitung bestehender Angebote, z.B. durch Schulungen, die auch auf neurodivergente, queere Menschen, z.B. queere Menschen mit Autismus, ausgerichtet sind.
- Die Schaffung und bessere Zugänglichkeit von und zu Psychotherapieplätzen
Queere BIPoCs im Gesundheitssystem
Wenn von diversitätssensibler Gesundheitsversorgung die Rede ist, denken viele Menschen zunächst an die Berücksichtigung unterschiedlicher kultureller Hintergründe und Menschen mit Migrationsbiografie. Tatsächlich spielt die Frage von Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit und Aufenthaltsstatus auch beim Thema queerer Gesundheitsversorgung eine zentrale Rolle. Rassismus ist neben Queerfeindlichkeit eine der am häufigsten genannten Diskriminierungsformen. Das Zusammenspiel beider Diskriminierungsformen erhöht die Sorge vor Ausgrenzung und die Angst vor Übergriffen. Im Bereich von Gesundheit und Pflege erfahren z.B. schwarze trans*, inter* oder nicht-binäre Menschen besonders häufig Diskriminierung, sowohl im Vergleich zu weißen als auch zu cis-BIPoC-Personen.
Sowohl bei queeren Menschen als auch bei BIPoCs handelt es sich um Personengruppen, die durch Zugangshürden oft über eine geringere Informiertheit über das deutsche Gesundheits- und Pflegesystem verfügen. Außerdem bevorzugen Befragungen zufolge beide Personengruppen tendenziell eine ambulante Pflege im häuslichen Umfeld aus Angst, in Einrichtungen erneute Diskriminierung und Ausgrenzung zu erfahren. Viele Betroffene beschreiben ein Gefühl der Isolation, der Unsichtbarkeit und der Behandlung als Außenseiter*innen im Umgang mit medizinischem Personal oder anderen Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen. Hinzu kommen Sprachbarrieren und damit verbundene Scham oder das Gefühl des Nicht-ernstgenommen-werdens, da häufig aufgrund der mangelnden deutschen Sprachkenntnis gleichsam mangelnde Intelligenz unterstellt wird. Wenn die Kommunikation nicht in der Erstsprache der Behandelnden oder Patient*innen durchgeführt wird, kann dies außerdem schlimmstenfalls dazu führen, dass Behandlungen nicht, schlechter oder falsch durchgeführt werden. Häufig müssen nicht-deutschsprachige Menschen sich zudem entscheiden, ob sie Einrichtungen aufsuchen, in denen sie mit einer queersensiblen Behandlung rechnen können oder zu einer Person, mit der sie in ihrer Erstsprache kommunizieren können.
Gerade für die Pflege rückt der Themenkomplex Queer und post-/migrantisch zudem immer weiter in den Fokus im Vergleich zu früheren Generationen. Sowohl die Zahl der pflegebedürftigen BIPoC-Personen und Menschen mit Migrationsbiografie als auch der pflegebedürftigen queeren Menschen steigt an.
Die Sensibilität für die Intersektionalität von Queerness und Rassismus darf überdies nicht nur Patient*innen berücksichtigen, sondern muss ebenso An- und Zugehörige sowie das medizinische Fachpersonal miteinbeziehen. Der Gesundheitssektor wird zunehmend von internationalen Fachkräften getragen und auch von diesen sind viele Menschen queer, auch aber nicht nur deswegen, da sie ihre sexuelle bzw. geschlechtliche Identität in Deutschland ohne Angst vor staatlicher Verfolgung leben können. Um dieses internationale Fachpersonal dauerhaft halten zu können und als Arbeitsstandort attraktiv zu bleiben, ist es jedoch notwendig, Diskriminierungsformen, wie Rassismus und Queerfeindlichkeit abzubauen, weil sie sowohl durch Mitarbeiter*innen als auch Patient*innen z.B. Rassismus erleben.
Wir fordern:
- Den Abbau von Sprachbarrieren in der Gesundheitsversorgung. Außerdem müssen Möglichkeiten zur kostenlosen Wahrnehmung von Sprachmittlung oder Angeboten in Leichter Sprache geschaffen werden.
- Die Etablierung von Sensibilisierungsprogrammen in öffentlichen medizinischen Einrichtungen zu gesellschaftlicher Vielfalt und dem Abbau von Diskriminierungsformen wie Rassismus.
Queere Gesundheit von Kindern und Jugendlichen
Der Bereich der Gesundheit queerer Kinder und Jugendlicher ist von besonderer Relevanz, da sich in den aktuellen Alterskohorten anteilig deutlich mehr Menschen als queer identifizieren als in älteren Jahrgängen, was u.a. mit einer größeren gesellschaftlichen Offenheit und Akzeptanz zusammenhängen könnte. Die bereits in der Einführung genannten Faktoren, welche queere Gesundheit negativ beeinflussen, treten dabei vermehrt bereits in der Kindheit und Jugend auf. Viele queere Kinder und Jugendliche leiden unter depressiven Verstimmungen, unter einem Gefühl der Einsamkeit und Isolation sowie des Andersseins, einem negativen (Körper-) Selbstbild, Selbstablehnung und Scham, was häufig auch durch z.B. (Cyber-) Mobbing verstärkt wird. Begleiterscheinungen psychischer und psychosomatischer Art sind oft Kopf-, Magen-, Nacken- und Rückenschmerzen, Niedergeschlagenheit, Nervosität, Schlafstörungen, Angstgefühle und Sorgen um die Zukunft. Auch wenn hier einzuräumen ist, dass viele Kinder und Jugendliche unter den genannten Symptomen leiden und sich dieser Effekt durch Corona verstärkt hat, so treten sie doch prozentual wesentlich häufiger bei queeren Kindern und Jugendlichen auf als bei cis-heteronormativen. Queere Kinder und Jugendliche leiden unter allgemeinen Stressoren ihrer Altersgruppe, wie bspw. Pubertät, Schulstress und Identitätsfindung, aber auch unter spezifisch queeren Stressfaktoren, die mit dieser Lebensphase einhergehen. Körperliche Veränderungen können bei TINA* (trans*-, inter*, nicht-binäre und agender*) Kindern und Jugendlichen Körperdysphorie auslösen, Misgendering durch das Lehrpersonal kann zu zusätzlichem Stress in der Schule und Schuldistanz beitragen, gleichzeitig geht mit queerer Identitätsfindung häufig die Angst vor Ablehnung und Zurückweisung einher, da sie nicht „normal“, also cis-heteronormativ sind, was teils mit verinnerlichter Queer-Negativität zusammenhängt.
Ein weiterer nicht zu vernachlässigender und schwerwiegender Punkt ist die traurige Tatsache, dass die Suizidversuchsrate unter queeren Menschen drei- bis viermal höher ist als bei cis-heteronormativen Personen und die Mehrheit dieser Versuche im Kinder- und Jugendalter erfolgt. Queere Jugendliche sind vermehrt von Suizidgedanken und -versuchen betroffen. Hier müssen Kampagnen zur Suizidprävention und Aufklärung rechtzeitig einsetzen, um die queeren Kinder und Jugendlichen in dieser vulnerablen Zeit in ihren Bedarfen nicht zu vernachlässigen.
Zudem fühlen viele queere Kinder und Jugendliche sich durch ihr familiäres Umfeld unzureichend oder gar nicht unterstützt, was Effekte von Einsamkeitsgefühlen noch verstärkt, und befinden sich aus Angst vor Ausgrenzung in einem ständigen Anpassungsprozess, was Stress auslöst. Dabei sind gerade Kinder und Jugendliche, auch in ihrer gesundheitlichen Versorgung, von ihrem Umfeld und dessen Willen zu unterstützen abhängig.
Diskriminierende Faktoren im Gesundheitswesen können sich bei Kindern und Jugendlichen überdies verstärken aufgrund ihres Alters und ihres Erfahrungshintergrunds, Ängste und Unsicherheit treten vermehrt auf, sind jedoch gleichzeitig mit einer stärkeren Zurückhaltung und in der Folge dem Verschweigen von Unwohlsein und diskriminierenden Erfahrungen verbunden. Diese Umstände müssen im medizinischen Umgang mit queeren Kindern und Jugendlichen besonders berücksichtigt werden, um Ängste abzubauen und das Vertrauen zu stärken. Queere Kinder und Jugendliche müssen in der Bewusstseinsbildung über die eigenen gesundheitlichen Bedürfnisse unterstützt und in der Inanspruchnahme der Möglichkeiten des Gesundheitssystems entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen bestärkt werden.
Leider werden auch heute noch häufig Operationen und Veränderungen an inter* Kindern und Jugendlichen durchgeführt, um bspw. Geschlechtsmerkmale binaritätskonform anzupassen, obwohl diese Eingriffe medizinisch gar nicht notwendig sind, dabei fordern Betroffenenverbände seit Jahrzehnten ein umfassendes Verbot. Seit 2021 sind medizinisch nicht notwendige genitalverändernde Operationen bei inter*Personen ohne deren Einwilligung in Deutschland zwar verboten, dennoch hat die aktuelle Gesetzeslage diverse Regelungslücken, die zur Umgehung genutzt werden. Gesetzeslücken müssen vollumfänglich geschlossen werden. Kosmetische Genitaloperationen und medizinisch nicht notwendige hormonelle Behandlungen, sofern keine lebensbedrohliche Indikation besteht, welche nachweislich erhebliche körperliche und psychische Folgen für die Betroffenen haben, müssen verboten werden und sollten nicht ohne die informierte Einwilligung der Kinder und Jugendlichen erfolgen. In Fällen lebensbedrohlicher Notwendigkeit muss eine stärkere Kontrolle der Gegebenheit und eine genaue Dokumentation erfolgen.
Der Zugang zu gewünschten Operationen und Hormontherapien, sowie Pubertätsblockern, bspw. im Rahmen von Transitionsprozessen, muss gewährleistet sein und darf nicht von der finanziellen Situation abhängig sein. Dies gilt auch bei queeren Kindern und Jugendlichen und ihren Familien. Hormontherapien, Pubertätsblocker und geschlechtsangleichende Operationen, die auf den Wunsch der Betroffenen hin angefragt werden, müssen als medizinisch notwendig anerkannt werden, da sie entscheidend sind für das körperliche und psychische Wohlbefinden der Betroffenen, und müssen Kassenleistung sein! Pubertätsblocker sind für viele TINA*Kinder und Jugendliche entscheidend für die körperliche und psychische Gesundheit und senken Studien zufolge das Suizidrisiko. Sie tragen zum Abbau von Körperdysphorie bei, da entscheidende körperliche Faktoren, die eventuell nicht mit der eigenen Identität der Kinder und Jugendlichen übereinstimmen, unterbunden werden, bspw. das Einsetzen von Periode oder Stimmbruch, das Brustwachstum oder eine vermehrte Körperbehaarung. Die niedrigschwellige Zugänglichkeit dieser lebensrettenden Medikamente muss gewährleistet sein und darf nicht eingeschränkt werden.
Außerdem fordern wir ein EU-weites Verbot von „Konversionstherapien“, auch wenn Deutschland bereits ein Verbot derselben „ohne Einwilligung“ etabliert hat. Dies ist erforderlich, um vor allem queere Kinder und Jugendliche vor „Konversionstherapien“ im Ausland zu schützen.
Kinder und Jugendliche müssen das Recht haben, über ihren Körper und ihren Geschlechtseintrag selbstbestimmt entscheiden zu können! Das Selbstbestimmungsgesetz muss auch für Minderjährige zugänglich sein und bleiben! Denn auch minderjährige Menschen haben das Recht, an ihrer medizinischen Versorgung beteiligt zu werden und die Maßnahmen, die dort ergriffen werden, mitbestimmen zu können.
Medizinische Behandlungen und Medikamente, bspw. im Rahmen von Transitionsprozessen, müssen auch für Kinder und Jugendliche Kassenleistung sein!
Über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt muss darüber hinaus in Bildungseinrichtungen, z.B. Schulen im Rahmen des Lehrplans aufgeklärt werden. Dies muss bundesweit verankert werden. Dabei soll auch über Themen wie queere Sexualaufklärung und Verhütung informiert werden.
Dies alles ist ein enormes Warnsignal! Eine derartige Häufung von gravierenden, durch Minderheitenstress verursachten Krankheitsbildern im Jugendalter hat langfristige negative gesundheitliche Folgen für queere Menschen, die sie im Zweifel bis ins Alter begleiten bzw. ihre Lebenszeit verkürzen. Darum ist es umso dringender, dass diese Kinder und Jugendlichen zeitnah Zugang zu Therapieplätzen erhalten und die Therapieangebote für queere Kinder und Jugendliche ausgebaut werden. Denn gerade im Kinder- und Jugendalter ist Zeit ein wesentlicher Faktor für queere Menschen, um bspw. rechtzeitig Maßnahmen in Reaktion auf Veränderungen durch die Pubertät zu ergreifen und langfristige gesundheitliche Folgen zu verhindern – Zeit, die diese Kinder und Jugendlichen nicht haben.
Wir fordern daher:
- Die Erstellung von Aufklärungsmaterial zu Gesundheitsbedarfen von queeren Kindern und Jugendlichen für Fachpersonal sowie Eltern und Kinder und Jugendliche, die auch altersgerecht medizinische Maßnahmen erläutern und darüber nachvollziehbar und in ihrer Relevanz informieren.
- Die Schaffung gezielter Anlaufstellen für Eltern von queeren Kindern zur Angehörigenberatung und -begleitung
- Die Verbesserung der gesundheitlichen Beratung zu Behandlungsbedarfen von queeren Kindern und Jugendlichen, besonders TINA*Kinder und Jugendliche und die Weiterbildung von schulischem Personal, Personal der Jugendarbeit, sowie Ärzt*innen und Einrichtungen des Gesundheitswesens. Es ist die Einrichtung einer spezialisierten Beratungsstelle zu erwägen.
- Die Einrichtung von Unterstützungsstrukturen im Gesundheitswesen zur Beratung und Begleitung queerer Kinder und Jugendlicher bei gesundheitlichen Entscheidungsprozessen durch geschulte Mediziner*innen und Berater*innen, um Kindern und Jugendlichen eine informierte, selbstbestimmte und ausgewogene Entscheidungsfindung zu ermöglichen. Eltern sollen dabei so gut wie möglich, aber im Interesse des Kindes einbezogen werden
- Die Schaffung von medizinischen Begleitmöglichkeiten, damit Eltern auf Wunsch Begleitung bspw. während eines Transitionsprozesses ihres Kindes durch ausgebildetes Personal mit Spezialisierung auf Kinder- und Jugendarbeit erhalten können
- Die Schaffung von Austauschangeboten für queere Kinder und Jugendliche, bei welchen auch Themen wie Outing, Transition und queere Verhütung behandelt werden
- Aufklärung von Personal in Bildungs- und Kinder- und Jugendeinrichtungen bzgl. Themen von queerer Gesundheit, um eine angstfreie Identitätsentwicklung der Kinder und Jugendlichen und eine kompetente Begleitung zu gewährleisten und die Schaffung entsprechender Weiterbildungsangebote
- Sensibilisierung für Themen queerer Kinder und Jugendlicher im Schulsport und in Kinder- und Jugendsportstätten sowie bei freien Angeboten, u.a. aber nicht nur die Einrichtungen von geschlechtsneutralen Umkleidekabinen, Duschen und Toiletten bzw. die Einführung von Einzelkabinen. Die Teilnahme am Sport ist für den Erhalt der körperlichen Gesundheit von queeren Kindern und Jugendlichen sowie der psychischen, um Gefühlen von Anderssein und Ausgrenzung vorzubeugen.
- Die Schaffung von Angeboten zur beratenden Begleitung von Transitions- und „Coming-Out“-Prozessen
- Keine medizinisch nicht notwendigen Operationen und Veränderungen von Geschlechtsmerkmalen sowie medizinisch nicht notwendige hormonelle Behandlungen, bevor die Personen nicht selbst über ihren Körper und ihre Identität entscheiden können und wollen – es braucht ein umfassendes Verbot!
- Ein EU-weites einwilligungsunabhängiges Verbot von „Konversionstherapien“
- Die Zurücknahme der Beschlüsse Ic-128 und IC-48 der Bundesärztkammer des 128. Deutschen Ärztetages
- Die Verbesserung der Forschungslage und Etablierung von Forschungsprojekten zu Gesundheitsbedarfen queerer Kinder und Jugendlicher
- Die Berücksichtigung der Bedarfe in Aus- und Weiterbildung von Kinderärzt*innen und Kinder- und Jugendpsychiater*innen
- Die Schaffung von Angeboten zur queeren Suizidprävention in Schulen und Jugendeinrichtungen sowie die entsprechende Weiterbildung und Sensibilisierung des Personals (Sozialarbeitenden, Lehrenden etc.)
- Den Ausbau von Kinder- und Jugendtherapieplätzen, besonders solchen, die auf die Behandlung und den Umgang mit queeren Kindern und Jugendlichen spezialisiert sind
- Wir fordern die Aufklärung über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt und die Verankerung dieser Themen in den Rahmenlehrplänen der Länder.
Queer im Alter
Die Zahl pflegebedürftiger Menschen wird im Zuge des demografischen Wandels in den kommenden Jahren gesamtgesellschaftlich ansteigen. Queere bzw. diversitäts- und diskriminierunssensible Pflege ist nicht nur eine Frage des Alters, auch junge Menschen sind auf Pflege angewiesen und das Angebot muss insgesamt ausgeweitet werden. Dennoch macht die Pflege älterer Menschen immer noch einen Großteil des Bedarfs aus und auch queere Menschen werden älter und haben spezifische Bedürfnisse an ihre Gesundheitsversorgung. Allgemeine Aspekte der Gesundheit queerer Menschen und ihre Gesundheit im Allgemeinen müssen bei der Pflege queerer Menschen, auch im Alter, aber somit ebenfalls mitgedacht werden, bspw. das Thema Einsamkeit, aber auch die Häufigkeit chronischer Erkrankungen durch jahrelangen Minderheitenstress. Die bereits angeführten und noch folgenden Aspekte müssen somit auch in die queere Altenpflege einbezogen werden.
Nach Schätzungen des niedersächsischen Sozialministeriums aus dem Jahr 2016 gibt es in Deutschland bis zu 1,8 Millionen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche (LSBTI*) Senior*innen im Alter von über 60 Jahren. Queer und Alter ist im öffentlichen Diskurs allerdings selten Thema. Ältere queere Menschen sind gesellschaftlich oft wenig sichtbar und erhalten wenig Beachtung. Das hängt u.a. damit zusammen, dass viele sich zunehmend zurückziehen und ihre sexuelle oder geschlechtliche Identität verschweigen, da sie in ihrem Leben Diskriminierungserfahrungen gemacht haben. Diskriminierungen, die vor Jahrzehnten aufgrund der eigenen sexuellen oder geschlechtlichen Identität erlebt wurden, haben auch im Alter Auswirkungen. Betroffene reden oft nicht über das Erlebte, haben das Gefühl, dass sie von ihrem Umfeld nicht verstanden werden oder es keine Personen gibt, mit denen sie diese Erfahrungen teilen und die diese nachvollziehen können. Außerdem herrscht ein Mangel an queersensiblen Räumen für ältere Menschen. Häufig fühlen sich ältere queere Menschen sozial isoliert. Dieser Fakt wird zudem dadurch verstärkt, dass ältere queere Menschen häufiger kinderlos und alleinlebend sind und Versorgungsangebote der Altenhilfe aus Angst vor Diskriminierung weniger annehmen.
Aufgrund des Mangels familiärer Kontexte, z.B. als Folge einer Ausstoßung aus der Familie als Folge eines Outings oder aus Mangel an Kindern und Nahverwandten, fehlt die Unterstützung durch Angehörige und familiäre Netzwerke, auch gesundheitlich. Als Resultat erfolgt ein großer Teil der Sorgearbeit bei queeren Menschen durch die sog. „Wahlfamilie“, also Freund*innen und andere soziale Netzwerke. Wahlfamilien werden vom Gesundheitssystem jedoch nicht berücksichtigt. Andere als familiäre zugehörige Personen werden bei Gesprächen zu Pflege und Unterstützungsnetzwerken seitens offizieller Stellen gar nicht erfragt. Dies macht ein Umdenken bei der Angebotslandschaft und Beratung für Pflegende notwendig, welche nicht nur auf An-, sondern auch auf Zugehörige ausgeweitet werden sollte. Angebote müssen um Zugehörige erweitert werden und dürfen nicht nur auf Familien ausgerichtet sein. Dies gilt auch in der Kommunikation zu pflegebezogenen Themen und im Umgang mit Pflegebedürftigen. Zudem braucht es eine bessere, auch psychosoziale Begleitung von an- und zugehörigen Pflegenden. Es sollten Stationspsycholog*innen zur Verfügung gestellt werden auf Stationen, wo es sinnvoll ist, und allgemeine Beratungsangebote müssen ausgeweitet werden.
Gleichzeitig altern diese Netzwerke häufig zusammen mit ihnen und haben nicht die Ressourcen, um eine adäquate Pflege zu gewährleisten oder sind mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert. Der Einzug in eine Pflegeeinrichtung bedeutet zudem zumeist eine Herauslösung aus diesem Umfeld. Gerade weil das persönliche Umfeld vor allem für queere Menschen enorm wichtig und eine große soziale Stütze ist (diskriminierungsfrei), fällt es queeren Menschen häufig umso schwerer als ohnehin schon z.B. in Pflegeeinrichtungen mit ihnen Unbekannten zu ziehen. Ältere queere Menschen brauchen die Gewissheit, dass sie ihr Leben weiterhin selbstbestimmt leben können. Statt in stationäre Pflegeeinrichtungen zu ziehen, bevorzugen viele queere Menschen daher Kontexte, die ihrem Bedürfnis nach gesellschaftlicher Teilhabe mehr entgegenkommen und ihnen eine höhere Selbstständigkeit ermöglichen und ihnen gleichzeitig ein sensibles Umfeld erhalten. Darum werden viele queere Wohnprojekte als Mehrgenerationenwohnen gedacht, also Pflege-WGs in Kombination mit Wohneinheiten für queere Menschen allen Alters, um Teil der Community zu bleiben und bspw. auch Kontakt zu jungen queeren Menschen zu haben. Die Wohnprojekte sind von hoher Relevanz für queere Senior*innen. Sie bieten ihnen die Möglichkeit, mit anderen queeren Menschen zusammenzuleben, solidarisch und gemeinschaftlich, die ihre Erfahrungen verstehen und teilen und bei denen sie sich zugehörig fühlen, ohne sich immer wieder erklären zu müssen. Darüber hinaus kostet das dortige Wohnen nur wenig Geld. Gerade letzteres ist für viele queere Senior*innen von zentraler Bedeutung. Viele ältere queere Menschen haben unterbrochene Erwerbsbiografien, haben aufgrund von Queerfeindlichkeit nur im Niedriglohnsektor Arbeit gefunden oder aufgrund von Verurteilungen nach §175 und ihrer damit zusammenhängenden Vorstrafe keine Arbeit gefunden. Queere Frauen sind zudem von doppelter Diskriminierung als Frauen und queere Menschen betroffen und die Altersarmut von Frauen ist statistisch bekanntlich noch höher als bei Männern, außerdem sind auch ihre Erwerbsbiografien in einigen Fällen durch Schwangerschaften unterbrochen. Queere ältere Menschen leiden in der Konsequenz besonders unter der angespannten Wohnungsmarktsituation und den steigenden wirtschaftlichen Kosten.
Allerdings gibt es in Berlin zu wenige queere Pflege-Wohngemeinschaften, um den Bedarf und die hohe Nachfrage zu decken. Die Wartelisten der existierenden Angebote und Mehrgenerationenhäuser sind lang und können die enorme Nachfrage, auch angesichts der angespannten Wohnungsmarktsituation, nicht decken. Zudem fehlt es an einer Definition, um Wohnraum spezifisch als queeren Wohnraum auszuweisen. Es gibt weder Richtlinien noch Umsetzungsstrategien, was das Merkmal „queer“ ausmacht und warum „queer“ als besondere Kategorie zu berücksichtigen und somit bei der Vergabe von Wohnraum zu bevorzugen ist. Queeres Wohnen ist schwierig, weil (rechtlich) nicht klar ist, was „Queeres Wohnen“ definiert und was die besonderen Bedarfe ausmacht. Hier müssen definitorische Parameter geschaffen werden, um queeres Wohnen langfristig abzusichern und die Schaffung weiterer queerer Wohnprojekte zu unterstützen. Die ambulante Pflege wird der stationären vorgezogen, da der Verbleib in der eigenen gewohnten Umgebung und im sicheren zu Hause von queeren Menschen als zentral erachtet wird, auch aus Angst vor institutioneller Diskriminierung. Wenn die ambulante Pflege die Pflegeerfordernisse nicht bewältigen kann, werden Pflege-Wohngemeinschaften herkömmlichen Pflegeheimen vorgezogen. Zudem gibt es in Berlin kaum Angebote stationärer Pflege die ausgewiesen queersensibel ist. Der strukturelle Mangel bedingt im Zweifel also auch die Wahl der Versorgung.
Queere Menschen befürchten in Einrichtungen der Altenhilfe und Pflege Ausgrenzung, Ablehnung und Diskriminierung bzw. sich und ihre sexuelle und geschlechtliche Identität verstecken zu müssen, um eben jenen zu entgehen. Dabei geht es nicht nur um Diskriminierungssorgen durch Personal der Gesundheitsversorgung, sondern auch durch Altersgenoss*innen, welche auf Diskriminierungs- und Verfolgungserfahrungen zurückzuführen sind. Hierbei sind z.B. Fragen von strafrechtlicher Verfolgung (§175) und HIV relevant – Altersgenoss*innen, mit denen queere Senior*innen bspw. in Pflegeeinrichtungen zusammenleben müssen, haben die Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung sowie die Stigmatisierung häufig miterlebt bzw. sind in einer Zeit sozialisiert worden, in der queere Menschen kriminalisiert und ausgegrenzt wurden. Der Umgang mit HIV-positiven Menschen ist ebenfalls immer noch mit vielen Vorurteilen und Ängsten behaftet und mit viel Unwissenheit verbunden, sowohl seitens des medizinischen Fachpersonals als auch anderen Senior*innen in Gesundheitseinrichtungen. Dabei sind die Betroffenen nicht nur aufgrund der HIV-Erkrankung selbst, sondern auch aufgrund der Begleiterkrankungen und Risiken, bspw. Osteoporose oder Herz-Nierenerkrankungen, auf eine gute gesundheitliche Versorgung angewiesen.
Demenz ist eine Erkrankung, die alle Betroffenen und ihre An- und Zugehörigen vor große Herausforderungen stellt. Zudem ist Demenz als Thema gesellschaftlich oft noch unsichtbar und erhält wenig Beachtung. Die Unsichtbarkeit der Themen Demenz und Queer im Alter sorgt für eine doppelte Unsichtbarkeit queerer Betroffener. Für queere Menschen ergeben sich jedoch zusätzliche Bedarfe und Leiden, die mit der Erkrankung einhergehen. Viele Erkrankte wissen oft nicht mehr, ob sie sich in Pflegekontexten geoutet haben, was sie und wie offen sie erzählt haben bzw. wenn sie sich nicht geoutet haben, was sie stattdessen über ihr Leben erzählt haben, um nicht als queer „entdeckt“ zu werden. Auch das Coming-Out selbst oder eine Geschlechtsangleichung können vergessen werden, abhängig davon, wie lange die Ereignisse zurückliegen. Das kann in der Folge zu einem unfreiwilligen Coming-Out oder zur erneuten Sorge der Offenlegung führen. Zudem vergessen Erkrankte die Medikamenteneinnahme bspw. von Hormonpräparaten oder HIV-Medikation. Auch die sexuelle und geschlechtliche Identität einer Betreuungsperson kann seitens der Betreuten vergessen werden und wiederum zur Diskriminierung der Pflegenden führen. Gleichzeitig geht mit dem Thema Demenz die Herausforderung einher, zu unterscheiden, ob es sich bei den Erinnerungen einer Person um Symptome einer Demenzerkrankung oder um Re-Traumatisierungen handelt. Traumatische Erlebnisse können durch Erfahrungen im Gesundheitssystem, durch das Gefühl von Abhängigkeiten, Ausgeliefertsein, Kontrollverlust, Stress, z.B. durch den Verlust des vertrauten sozialen Umfelds, erneute Diskriminierungserfahrungen oder Pflegepraktiken ausgelöst werden, die in der Symptomatik einer beginnenden Demenz ähneln können. Hier ist es notwendig für beide Themen, sowohl Demenz als auch Traumaerfahrungen und -reaktionen zu sensibilisieren und das Personal entsprechend zu schulen.
Bedürfnisse von queeren Senior*innen werden in Gesundheits- und Pflegekontexten (sowohl stationär als auch ambulant) in vielen Fällen nur unzureichend berücksichtigt. Überdies herrscht trotz des Bedarfs einer differenzierten Pflege bzw. eines differenzierten Angebots ein großes Defizit an queersensiblen (Pflege-)Einrichtungen. Eine Verbesserung der Situation hat es durch die Schaffung des Qualitätssiegels „Lebensort Vielfalt“, eines bundesweiten Qualifizierungsprogramms für stationäre Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflege, Hospize, Krankenhäuser gegeben. Das Ziel des Programms ist die Schaffung struktureller, organisationspolitischer und personeller Voraussetzungen für LSBTIQ*-sensible und (post-)migrationssensible Situationen. Es handelt sich um ein kostenfreies Angebot. Mitarbeitende sollen im Rahmen des Prozesses im Umgang mit vielfältigen Lebenswelten gestärkt werden. Die Schwulenberatung bietet einen Diversity-Check an, bei dem mit konkreten Kriterien gearbeitet wird, um die Diversitätssensibilität von Einrichtungen einzuschätzen. Die Kriterien stellen gleichzeitig die Grundlage des Begutachtungsprozesses des Qualifizierungsprogramms dar, wobei z.B. Aspekte wie Unternehmenspolitik und Kommunikation, Personalmanagement, Transparenz und Sicherheit, Pflege/Versorgung/Begleitung und Lebenswelten/Aktivitäten betrachtet werden. Programme wie dieses müssen ausgeweitet werden, um diskriminierungssensible Versorgung sicherzustellen, auszuweiten und sichtbar zu machen. Dafür braucht es belastbare und sensibilisierte Gesamtkonzepte, Einrichtungen müssen für Themen von Diskriminierung und Diversität sensibilisiert werden und willkommenheißend sein. Öffentliche Gesundheitseinrichtungen müssen Konzepte zum Umgang mit Diskriminierung und Diversität entwickeln und ihre Diversitätsgrundsätze sichtbar und leicht zugänglich für Personal und Patient*innen sowie An- und Zugehörige machen. Öffentliche Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen müssen sich im Rahmen anerkannter Prozesse als diversitätssensibel zertifizieren lassen.
Die Datenlage zu queeren Menschen im Alter ist gering, wobei bei existierenden Studien und Befragungen von einer Dunkelziffer auszugehen ist, da Menschen ihre Zugehörigkeit zur queeren Community aus Angst vor Diskriminierung eventuell nicht angegeben haben. Im 9. Altersbericht der Bundesregierung von 2024 gibt es erstmalig einen Abschnitt zu LSBTIQ* im Alter. Dabei fällt ebenso auf, dass es keine Datengrundlage gibt. Dies trifft sowohl auf die Bundesebene als auch auf die Länder und Kommunen zu. Dieser Zustand muss verbessert werden, um zielgerichtete Maßnahmen etablieren und queere Senior*innen in der Versorgung besser unterstützen zu können.
Die Vorbeugung von Einsamkeit ist Teil der Gesundheitsvorsorge, auch oder gerade im Alter braucht es folglich Angebote, die gezielt den Bedarfen queerer Menschen gerecht werden, Freizeitangebote, Räume zum Austausch, aber auch Einrichtungen, Wohnprojekte, Gesundheitsversorgung und Pflege-WGs. Die Bedürfnisse queerer Senior*innen sollten zudem in bestehende Angebote eingebunden werden, ohne, dass dabei eine erneute Stigmatisierung erfolgt, wobei dennoch Vorurteile und Diskriminierungen sichtbar gemacht und abgebaut werden müssen.
Ungleichbehandlungen, denen Menschen in ihrem Leben ausgesetzt waren, bleiben auch im Alter weiter bestehen und beeinflussen den Zugang zu gesundheitlicher und pflegerischer Versorgung. Neben den institutionellen und strukturellen Barrieren kommen persönliche Ängste hinzu, u.a. vor erneuter Diskriminierung oder Ausgrenzung, die Menschen davon abhalten können, benötigte Unterstützung anzunehmen. Diese verstärken sich noch, wenn Menschen in eine Lebensphase kommen, in der sie potenziell auf Unterstützung angewiesen sind.
Wir fordern:
- Sensibilisierung zum Umgang mit HIV-positiven Senior*innen, welche eine respektvolle Versorgung sicherstellen soll
- Die Schaffung von Weiterbildungsangeboten zum Paragrafen 175, dessen Folgen und Nachwirkungen für medizinisches Fachpersonal, aber auch nicht-queere Senior*innen, um Diskriminierung und Vorurteile abzubauen
- Die Schaffung von geschützten Räumen und Vernetzungsangeboten für queere Senior*innen, in öffentlichen Einrichtungen und Einrichtungen der Gesundheitsversorgung und Pflege
- Die Förderung der bestehenden und den Ausbau weiterer queerer Wohnangebote
- Die Förderung des Qualitätssiegels „Lebensort Vielfalt“
- Schulung des medizinischen Fachpersonals im Umgang mit Demenz und Trauma bei diskriminierungsbetroffenen Senior*innen
- Die Schaffung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für An- Zugehörige, sowie die bessere Anerkennung von zugehörigen Personen aus dem sozialen Nahumfeld als Pflegende
- Die Verbesserung der Studienlage zu queeren Menschen im Alter und in der Pflege
- Öffentliche Gesundheitseinrichtungen müssen Konzepte zum Umgang mit Diskriminierung und Diversität entwickeln und ihre Diversitätsgrundsätze sichtbar und leicht zugänglich für Personal und Patient*innen sowie An- und Zugehörige machen. Öffentliche Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen müssen sich im Rahmen anerkannter Prozesse als diversitätssensibel zertifizieren lassen.
- Die Merkmalsdefinition „queer“ hinsichtlich der Wohnraumvergabe und die Schaffung definitorische Parameter, um queeres Wohnen langfristig abzusichern und die Schaffung weiterer queerer Wohnprojekte zu unterstützen.
Intersektionale Gesundheitsbetrachtung strukturell unterfüttern
Einzelne Diversitätsmerkmale kommen in medizinbezogenen Studiengängen, Aus- und Weiterbildungen durchaus vor, werden aber nach wie vor zu selten im Kontext ihrer vielfältigen Verflechtungen und der damit zusammenhängenden Auswirkungen betrachtet. Das unzureichende Wissen über Mehrfach-Diskriminierungserfahrungen und die Auswirkungen von Machtasymmetrien und ihre verwobenen Wirkungen führt nicht nur zu Unsicherheiten im Umgang mit von Diskriminierung betroffenen Personengruppen, sondern auch zu mangelhafter Versorgung, Infantilisierung und in der Konsequenz erneuter Diskriminierung, dem Gefühl von Machtlosigkeit und Ohnmacht bei Patient*innen und An- und Zugehörigen und dem Verlust von Vertrauen. Dabei handelt es sich um strukturelle Diskriminierung. Strukturelle Diskriminierungen, wie Rassismus, Ableismus und Queerfeindlichkeit im Gesundheitswesen und seinen Institutionen müssen als solche erkannt und sichtbar gemacht werden. Es braucht eine intersektionale Perspektive in der medizinischen Praxis, diskriminierungs- und diversitätssensible Versorgung und diskriminierungs- und diversitätssensitive Forschung. Der Mangel an Vermittlung dieser Themen und Zusammenhänge führt in der Konsequenz dazu, dass es zu wenig Behandler*innen mit intersektionaler Gesundheitskompetenz gibt. Es besteht nach wie vor ein Mangel an Fachpersonal, das mehrere Diskriminierungsmerkmale intersektional berücksichtigt, z.B. Aspekte queeren Lebens, Sprachbarrieren oder Neurodivergenz, wodurch Patient*innen häufig Teile ihres Lebens verschweigen.
Um strukturelle Diskriminierung sichtbar zu machen, braucht es klarere Strukturen und eine bessere Datengrundlage, z.B. durch konsequentere Datenerfassung und die Schaffung von Anlaufstellen für Menschen, die Diskriminierungserfahrungen in der Gesundheitsversorgung und in der Pflege erleben. Darüber hinaus benötigt es Reflexionsräume für das Personal.
Forschungsdesiderate bestehen sowohl im qualitativen als auch quantitativen Bereich sowie in der Mixed-Methods-Forschung, insbesondere in der Forschung zur Pflegesituation, zu Bedürfnissen und zur Evaluation von konkreten Maßnahmen sowie in Bezug auf unterschiedliche Lebenswelten von queeren Menschen im Zusammenhang mit bedürfnisorientierter gesundheitlicher Versorgung. Es existieren bislang kaum Studien mit einer intersektionalen Perspektive, die mehrere Differenzmerkmale einbeziehen, wie etwa die sozioökonomische Situation, die sexuelle und geschlechtliche Identität, Ableismus, Antisemitismus und Rassismus. Dabei sind diese für die Entwicklung bedürfnisorientierter gesundheitlicher Versorgungsangebote und einer intersektionalen Weiterentwicklung des Gesundheitssystems hinsichtlich einer milieu-, diskriminierungs- und diversitätssensiblen Gesundheitsversorgung unerlässlich. Diversität muss als Querschnittsthema in gesundheits- und pflegewissenschaftliche Forschungs- und Modellprojekte einbezogen werden.
Wir fordern:
- Die flächendeckende Schaffung von zentralen und dezentralen Anlaufstellen für Menschen, die Diskriminierungserfahrungen in der Gesundheitsversorgung und in der Pflege erleben, u.a. Antidiskriminierungsstellen und Beschwerdestellen in allen öffentlichen medizinischen Einrichtungen.
- Die Einrichtung von Reflexionsräumen zu Themen von Diskriminierung und Diversität für medizinisches Personal
- Die konsequente und strukturierte Datenerfassung zu Themen von Diskriminierung und Diversität im Gesundheitssektor
- Die Etablierung von Diversität als Querschnittsthema und einer intersektionalen Perspektive in gesundheits- und pflegewissenschaftlichen Forschungs- und Modellprojekten
2: TINA*Gesundheit
Trans*-, inter*, nicht-binäre und agender* Personen sind die queeren Menschen, die in der Gesellschaft und auch im Gesundheitssektor die meiste Diskriminierung erfahren. Gleichzeitig sind sie die Gruppe, die am häufigsten im Diskurs unsichtbar bleiben und deren Bedürfnisse oft übersehen werden. Die mit am häufigsten auftretende Diskriminierung trat nach einer Umfrage von der Antidiskriminierungsstelle StandUp der Schwulenberatung Berlin im Zusammenhang von sexueller und geschlechtlicher Identität auf. So gaben 30% der Teilnehmenden an, auch sexistisch bzw. aufgrund einer nicht-binären Identität (33%) Diskriminierung erlebt zu haben. Bei inter*Personen kommt hinzu, dass eine bedeutende Anzahl von ihnen insbesondere menschenrechtsverletzende Eingriffe an ihren intergeschlechtlichen Körpern im Kindesalter (ohne Einwilligung oder Zustimmung) erlebt haben und der dadurch erfahrene Vertrauensbruch in alle Lebensphasen fortdauert.
Die Sensibilität für TINA*Personen im Gesundheitssystem beginnt schon bei der Terminvergabe, der Einrichtung von Praxen und Wartezimmern oder der Gestaltung von Anmeldungen und Anamnesebögen. Häufig kann bei der Terminvergabe und in Anamnesebögen nur zwischen zwei Geschlechtern gewählt werden. Obwohl der Beschluss zur sog. „Dritten Option“ schon viele Jahre zurückliegt, wurden die Strukturen vielerorts immer noch nicht angepasst und häufig ist nicht einmal die Auswahl „divers“ möglich, geschweige denn die Möglichkeit gegeben, eine individuelle Angabe zu machen. Besonders im Bereich der Gynäkologie kommt es zudem zu erheblichen Problemen, bspw. in der Terminvergabe, wo männlich gelesene Personen (männlich präsentierend, stimmlich, namentlich etc.) oft bereits an der Anmeldung und Terminvereinbarung scheitern, weil dort keine Sensibilität für TINA*Personen und ihre medizinischen Bedarfe herrscht, wodurch ihnen in der Folge Termine verweigert werden aus der fälschlichen Annahme heraus, sie bräuchten keine gynäkologische Versorgung bzw. hätten in „Frauenräumen“ nichts zu suchen. Auch Wartezimmer sollten in der Ausgestaltung geschlechtsneutral sein, stattdessen sind sie jedoch häufig mit Abbildungen cis-weiblicher (z.B. Gynäkologie) oder cis-männlicher (z.B. Prostata-Zentren) Personen dekoriert.
Viele TINA*Personen werden oft mit Fragen konfrontiert, die nichts mit dem Gesundheitsbild zu tun haben und unnötig weitreichend und übergriffig sind, außerdem erleben sie regelmäßig Misgendering, also die falsche Verwendung von Pronomen bzw. die Ansprache mit einem nicht zutreffenden Geschlecht. TINA*Personen sind darüber hinaus besonders oft, auch im Vergleich zu anderen queeren Menschen, von Pathologisierung betroffen, sowohl in Verbindung mit ihrer Identität als TINA* als auch im Zusammenhang mit medizinischen Anliegen, welche nichts mit ihrer Identität zu tun haben, aber anlasslos auf diese als Ursache zurückgeführt werden. Dadurch werden TINA*Personen in gesundheitlichen Bedarfen vermehrt nicht ernstgenommen.
Im Bereich der TINA*Gesundheitsversorgung bestehen erhebliche Wissens- und Versorgungslücken. Nicht-binäre Menschen, die geschlechtsangleichende Anpassungen in Anspruch nehmen möchten, können dies ausschließlich eigenfinanziert tun, da die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen, wenn sich nicht umgehend einem spezifischen Geschlecht zugeordnet wird. Eine Gesundheitsversorgung, die ausschließlich bzw. fast ausschließlich auf cisgeschlechtliche, weiße und heterosexuelle Körper ausgerichtet ist, vernachlässigt eine adäquate Gesundheitsversorgung für alle! Die medizinische Versorgung von TINA*Personen erfordert jedoch auch eine Auseinandersetzung mit von dieser „Norm“ abweichenden Körpern, um diesen die gesundheitliche und pflegerische Versorgung zukommen zu lassen, die sie brauchen. Gerade für die Frage guter Pflege ist es jedoch essenziell zu lernen und zu verstehen, wie diese Körper gepflegt werden können und müssen. Es braucht zudem Ärzt*innen, z.B. Gynäkolog*innen, die sich mit geschlechtsangleichenden Operationen und Körpern, die solche durchlaufen haben, auskennen, bspw. hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung von Personen mit Neo-Vagina. Auch Themen im Kontext von Hormontherapien und den Auswirkungen auf Körper sollten medizinischem Fachpersonal vertraut sein, bspw. Brustwachstum durch Hormone, Tumorvorsorge und weitere. Operationen und Hormonbehandlungen müssen zudem durch Ärzt*innen adäquat und sensibel begleitet werden können. Biologisch weibliche Personen, die Östrogenblocker einnehmen brauchen z.B. besondere medizinische Versorgung, da der Östrogenmangel zu Trockenheit und Vaginose führen kann. Auch andere medizinische Probleme können auftreten, auf die Ärzt*innen professionell und informiert reagieren können müssen. Auch bei der Mamographie stoßen TINA*Personen auf Hürden, weil für diese Untersuchung/ Vorsorge nur Menschen angeschrieben werden, die als „weiblich“ registriert sind. Nicht alle Menschen, die einen gesundheitlichen Bedarf an dieser Untersuchung haben identifizieren sich jedoch als „weiblich“ und nicht alle Menschen, die Brüste haben, sind auch als „weiblich“ registriert. Umgekehrt identifizieren sich nicht alle Personen, die als „weiblich“ registriert sind als solches oder haben Brüste und daher keinen Bedarf an einer entsprechenden Untersuchung. Dieses Vorgehen bringt gleich mehrere Zugangsbeschränkungen und Diskriminierungen mit sich. Einerseits handelt es sich um Misgendering, da alle angeschriebenen Personen als „Frauen“ angeschrieben werden, andererseits werden nicht alle Personen erreicht, die dieses Angebot brauchen würden, dadurch findet keine ausreichende Gesundheitsversorgung statt. Ähnlich sehen die Praxis und Kontaktaufnahme z.B. bei der Durchführung von Pap-Abstrichen aus, welche alle Menschen mit Cervix machen lassen sollten. Hier braucht es zwingend Lösungen, um alle Menschen zu erreichen, die einen Bedarf an einer entsprechenden Gesundheitsversorgung haben, auch solche, die selbstmedikamentiert sind, damit diese nicht durchs Raster fallen und entsprechende Erkrankungen durch Vorsorge frühzeitig entdeckt werden können. Die Gesundheitsversorgung von TINA*Personen sowie die Inanspruchnahme notwendiger Vorsorgeuntersuchungen und der Zugang zu solchen müssen Teil von Aufklärungskampagnen sein. Es müssen Lösungen für die Kontaktaufnahme und das Erreichen dieser Personengruppe erarbeitet werden. Zudem braucht es Handlungsempfehlungen und eine bessere Daten- und Studienlage zum Umgang mit TINA*Personen in der Gesundheitsversorgung.
Wir fordern:
- Die Einbindung der Gesundheitsbedarfe von TINA*Personen in Aufklärungskampagnen
- Die Einbindung der Gesundheitsbedarfe von TINA*Personen in Behandlungsempfehlungen
- Die Verbesserung der Studien- und Datenlage zu TINA*Gesundheit
- Die Anpassung von Anamnesebögen sowie Terminvergabesystemen und eine Überwindung der geschlechtlichen Binarität in der Ansprache durch Gesundheitseinrichtungen
- Die geschlechtsneutrale Gestaltung von Warteräumen öffentlicher Gesundheitsinstitutionen
- Die Auseinandersetzung mit diversen Körperbildern in Studium, Aus- und Weiterbildung
- Der Herausgabe von Empfehlungen zu TINA*sensibler Gesundheitsversorgung z.B. für den medizinischen Privatsektor
- Den Aufbau von queeren Gesundheitszentren in Berlin zur besseren Information und vernetzten Gesundheitsversorgung von queeren Menschen sowie Förderung bestehender Initiativen, wie „Casa Kuà“
3: Notwendige Veränderungen in Bezirken, Land und Bund
Die aufgelisteten Punkte sind ohne eine grundsätzliche Strukturreform auf Bezirks-, Landes- und insbesondere Bundesebene nicht realisierbar. Die wichtige intersektionale Sensibiliserung in den Berufszweigen für die Bedürfnisse queerer Menschen muss begleitet werden von einer stärkeren materiellen Ressourcenausstattung (z.B. mehr Einrichtungen, mehr sensibilisiertes Personal). Die Unterschiede zwischen Stadt und Land, Ost und West sowie zwischen Stadtstaaten und großen Flächenbundesländern müssen hinsichtlich der Verfügbarkeit von Ärzt*innen und Ausbildungsplätzen bedarfsgerecht angepasst und Defizite ausgeglichen werden. Die derzeitige rechtliche Situation, insbesondere auf Bundes- und Landesebene, verhindert aber genau das.
Wir fordern deswegen die Schlüsselverteilung auf Bundesebene zur Niederlassung von Ärzt*innen zu ändern, sodass für Berlin nicht der Versorgungsgrad eines Gesamtbundeslandes (gerechnet auf 100 %) als Berechnungsgrundlage genommen wird, sondern die Berechnungsgrundlage auf die lebensweltlich orientierten Planungsräume (LOR) umgestellt wird. Damit soll der ungleichen Verteilung von Ärzt*innen und dem materiellen Mangel an Ausbildungsplätzen im gesundheitlichen Bereich in den Berliner Bezirken und somit der strukturellen Unterversorgung bestimmter LORs, insbesondere in den Außenbezirken von Berlin, entgegengewirkt werden.
Auf Bundesebene muss zudem die gesetzliche Lücke bei nicht-binären Personen, die geschlechtsangleichende Anpassungen vornehmen wollen, geschlossen werden. Derzeit übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen hierfür keine Kosten, wenn sich eine Person nicht sofort einem Geschlecht zuordnen will. Entsprechend ist eine gesetzliche Anpassung hier also zwingend notwendig, damit nicht-binäre Menschen unabhängig von ihrer monetären Situation Zugang zu für sie elementaren Behandlungen haben.
Pflegepolitisch müssen Diversitätsaspekte stärker in der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung berücksichtigt werden, etwa in Modellvorhaben nach Paragraf 8 Absatz 3 Sozialgesetzbuch XI, was bislang nur wenig erfolgt.
Auf Landesebene muss an verschiedenen Stellschrauben, insbesondere bei den zuständigen Senatsverwaltungen, gedreht werden, um die materielle, infrastrukturelle wie auch bildungstechnische Ausstattung weiter zu verbessern:
Die Pflegekammer muss endlich kommen. Berlin hat einen Errichtungsbeschluss, dieser wird aber seit 10 Jahren vertagt.
Wir fordern die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege auf die bereits zur Verfügung stehenden gesundheitlichen Einzelmaßnahmen und Konzepte zur Gesundheit von und für queere Menschen besser zu bündeln und diese über ein Informationsportal niederschwellig interessierten Menschen zur Verfügung zu stellen. Zudem sollen auf diesem Informationsportal medizinische und pflegende Einrichtungen sowie Ärzt*innen aufgelistet werden, die queersensibel sind. Zum Zweck der Zusammenstellung und Aktualisierung einer entsprechenden Sammlung könnten Kooperationen mit existenten Initiativen in Erwägung gezogen werden (z.B. QueerMed, QueerPflege). Das Informationsportal sollte zudem um eine Übersicht zu weiteren Beratungs- und Anlaufstellen und Portalen erweitert werden, welche im Bereich diskriminierungs- und diversitätssensibler Gesundheitsversorgung angesiedelt sind bzw. Expertise aufweisen. Die Übersichtsseite sollte ähnlich zur Seite der Senatsverwaltung Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung zu den queeren Beratungsangeboten oder in Anlehnung an die Website „queere-jugend-berlin“ gestaltet werden.
Ferner soll die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege sich stärker an bereits bestehenden Maßnahmen orientieren. So enthält der Maßnahmenkatalog der Leitlinien der Senior*innenpolitik von 2021 einen Abschnitt zu LSBTIQ+. In diesem geht es u.a. um die Qualifizierung ambulanter und stationärer Pflege und Altenhilfe zum Thema LSBTIQ+ und das bedarfsgerechte Arbeiten. Die Ergebnisse der Prüfung der Möglichkeiten sollten laut Maßnahmenkatalog bis Ende 2024 vorliegen und könnten entsprechend niederschwellig in die eigene landesweite Strategie eingebunden werden.
Zudem muss ein umfassendes Qualifizierungsprogramm zu Diversitätssensibilität in der Pflege durchgeführt werden. Ursache ist die Erkenntnis, dass Einrichtungen der Altenhilfe und Pflege nach wie vor nicht ausreichend auf die spezifischen Bedarfe von LSBTIQ+ ausgerichtet sind. Die Qualifizierung soll Zugänglichkeit und Selbstbestimmung für ältere queere Menschen fördern. Hierzu kann bspw. das Angebot der Schwulenberatung genutzt werden.
Von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen soll zudem eine landesweite Strategie entwickelt werden, um insbesondere für queere Menschen im Alter Wohnmöglichkeiten in landeseigenen Einheiten zu schaffen, in welchen sie diskriminierungsfrei leben und gesundheitlich versorgt werden können. Rechtliche Lücken (z.B. Diskriminierungsverbot bei Platzvergaben) müssen dabei von Seiten der Senatsverwaltung explizit angegangen und im Austausch mit den in diesem Feld bereits etablierten Akteur*innen (z.B. Lebensort Vielfalt) geschlossen werden.
All diese Maßnahmen (Infoportale, Qualifizierungs- und Wohnprogramme etc.) sollen von den Senatsverwaltungen übergreifend mit einer Werbekampagne speziell für die queere Community begleitet werden, im Zuge derer in Zusammenarbeit mit den Bezirken auch explizit Angebote zu Alter und Pflege für queere Menschen in Freizeit und Selbsthilfe geschaffen werden.
Wir fordern darüber hinaus den Erhalt und eine flächendeckendere Versorgung mit queersensiblen Apotheken im Berliner Gesamtraum. Diese sind nicht nur infrastrukturell in den Bezirken wichtig, wo Ballungsräume der queeren Community zu verorten sind und so bestimmte Ressourcen (z.B. spezifische Medikamente, STI-Tests) mehr nachgefragt werden, sondern es ist eine gesamtstädtische und wohnortnahe Versorgung notwendig, da queere Menschen oft einen höheren Beratungsbedarf zu Medikationen und z.B. Wechselwirkungen, Hormonbehandlung, insbesondere für TINA*Personen haben. Deswegen sollen auch in diesem Gesundheitsbereich die Vermittlung queersensibler Inhalte verpflichtend in Ausbildung und Studium verankert werden. In der Übergangszeit, wo noch keine flächendeckende Versorgung erreicht werden kann, soll ein Register erstellt werden, in welchem entsprechend queersensible Apotheken und Anlaufstellen aufgelistet sind.
Wir fordern den Erhalt und die Weiterfinanzierung queerer Gesundheitsinitiativen und -programme, sowie Beratungs- und Informationsstellen, bspw. der Schwulenberatung oder des Chechpoints BLN. Es darf keine Kürzungen im unterversorgten Bereich der queeren Gesundheit geben!
Auf Bezirksebene ist der Austausch mit der queeren Community vor Ort für eine Verbesserung der Gesundheitssituation essenziell, darf aber nicht einseitig sein. Leider geht die Kontaktaufnahme bisher häufig nur von der queeren Community selbst aus. Wir fordern deswegen die queerbeauftragten Personen sowie die entsprechend verantwortlichen Referate und Stadträt*innen in den Berliner Bezirksämtern auf, aktiver auf die Community zuzugehen und in einen lebendigen Austausch über Bedarfe zu treten. Die zuständigen Personen in den Bezirksämtern sollen ergänzend den Austausch mit Einrichtungen und Orten suchen, welche Raum für queersensible Angebote (z.B. (Jugend-)Freizeitstätten, Senior*innentreffen, AWO-Begegnungsstätten) bieten, diese aufsuchen und in Erfahrung bringen, was vor Ort benötigt wird, um bestehende Angebote zu unterstützen oder mangelnde Angebote aufzubauen. Wir fordern, dass dieser Prozess durch die Bezirke mit einer dezidierten Bewerbungskampagne über die jeweiligen existierenden Angebote begleitet wird. So können Strukturen, etwa in den Freizeitstätten, nicht nur verändert und sicherer gemacht werden, sondern dies stärkt gleichzeitig die queere Community, diese Räume auch explizit aufzusuchen und Angebote anzunehmen.
Zudem muss bei den bezirklich betriebenen Programmen (Besuchsdienste, amtliche medizinische Untersuchungen, medizinische Untersuchungen zur Einschulung, aufsuchende Sozialarbeit usw.) auf Queersensibilität geachtet werden. Notwendige Weiterbildungsprogramme sind bei Bedarf durchzuführen.
Wir fordern:
- Die Änderung der Schlüsselverteilung auf Bundesebene zur Niederlassung von Ärzt*innen, sodass für Berlin nicht der Versorgungsgrad eines Gesamtbundeslandes (gerechnet auf 100 %) als Berechnungsgrundlage genommen wird, sondern die Berechnungsgrundlage auf die lebensweltlich orientierten Planungsräume (LOR) umgestellt wird und die Ausweitung der Kassensitze
- Die Übernahme aller geschlechtsangleichenden Anpassungen durch die gesetzlichen Krankenkassen unabhängig vom Geschlecht
- Die Berücksichtigung von Diversitätsaspekten in der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung
- Die Einführung einer Pflegekammer und einen entsprechenden Errichtungsbeschluss
- Die Bündelung von bereits existenten Gesundheitsmaßnahmen im Bereich queerer Gesundheitsversorgung, sowie die Bündelung und niedrigschwellige Zurverfügungstellung von Informationen zu existenten Maßnahmen und Konzepten.
- Einrichtung eines Informationsportals zu Anlaufstellen und queersensiblen Ärzt*innen auf den Seiten der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege, soweit eine Veröffentlichung unter Einhaltung des Informationsschutzes ausschließlich erfolgt, wenn dies von den betreffenden Anlaufstellen und Ärzt*innen gewünscht ist und ausschließlich auf freiwilliger Basis erfolgt.
- Die Umsetzung der Abschnitte zu queerer Versorgung bestehender Konzepte und Maßnahmen, bspw. des Maßnahmenkatalogs zu den Leitlinien der Berliner Senior*innenpolitik, des Berliner LSBTIQ+Aktionsplans und der Landesstrategie Queere Sicherheit
- Die Durchführung eines umfassenden Qualifizierungsprogramms zu Diversitätssensibilität in der Pflege
- Die Entwicklung und Umsetzung einer landesweiten Strategie durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen zur Schaffung queeren Wohnraums, insbesondere für queere Menschen im Alter, in landeseigenen Einheiten und die Beseitigung etwaiger rechtlicher Hindernisse bzw. Regelungslücken in Zusammenarbeit mit den Queerverbänden
- Die Schaffung von Angeboten der Queeren Selbsthilfe in den Bezirken, insbesondere für ältere queere Menschen
- Den Erhalt und eine flächendeckendere Versorgung mit queersensiblen Apotheken im Berliner Gesamtraum
- Die Erstellung eines Registers mit Standorten queersensibler Apotheken und Anlaufstellen, soweit eine Veröffentlichung unter Einhaltung des Informationsschutzes ausschließlich erfolgt, wenn dies von den betreffenden Anlaufstellen und Apotheken gewünscht ist und ausschließlich auf freiwilliger Basis erfolgt.
- Den Austausch der zuständigen Bezirksämter und bezirklichen Queerbeauftragten mit der queeren Community vor Ort zu gesundheitlichen Bedarfen, sowie die Kontaktaufnahme mit bezirklichen Einrichtungen zur Angebotsstruktur.
- Bezirkliche Informationskampagnen zu vorhandenen Angeboten im bezirklichen Wohnumfeld
- Die queersensible Durchführung bezirklicher Programme und Angebote, bspw. Besuchsdienste und amtlicher medizinischer Untersuchungen, und die Durchführung von diversitäts- und diskriminierungssensiblen Weiterbildungen, falls erforderlich
- Keine Kürzungen bei queerer Gesundheit! Queere Gesundheitsinitiativen und -programme, sowie Beratungs- und Informationsstellen müssen erhalten, weiterfinanziert und perspektivisch ausgebaut werden
4: Ausbildung und Standardisierung
Um das Gesundheitssystem nachhaltig zu ändern und langfristig Diskriminierung abzubauen, reicht es nicht, Maßnahmen für den Umgang mit queeren Menschen in Einrichtungen zu verankern. Das Berufsethos sollte inklusiv sein, viele queere Menschen erfahren dennoch Diskriminierung im Gesundheitssystem, Gesundheit sollte jedoch über alle Bereiche hinweg flächendeckend und geschlechtsübergreifend gedacht werden. Es muss ein konsequentes Um- und Neudenken hinsichtlich queerer Gesundheitsversorgung geben. Dies beginnt schon bei Ausbildung und Studium.
Medizinische und therapeutische Lehrbücher bilden leider häufig weiße, cis-heteronormative, normschlanke, nicht behinderte Körper ab. Dieses Bild hat die Lehre über Jahrzehnte dominiert und unser Gesundheitssystem sowie den Umgang mit Patient*innen auf lange Zeit geprägt. Das führt zu Missständen und Unterschieden in der Versorgung. Hier sind Weiterbildungsprogramme notwendig, um die fehlenden Aspekte von Ausbildung und Studium auszugleichen und bereits praktizierende Personen zu sensibilisieren. Daher ist es notwendig verpflichtende Fortbildungen für bereits im Gesundheitssektor tätige Personen durchzuführen, wobei in regelmäßigen Abständen eine pflichtgemäße Auffrischung des Kenntnisstandes im Rahmen einer Weiterbildung bspw. alle 5 Jahre erfolgen soll oder auf freiwillige Nachfrage auch zwischen den vorgeschriebenen Zeiträumen. Dabei müssen etwaige Fortbildungskosten vollumfänglich durch die Arbeitgebenden, nicht durch die Beschäftigten, getragen werden. Bei Bedarf sollen die Arbeitgebenden die Möglichkeit bekommen, beim Land Beihilfen für die Gegenfinanzierung der Fortbildungen zu beantragen. Auch das nicht-medizinische Personal muss im diversitätssensiblen Umgang mit Patient*innen geschult werden und Zugang zu Fortbildungsangeboten erhalten, mindestens in den Bereichen, die viel Patient*innenkontakt haben. Um einen Anreiz zu schaffen, damit z.B. private Praxen und Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen offen für Fortbildungen zu queerer bzw. diversitäts- und diskriminierungssensibler Gesundheitsversorgung sind, wäre es möglich, dass diese bei erfolgreich absolvierter Fortbildung bspw. nach Schlüssel für ihre Leistungen mehr abrechnen dürfen, um so das Engagement für eine bedarfsgerechte Versorgung für alle Menschen zu belohnen.
Menschen, die im Gesundheitssektor arbeiten, sollten bereits vor Berufsantritt ein Verständnis für eine integrative und diverse Gesundheitsversorgung entwickeln. Dazu ist es notwendig, Themen von Diversität und Diskriminierung intersektional in medizinischen, therapeutischen und pharmazeutischen Ausbildungs- und Studiengängen zu implementieren. Dazu gehört auch die Sensibilisierung und der Abbau von Vorurteilen im Umgang mit queeren Menschen, nicht-cis-heteronormativen Körpern und Krankheitsbildern bspw. HIV. Um eine höhere Sensibilität zu fördern, ist es notwendig, die adäquate Behandlung queerer Menschen systematisch in die Lehre einzubinden und curricular festzuschreiben. Zudem sollten entsprechende Inhalte in die Logbücher der Fachärzt*innen aufgenommen werden, dafür muss die Liste um ein Log erweitert werden, damit Menschen in der Fachärzt*innenausbildung bspw. in der Gynäkologie queergynäkologische Behandlungen durchgeführt haben müssen.
Um Hürden abzubauen und das Vertrauen queerer Menschen in das Gesundheitssystem zu stärken, ist es zudem notwendig, alltägliche Diskriminierungen abzubauen. Scheinbare Kleinigkeiten können hierbei bereits einen merkbaren Unterschied machen und das Vertrauen queerer Menschen stärken. Hierzu gehört es u.a., Formulare und Anamnesebögen anzupassen, die eigene Website diversitätssensibel zu gestalten, indem z.B. auf die Verwendung bestimmter Bilder geachtet bzw. verzichtet wird, oder die eigene Praxis barrierearm einzurichten, um bereits die Ansprache offen zu gestalten und queeren Menschen ein Gefühl der Sicherheit in Gesundheitseinrichtungen zu geben. Ein respektvoller Umgang fördert das Vertrauen zwischen Patient*innen, Ärzt*innen und Therapeut*innen. Patient*innen fühlen sich ernst genommen, sind eher bereit, Bedenken und Informationen offen mitzuteilen und sich anzuvertrauen, was enorm wichtig für eine präzise Diagnosestellung und Behandlung ist. Hierbei kann auch das verpflichtende Tragen eines Namensschilds inklusive der Pronomen der Person helfen. Das erleichtert sowohl Patient*innen als auch queeren Mitarbeiter*innen die Ansprache. Ein diskriminierungssensibler Umgang in der medizinischen Praxis ermöglicht eine angemessene und bedarfsgerechte Versorgung für alle und kann dazu beitragen, Barrieren abzubauen und den Zugang zu Gesundheitsleistungen zu verbessern.
Um strukturelle Diskriminierung abzubauen und flächendeckend diskriminierungs- und diversitätssensible Strukturen zu schaffen, ist es notwendig, einheitliche Standards für öffentliche Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser einzuführen. Dies kann zum Beispiel im Rahmen eines landeseigenen oder existierenden Zertifizierungsprogramms für Diversitätssensibilität erfolgen. Zudem müssen Leitfäden im Umgang mit queeren Menschen erstellt werden. Mögliche Maßnahmen könnten die Festschreibung von Diversitätssensibilität im Rahmen von Qualitätshandbüchern, die Einrichtung einer Stelle als Diversitätsbeauftragte bzw. -manager*in, die Erstellung eines Leitbilds zum Thema Diversitätssensibilität, die Einrichtung eines Beschwerdemanagements, die Schaffung von Vertrauenspersonen, die Umsetzung gendersensibler Sprache (auch um Misgendering auszuschließen), die Umsetzung diversitätssensibler Aufnahme- und Anamnesebögen, die Einführung eines Verhaltenskodex oder diversitätsbezogene Weiterbildungskonzepte sein. Die Kriterien des Diversity Checks der Schwulenberatung könnten bei der Festlegung einheitlicher Standards könnte bspw. mit der Schwulenberatung kooperiert werden, welche im Rahmen des Programms „Lebensort Vielfalt“ bereits Kriterien für einen Diversity Check erarbeitet haben. Die Erarbeitung der Standards muss in Zusammenarbeit mit Expert*innen, queeren Organisationen, Vereinen, Verbänden und Initiativen und der queeren Community entwickelt werden.
Es müssen klare und niedrigschwellig zugängliche und erreichbare Beschwerdewege und Anlaufstellen im Falle von Diskriminierungen geschaffen werden. Zudem braucht es Vorgaben, welche Maßnahmen bei vorgefallenen Diskriminierungen ergriffen werden und welche möglichen Sanktionen eintreten.
Die Einrichtung bzw. der Ausbau von queeren Netzwerken, z.B. Queer Staff Networks, an Gesundheitseinrichtungen soll unterstützt und den Beteiligten der Zugang zu Weiterbildungsprogrammen ermöglicht werden.
Wir fordern:
- Die Aufnahme von Themen queerer Gesundheitsversorgung und Sensibilisierung hinsichtlich queergesundheitlicher Bedarfe in die Lehrpläne bzw. Studien- und Prüfungsordnungen gesundheitsbezogener Ausbildungs- und Studiengänge.
- Die Behandlung spezifischer Themen queeren Lebens in der Facharztausbildung
- Die verpflichtende Fortbildung bereits im Gesundheitssektor tätigen medizinischen und nicht-medizinischen Personals zu diversitätssensibler Gesundheitsversorgung, wobei in regelmäßigen Abständen eine pflichtgemäße Auffrischung des Kenntnisstandes im Rahmen einer Weiterbildung bspw. alle 5 Jahre erfolgen soll oder auf freiwillige Nachfrage auch zwischen den vorgeschriebenen Zeiträumen. Dabei müssen etwaige Fortbildungskosten vollumfänglich durch die Arbeitgebenden, nicht durch die Beschäftigten, getragen werden. Fortbildungen zu queersensibler Gesundheitsversorgung sollen nicht allein aus Kosten- und Zeitgründen abgelehnt werden können. Bei Bedarf sollen die Arbeitgebenden die Möglichkeit bekommen, beim Land Beihilfen für die Gegenfinanzierung der Fortbildungen zu beantragen.
- Die Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen für medizinisches Fachpersonal, um die Bedarfslücken auszugleichen
- Die Erstellung von Aufklärungs- und Informationsmaterial zu queerer Gesundheit für medizinisches Fachpersonal
- Die curriculare Festschreibung queermedizinischer Lehrinhalte in medizinischen, therapeutischen und pharmazeutischen Ausbildungs- und Studiengängen
- Die Erweiterung der Logbücher der Fachärzt*innenausbildung um ein Log zu queermedizinischer Behandlung
- Die Entwicklung, Bewerbung und Empfehlung von diversitätssensiblen Anamnesebögen und Leitfäden zum diversitätssensiblen Umgang mit Patient*innen – zur Orientierung können hierbei bspw. die Empfehlungen von Queermed Deutschland genutzt werden.
- Die Erarbeitung und Umsetzung diversitäts- und diskriminierungssensibler Standards für öffentliche Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser in Zusammenarbeit mit Vereinen und Verbänden der queeren Community
- Die Schaffung von weisungsungebundenen Queer- und Diversitätsbeauftragten an öffentlichen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, z.B. allen landeseigenen Krankenhauseinrichtungen. Die Stelle könnte angelehnt an die der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten geschaffen werden.
- Die Erarbeitung von Leitfäden zum Umgang mit queeren Menschen im Gesundheitswesen
- Die Etablierung von klaren und niedrigschwelligen Beschwerdewegen
- Die Unterstützung queerer Netzwerke
5: Verbesserungen im Versorgungssystem
Die Sicherung queerer Gesundheitsversorgung betrifft weitreichende Bereiche unseres alltäglichen Lebens. Um queere Menschen langfristig gesundheitlich zu unterstützen, ist es nicht nur notwendig, Einrichtungen zu sensibilisieren, berufliche Standards zu etablieren und Gesetze zu ändern, es erfordert auch den Erhalt bereits geschaffener und genutzter Strukturen, den Zugang zu Medikamenten und die Berücksichtigung sozioökonomischer Faktoren.
Wir fordern:
- Die Versorgung mit PREP-Medikamenten, Medikamenten der HIV-Behandlung und weiterer muss auch weiterhin, trotz Lieferengpässen, sichergestellt sein. Die Versorgung von Ärzt*innen und Patient*innen mit PREP-Medikamenten ist gewährleisten. PREP-Medikamente müssen für alle Patient*innen zugänglich und kostenlos sein.
- Die Durchführung von STI-Tests muss nicht nur durch Fachärzt*innen und designierte Teststellen, sondern z.B. auch Hausärzt*innen möglich sein, um eine breite Zugänglichkeit zu gewährleisten und dem zahlenmäßigen Bedarf gerecht zu werden. Die Notwendigkeit für ein erweitertes Angebot wird schon allein durch die neue Gesetzesregelung geschaffen, die es vorsieht, dass vor dem Aufsuchen von Fachärzt*innen zunächst Hausärzt*innen aufgesucht werden müssen. Dies kann im Zweifel eine dringend notwendige Testung verzögern, obwohl schnelles Handeln von Nöten ist.
- Den Ausbau von STI-Teststellen und die Ausweitung des Angebots
- Die Versorgung mit ausreichend diversitätssensiblen Therapieplätzen ist sicherzustellen, dazu ist eine Ausweitung der Kapazitäten notwendig. Gerade für queere Menschen ist der rasche Zugang zu einem Therapieplatz essenziell, da sie vermehrt unter depressiven Episoden, Burn‑out, Angststörungen, chronischen Schlafproblemen und essgestörten Verhaltensweisen leiden sowie neurodivergent sind. Es braucht eine bessere Zugänglichkeit und höhere Verfügbarkeit von queersensiblen Therapieangeboten
- Die Schaffung mehr queerer Schutzräume in öffentlichen Einrichtungen
- Die Schaffung und Ausweitung des Angebots von gesundheitlichen Selbsthilfegruppen für queere Patient*innen und An- und Zugehörige (z.B. Queer und Demenz, Queer und Krebs usw.), sowie Vernetzungsgruppen und Beteiligungsformaten, um Informationen auszutauschen und sich zu vernetzen
- Die Schaffung zusätzlicher Beratungsmöglichkeiten zu queersensibler Pflege, Zugängen, Beschwerdewege usw.
- Queere Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben, sollten die Möglichkeit bekommen, auch weiterhin Kontakt zur Community zu haben. Hierzu sollen Konzepte entwickelt werden, bspw. Kooperationen mit Vereinen und Verbänden oder Besuchsdienste
- Das Mitdenken queerer Menschen bei Formaten, wie z.B. der „Woche der pflegenden Angehörigen“
- Die Schaffung niedrigschwelliger Angebote, z.B. in Nachbarschaftseinrichtungen, bspw. Freizeitgruppen zu queeren Themen, wie Outing bei älteren queeren Menschen, Unsicherheiten oder queeren Lebenswelten und -wegen. Durch die Schaffung vertrauensvoller Räume ist ein leichterer Übergang zu Beratungsgesprächen möglich, auch in medizinischen Fragen. Niedrigschwelligkeit und Teilhabe gehören zur Gesundheitsvorsorge dazu
- Informationen zu queerer Gesundheitsversorgung durch staatliche Institutionen und Versicherungsträger sind unzureichend, hier gibt es einen Informationsbedarf zu medizinischen Möglichkeiten, es braucht eine umfassendere Informationsbereitstellung
- Eine Aufklärungskampagne und die Erstellung entsprechenden Materials zu Übertragungswegen von HPV und anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen sowie Angebotsgespräche bspw. zu PREP-Medikation. Dabei darf die Kampagne nicht nur auf queere Menschen Bezug nehmen, sondern soll allgemein zu sexueller Gesundheit informieren, um unzutreffende Stigmatisierungen nicht zu erhärten. Die Kampagne soll die Anerkennung des Themas „Sexuelle Gesundheit“ erhöhen und die Notwendigkeit der Vorsorge kenntlich machen
- Die Beseitigung ökonomischer Hürden in der Gesundheitsversorgung. Der Zugang zu medizinischen Leistungen darf nicht vom Geldbeutel abhängen! Oft verweigern Krankenkassen die Finanzierung medizinischer Leistungen queerer Menschen, da diese nicht abgedeckt sind oder als notwendig erachtet werden und die Unterstützung der Krankenkassen ist mangelhaft. Die Abrechnung in der Gynäkologie ist bspw. nur auf cis-Frauen ausgelegt, TINA*Personen haben somit häufig keinen Anspruch auf gynäkologische Leistungen. Viele Patient*innen können die privaten Rechnungen jedoch nicht begleichen und nehmen in der Konsequenz wichtige Untersuchungen nicht wahr, weil sie sie sich nicht leisten können. Auch STI- Tests sind bspw. bei den Kassenleistungen von der Leistungsübernahme oft ausgeschlossen, was u.a. mit der Stigmatisierung des Themas und der Annahme zusammenhängt, Betroffene seien selbst an ihrer Ansteckung Schuld. In der Folge müssen queere Menschen medizinische Untersuchungen und Hilfsmittel häufig selbst zahlen, was eine erhebliche finanzielle Belastung darstellt. Das muss aufhören, queere Gesundheit und der Zugang zu Behandlungen dürfen nicht an Krankenkassen scheitern! Viele Untersuchungen sind zudem übermäßig teuer. In anderen Ländern können Menschen sich bspw. jederzeit kostenlos auf STIs testen lassen. In Deutschland kostet die Testung eine nicht unermessliche Summe, die Privatrechnungen für einen einzigen Test sind oft 300€ hoch und höher. Es gibt kaum Anlaufstellen und die Anlaufstellen, die es gibt sind häufig auf homosexuelle cis-Männer ausgerichtet und nicht auf cis-Frauen oder andere queere Personengruppen. Hier muss es ein Umdenken geben! Gesundheitliche Vorsorge muss kostenfrei und für alle Menschen zugänglich sein! Gesundheitsbehandlungen und Untersuchungen sexueller Gesundheit müssen Kassenleistung sein!
Wir fordern ein Um- und Neudenken queerer Gesundheitsversorgung, weil alle Menschen ein Recht auf ein gesundes Leben haben!
Alle Menschen sollten eine angemessene, respektvolle und menschenwürdige gesundheitliche Versorgung erhalten. Das ist auch unser Anspruch als Sozialdemokratie. Doch die Realität sieht vielerorts leider immer noch anders aus. Queere Menschen stehen im deutschen Gesundheitssystem vor einer verheerenden Lage. Gesundheit und Versorgungsstrukturen für queere Menschen sind in Deutschland ungleich verteilt. So zeigen die empirischen Befunde einer Studie der Universität Bielefeld (2021), dass queere Menschen in Deutschland – und insbesondere trans Personen – einer systematisch höheren gesundheitlichen Belastung ausgesetzt sind, die weit über individuelle Risikofaktoren hinausgeht. Diese Belastungen sind das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels aus struktureller Diskriminierung, mangelnder medizinischer Sensibilisierung und fehlenden sozialen Sicherheitsnetzen. So erhalten queere Menschen häufig unzureichende Versorgung, weil Fachpersonal oft nicht über die spezifischen körperlichen und psychischen Belastungen informiert ist, die durch dauerhaften Diskriminierungs‑ und Minderheitenstress entstehen oder nehmen aufgrund von andauernden Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitsbereich bestimmte Versorgungsangebote aus Angst vor erneuter Abwertung gar nicht erst wahr, was gesundheitliche Probleme verschleppt und verschärft. Dadurch ergeben sich unter anderem folgende Problemlagen:
Psychische Gesundheit
- 26 % der befragten queeren Personen geben an, an einer depressiven Episode oder Burn‑out zu leiden – ein Wert, der nahezu das Dreifache der Prävalenz bei cis‑heterosexuellen Befragten (10 %) darstellt.
- Bei trans Personen liegt die Prävalenz von Angststörungen bei 40 %, wohingegen cis‑heterosexuelle Befragte lediglich 9 % angeben. Diese Diskrepanz spiegelt die permanente Bedrohungslage wider, die queere Menschen im Alltag erfahren.
- Queere Menschen berichten doppelt so häufig von chronischen Schlafproblemen und essgestörten Verhaltensweisen, wobei trans Personen besonders stark betroffen sind.
Körperliche Erkrankungen
- Die Studie zeigt, dass diese Krankheitsbilder bei queeren Personen fast doppelt so häufig diagnostiziert werden wie in der Gesamtbevölkerung. Chronischer Stress, ausgelöst durch Diskriminierung und soziale Ausgrenzung, wirkt hier als pathophysiologischer Katalysator.
Soziale Isolation und fehlende herkunftsfamiliäre Unterstützung
- 31 % der trans Personen und 15 % der cis‑queeren Befragten fühlen sich dauerhaft einsam – im Vergleich zu lediglich 5 % bei cis‑heterosexuellen Personen.
- 37 % der trans Personen berichten von einer ausgeprägten gesellschaftlichen Ausgrenzung, was die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen zusätzlich erschwert.
- Während queere Menschen häufig auf Freund*innen und Wahl‑Familien als primäre Unterstützungsquelle zurückgreifen, fehlt ihnen häufig ein stabiles familiäres Rückgrat. Dies führt zu einer erhöhten Vulnerabilität gegenüber psychischen Belastungen und reduziert die Wahrscheinlichkeit, frühzeitig medizinische Hilfe zu suchen.
Arbeitsunfähigkeit und ökonomische Folgen
- Queere Beschäftigte waren 2019 doppelt so häufig länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, was nicht nur individuelle Existenzrisiken, sondern auch erhebliche Kosten für das Sozialsystem bedeutet.
Ist nicht schon die Ausgangssituation für queere Menschen, sowohl gesundheitlich wie auch arbeitstechnisch verheerend, so wird ihnen der Zugang zum Gesundheitssektor (z.B. zu medizinischen Behandlungen, Beratungen, Therapien) strukturell durch das derzeitige System selbst erschwert.
Systemische Barrieren im Gesundheitswesen
- Viele Ärzt*innen und Pflegekräfte verfügen nicht über ausreichende Kenntnisse zu geschlechtsspezifischen Besonderheiten und den psychosozialen Stressoren, denen queere Menschen ausgesetzt sind.
- Aufgrund wiederholter negativer Erfahrungen scheuen sich queere Personen häufig davor, ärztliche Angebote wahrzunehmen – selbst wenn sie dringend benötigt werden (z. B. Vorsorgeuntersuchungen).
Ohne gezielte Sensibilisierung, niedrigschwellige Angebote und die Einbindung von queeren Unterstützungsnetzwerken bleibt das Gesundheitssystem für diese Gruppe unzugänglich und queere Menschen gesundheitlich strukturell benachteiligt. Zwar sind die Gesetzesänderungen der letzten Jahre ein guter erster Schritt und haben dazu beigetragen, Diskriminierung abzubauen, aber gesundheitliche Benachteiligungen queerer Menschen werden zumeist immer noch als individuelles Problem und nicht als strukturelles Defizit des deutschen Gesundheitssystems aufgefasst. Deswegen erschreckt es umso mehr, dass, obwohl z.B. Berlin als Regenbogenhauptstadt gilt, vergleichsweise (z.B. zu Köln) wenig queere Gesundheitsversorgungsstrukturen vorzufinden ist und die Unterschiede regional gravierend sind. Es darf jedoch nicht vom Wohnort abhängen, ob ein Mensch Zugang zu adäquater medizinischer Versorgung erhält.
Als SPD können wir das nicht hinnehmen. Queere Gesundheit muss als relevant für die Lebens- und Arbeitspraxis und als gesamtgesellschaftliche Verantwortung wahrgenommen werden. Es geht um die Teilhabe aller und es kann nicht nur Aufgabe der Community sein, für sich selbst zu sorgen. Deswegen setzen wir uns in unserer politischen Arbeit auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene für dezidierte Verbesserungsmaßnahmen ein, die sich in folgende fünf Bereiche unterteilen lassen:
- Intersektionalität von queerer Gesundheit
- TINA*-Gesundheit (TINA* = Trans* Inter* Nichtbinär* Agender*)
- Verzahnung von Bezirken, Land und Bund
- Ausbildung und Standardisierung
- Verbesserungen im Versorgungssystem
Nur durch ein konsequentes, intersektionales und politisch verankertes Handeln kann die gesundheitliche Chancengleichheit für queere Menschen hergestellt, nachhaltig gesichert und die strukturellen Ursachen ihrer Benachteiligung wirksam bekämpft werden.
1: Intersektionalität queerer Gesundheit
Queere Menschen gibt es in allen Teilen der Gesellschaft, sie sind arm und reich, alt und jung, weiß und BIPoC, neurotypisch und neurodivergent, haben unterschiedliche Geschlechter und Religionen, sind wohnungslos und vieles mehr. Dadurch sind sie jedoch häufig auch von Mehrfachdiskriminierung betroffen. Bei der Frage der Verbesserung queerer Gesundheit stoßen wir somit zwangsläufig auf andere Bereiche und Defizite unserer Gesellschaft und des Gesundheitssystems. Immer wieder erfahren Personen aus der LGBTQIA*-Community, Menschen mit internationalem Hintergrund oder aufgrund ihres äußerlichen Aussehens Diskriminierung, Ausgrenzung und/oder unsensible Behandlung. Diskriminierungsfreie und respektvolle Behandlung muss jedoch für alle möglich sein. Die von uns aufgestellten Forderungen und Positionierungen sind altersübergreifend zu verstehen und beziehen sich auf die Lebenssituationen von queeren Menschen von Kindheit und Jugend an bis ins hohe Alter.
Die medizinischen Bedürfnisse von Menschen mit unterschiedlichen Diversitätsmerkmalen, ihre Zugänge und Möglichkeiten, und ihr Verhalten bei der Inanspruchnahme von Angeboten und Einrichtungen der Gesundheitsversorgung sind so unterschiedlich und vielfältig wie die Menschen selbst. Es handelt sich um eine heterogene Gruppe mit heterogenen Bedürfnissen. Diese sind dabei nicht mit Blick auf einzelne Diskriminierungsmerkmale erfassbar, sondern müssen in ihrem intersektionalen Zusammenhang gesehen werden. Verallgemeinerungen und Stereotypisierungen sind dabei unbedingt zu vermeiden, ohne jedoch Missstände und Betroffenheiten zu ignorieren.
Wir sind uns darüber im Klaren, dass die hier angeführten intersektionalen Verflechtungen nur einen kleinen Teil der möglichen Mehrfachdiskriminierungen abbilden.
Wir erkennen an, dass es medizinisch notwendige Unterschiede in der Behandlung von biologisch weiblichen Menschen oder z.B. BIPoC-Personen gibt, bspw. aufgrund der Wirksamkeit spezifischer Medikamente oder der Präposition für bestimmte Erkrankungen. Diese medizinische Notwendigkeit darf jedoch keinesfalls mit einer Diskriminierung der jeweiligen Person einhergehen. Sie sind keine Rechtfertigung für Rassismus oder Queerfeindlichkeit!
Feministische Medizin
Unser Ansatz ist ein queerfeministischer. Queere Medizin und feministische Medizin sind für uns in den Forderungen eng miteinander verwoben. Ein Sektor, der hier eine zentrale Rolle spielt, ist der Bereich der geschlechtersensiblen Medizin. Seit Jahren setzen sich Menschen für eine bessere Repräsentanz verschiedener Geschlechter in medizinischen Studien und bei der Medikamentenforschung ein. Dies betrifft nicht nur die Berücksichtigung und Einbindung queerer Identitäten. Auch cis-Frauen werden bis heute zu wenig einbezogen, was weitreichende gesundheitliche Folgen hat. Begründet wird der Ausschluss von Personen, die nicht heterosexuell und cis-männlich sind, damit, dass es z.B. bei Personen, die eine Menstruation haben, in den Studien zu zu hohen Schwankungen in den Untersuchungsergebnissen kommt, sodass eine reibungslose Durchführung medizinischer Studien erschwert würde. Im Ergebnis sind die Ergebnisse solcher Studien und die zugelassenen Medikamente in der empfohlenen Dosis damit aber für einen großen Teil der Bevölkerung unbrauchbar. Die Folgen sind bekannt: Medikamente, die in der Dosierung nicht wirken, weil sie auf cis-männliche Personen ausgerichtet sind (z.B. Schmerzmittel), Krankheitssymptome, die nicht erkannt werden, weil sie nur bei cis-männlichen Personen in der beschriebenen Weise auftreten (z.B. Herzinfarkte) und in der Konsequenz zu spät behandelt werden oder sogar zum Tod der Betroffenen führen, Krankheiten, Organe und Medikamente, die zu wenig erforscht sind, weil sie cis-männliche Personen nicht betreffen (z.B. Endometriose, Schwangerschaftsverhütung, Menstruationsblut). Diese defizitäre Forschung gefährdet Leben und trägt zusätzlich zu einer Tabuisierung ganzer Gesundheitsbereiche bei!
Die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung, des Senats, des Bundestags und des Abgeordnetenhauses werden daher aufgefordert, sich für klare Vorgaben für die Durchführung und Diversifizierung von medizinischen Forschungen und Studien einzusetzen. Dazu zählen insbesondere die folgenden Maßnahmen:
- Die Durchführung von Studien darf nur auf Basis eines breiten Studienteilnehmendenprofils stattfinden.
- Studienbeschreibungen müssen einen Abschnitt zur Inklusion verschiedener Gruppen enthalten, zu welchen u.a. cis-Frauen, queere Identitäten, aber bspw. auch alte Menschen gehören müssen.
- Ein Ausschluss der genannten Gruppen muss nachvollziehbar begründet und faktenbasiert sein.
- Etwaige Testmethoden müssen entsprechend erweitert werden, um die Bedürfnisse vielfältiger Geschlechtsidentitäten zu berücksichtigen.
- Medikamentenzulassungen und -freigaben dürfen nur dann erfolgen, wenn das Medikament über mehrere Patient*innengruppen hinweg getestet wurde.
- Medikamentenvorgaben bereits zugelassener Medikamente müssen hinsichtlich diskriminierender Vorgaben überprüft und bei positiver Prüfung entsprechend angepasst werden.
Wir fordern unsere Mandatsträger*innen auf, sich für die Verankerung bzw. Änderung gesetzlicher Vorgaben einzusetzen, soweit dies zur Umsetzung erforderlich ist.
Zudem werden die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung, des Senats, des Bundestags und des Abgeordnetenhauses aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass gezielte Informationen zu Behandlungen, Medikationen und Bedarfen queerer Menschen erarbeitet und zur Verfügung gestellt werden. Diese sollten nicht nur für medizinisches Fachpersonal zugänglich sein, sondern auch für Betroffene und themenspezifisch und zielgruppenorientiert ausgestaltet werden, bspw. im Bereich der Gynäkologie für Lesben, TINA*Personen etc..
Gesundheitsversorgung queerer wohnungs- und obdachloser Menschen
EU, Bund und Länder haben erklärt, Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030 „überwinden“ zu wollen. Aktuelle Zahlen zeigen jedoch eine gegenteilige Entwicklung. Die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung hat in der Beantwortung einer Anfrage der Grünen im Juli 2025 aufgezeigt, dass die Bedarfsprognose für Unterkünfte in Berlin derzeit bei rund 55.000 Plätzen liegt und bis 2029 auf mehr als 85.000 steigen werde. Dabei hat sich die Zahl der untergebrachten Wohnungslosen zwischen 2022 und 2025 bereits mehr als verdoppelt. Hinzu kommen Menschen, die durch die Statistik nicht erfasst werden, da sie nicht in Wohnheimen oder Notunterkünften untergebracht sind, weil sie entweder bei Angehörigen, Bekannten, auf der Straße oder in Behelfsunterkünften leben (schätzungsweise 8.000 Menschen).
Ziel bleibt, dass Menschen nicht mehr wohnungs- bzw. obdachlos werden müssen, alle Menschen einen bezahlbaren Ort zum Leben haben und die Zahlen der Wohnungs- und Obdachlosigkeit nicht weiter ansteigen. Bis dahin müssen jedoch Maßnahmen ergriffen werden, damit auch Menschen ohne festen Wohnsitz u.a. angemessenen und niedrigschwelligen Zugang zu gesundheitlicher Versorgung haben.
Besonders queere Menschen sind proportional häufig von Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffen. Ursache hierfür sind u.a. familiärer Ausschluss und das Verstoßen aus familiären Strukturen aufgrund von Outing und Queerfeindlichkeit, Gewalt im Nahumfeld (Familie, Partner*innenschaften usw.) oder Diskriminierung bei der Job- und Wohnungssuche.
Die Gesundheitsversorgung obdachloser Menschen ist insgesamt mangelhaft, der Zugang zu Medikamenten oder z.B. Vorsorgeuntersuchungen ist erschwert und viele Betroffene sind nicht krankenversichert bzw. verlieren ihre Krankenversicherung im Verlauf. Zudem empfinden sie häufig Scham, medizinische Einrichtungen aufzusuchen oder haben Angst vor Diskriminierung. Gerade wohnungs- und obdachlose Menschen haben jedoch einen erhöhten Bedarf an gesundheitlicher Versorgung, da sie häufig unter körperlichen und psychischen Erkrankungen leiden, mit Drogenkonsum und ungeschütztem Sexualverkehr zu tun haben, aber auch mit gewaltsamen Übergriffen.
Dabei sind sie häufig von Mehrfachdiskriminierung betroffen. Eine Vielzahl der wohnungs- und obdachlosen Menschen ist BIPoC bzw. hat eine Migrations- oder Fluchtbiografie. Queere wohnungs- und obdachlose Menschen sind zudem in mehrfacher Hinsicht von sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen, sowohl aufgrund ihrer Queerness als auch ihrer Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Einrichtungen der Obdach- und Wohnungslosenhilfe sind nicht für queere Menschen sensibilisiert, es gibt keine Notunterkünfte für queere Menschen und in den vorhandenen allgemeinen Einrichtungen sowie auf der Straße erfahren queere Menschen Gewalt aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität und Queerfeindlichkeit durch andere Aufsuchende der Einrichtungen sowie durch das Personal.
Damit geht eine zusätzlich verstärkte Unsicherheit im System, auch im Gesundheitssystem, einher.
Die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung, des Senats, des Bundestags, des Abgeordnetenhauses, der Bezirksämter und Bezirksverordnetenversammlungen werden daher aufgefordert, sich für die folgenden Maßnahmen einzusetzen:
- Die Schaffung gezielter Sensibilisierungsprogramme in Bezug auf das Thema Queerness im Zusammenhang mit Wohnungs- und Obdachlosigkeit für Einrichtungen der Obdach- und Wohnungslosenhilfe und Beratungsstellen, z.B. Stadtmissionen, aufsuchende Sozialarbeit usw., welche sowohl das Personal als auch dort tätige Ehrenamtliche einbeziehen sollen
- Die Einrichtung spezifischer Unterbringungsangebote für queere wohnungs- und obdachlose Menschen, bspw. Notunterkünfte spezifisch für queere Menschen
- Die Schaffung und Ausweitung barrierearmer medizinischer Angebote für wohnungs- und obdachlose Menschen
- Den Abbau von Sprachbarrieren in der Gesundheitsversorgung. Außerdem müssen Möglichkeiten zur kostenlosen Wahrnehmung von Sprachmittlung oder Angeboten in Leichter Sprache geschaffen werden.
- Die Erarbeitung von Lösungen, damit auch Betroffene ohne Aufenthaltstitel, Wohnort oder Krankenversicherung niedrigschwellig und kostenlos versorgt werden können.
Queer und Neurodiversität
Der Begriff der Neurodiversität bezieht sich auf Menschen, deren Gehirn „abweichend“ von neurologischen Normvorstellungen („neurotypisch“) arbeitet und erkennt diese in ihrer Existenz an. Die Unterscheidung zwischen neurodivergent und neurotypisch sieht diese Unterschiede dabei als Variationen, in denen sich menschliche Vielfalt darstellt. Dabei gibt es kein „richtig“ oder „falsch“, „gesund“ oder „krank“, „normal“ oder „anormal“. Neurologische Vielfalt ist „Normalität“. Neurodiversität ist unabhängig von anderen Faktoren wie z. B. Geschlecht, Hautfarbe, Bildungsstand und/oder Herkunft. Gleichzeitig bringt Neurodiversität Barrieren und Hindernisse mit sich, da unsere Gesellschaft auf neurotypische Menschen ausgerichtet ist. Neurodiversität kann sich in verschiedenen Aspekten der Persönlichkeit zeigen, z. B. Lernen, Denkweise, Motorik, Struktur, Interaktion, Sprache und Wahrnehmung. Die erhöhte Reizsensibilität vieler neurodivergenter Menschen kann zu einem höheren Stresserleben und einem verstärkten Bedürfnis nach Rückzug führen, was wiederum gesundheitliche Auswirkungen haben kann. Dies führt auch zu Problemen im Gesundheitssystem, wenn Räumlichkeiten und medizinisches Fachpersonal nicht für den Umgang mit neurodivergenten Menschen sensibilisiert sind.
Der Querschnittsbereich aus den Themen Queer und Neurodiversität liegt darin begründet, dass neurodivergenten Denk- und Sichtweisen Diskriminierungspotenziale bürgen, auch in Bezug auf die geschlechtliche und sexuelle Identität einer Person, bspw. hinsichtlich des eigenen Geschlechtsausdrucks oder der geschlechtlichen Zuweisung anderer, wenn eine neurodivergente Person das Konzept Geschlecht z.B. nicht nachvollziehen kann. Neurodivergente Menschen sind zudem prozentual deutlich häufiger queer als neurotypische Menschen. Die Zusammenhänge bzw. Überschneidungen dieser beiden Spektren wurden in der Vergangenheit bereits einige Male im Rahmen von Studien und Befragungen untersucht, u.a. in den Niederlanden und Australien, wobei die Ergebnisse dieser Untersuchungen darauf hindeuten, dass geschlechtliche und sexuelle Identitäten z.B. bei Autist*innen vielfältiger zu sein scheinen als in der neurotypischen Bevölkerung und auch ein breiteres und vielfältigeres Verständnis derselben zu bestehen scheint.
Die Durchführungen derartiger Studien ist essenziell, um die intersektionalen Verflechtungen zwischen Queerness und Neurodiversität besser zu verstehen und so bedarfsgerechte Maßnahmen entwickeln zu können, um die Teilhabe von Menschen zu verbessern, die sich auf beiden Spektren verorten oder verortet werden. Dies gilt insbesondere für den Gesundheitssektor, da sich aus dieser Verflechtung eine Vielzahl an spezifischen gesundheitlichen Risiken, Stressfaktoren und Bedürfnissen ergibt, auf die fachlich reagiert werden muss. Besonders in Bezug auf medizinische und psychologische Begleitung ist entpathologisierendes und diskriminierungssensibles Wissen von Bedeutung.
Das Unwissen über die Zusammenhänge dieser Themenspektren führt in der Realität leider oft zu Mehrfachdiskriminierung. Viele queere Menschen beschreiben Diskriminierung im Zusammenhang mit Ableismus, also Behindertenfeindlichkeit. Diese bezieht sich am häufigsten auf psychische Merkmale und Neurodivergenz. Jede fünfte befragte Person nach einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle StandUp der Schwulenberatung Berlin erlebte neben Diskriminierung aufgrund der geschlechtlichen oder sexuellen Identität auch Diskriminierung aufgrund einer Neurodivergenz. So werden neurodivergenten Personen in der Praxis u.a. manche Behandlungen versagt, z.B. Hormontherapien oder der Zugang zu bestimmten Verhütungsmitteln, da sie infantilisiert werden und ihnen nicht zugetraut wird, informierte Entscheidungen über ihre Identität z.B. aufgrund ihres Autismus zu treffen. Gleichzeitig wird ihnen dabei die Selbstbestimmung über ihre eigene geschlechtliche und/oder sexuelle Identität und ihren Körper entzogen. Das muss aufhören! Neurodivergent zu sein bedeutet nicht, unfähig zu sein, selbstbestimmte Entscheidungen über die eigene Gesundheit zu treffen.
Zudem gibt es kaum Pflegeangebote, die sowohl queersensibel, als auch auf die Pflege von neurodivergenten Menschen, bspw. von Autismus, ausgerichtet sind. Hier besteht ein enormes Defizit in der gesundheitlichen Versorgung.
Die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung, des Senats, des Bundestags, des Abgeordnetenhauses, der Bezirksämter und Bezirksverordnetenversammlungen werden daher aufgefordert, sich für die folgenden Maßnahmen einzusetzen:
- Mehr Sensibilität in der Gesundheitsversorgung! Es braucht einen auf Konsens und Kommunikation ausgerichteten Umgang mit Patient*innen, auch während der Behandlung. Medizinisches Personal sollte darauf geschult sein, vor der körperlichen Kontaktaufnahme Konsens zu erfragen (sofern es sich nicht um einen medizinischen Notfall handelt) und in einfacher und klarer Sprache zu kommunizieren, da bspw. nonverbale Kommunikation missinterpretiert werden kann. Eine klare Kommunikation hinsichtlich von Bedürfnissen und Grenzen kann Hürden abbauen und schafft eine größere Vertrauensbasis. Gleichzeitig wird einer etwaigen Reizüberflutung neurodivergenter Personen durch unerwünschte Berührung oder kommunikative Undeutlichkeiten vorgebeugt.
- Die Erarbeitung eines Leitfadens zum konsensualen und diversitätssensiblen Umgang im Patient*innenkontakt
- Mehr Forschung zum Querschnitt Queerness und Neurodivergenz, um adäquate Behandlungsstrategien entwickeln zu können
- Die Schaffung von reizarmen Warte- bzw. Rückzugsbereichen in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen. Diese Bereiche sollten möglichst geräuscharm oder vollkommen ruhig und mit gedimmtem Licht ausgestattet sein. Sollte dies nicht möglich sein, so sollten z.B. Noice-Cancelling-Kopfhörer und ähnliche Werkzeuge zur Reizreduzierung bereitgestellt werden.
- Die Schaffung von Anlaufstellen bei Schwierigkeiten bzw. Unterstützungsbedarf für queere und neurodivergente Menschen.
- Die Schaffung von mehr Pflegeangeboten bzw. die Ausweitung bestehender Angebote, z.B. durch Schulungen, die auch auf neurodivergente, queere Menschen, z.B. queere Menschen mit Autismus, ausgerichtet sind.
- Die Schaffung und bessere Zugänglichkeit von und zu Psychotherapieplätzen
Queere BIPoCs im Gesundheitssystem
Wenn von diversitätssensibler Gesundheitsversorgung die Rede ist, denken viele Menschen zunächst an die Berücksichtigung unterschiedlicher kultureller Hintergründe und Menschen mit Migrationsbiografie. Tatsächlich spielt die Frage von Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit und Aufenthaltsstatus auch beim Thema queerer Gesundheitsversorgung eine zentrale Rolle. Rassismus ist neben Queerfeindlichkeit eine der am häufigsten genannten Diskriminierungsformen. Das Zusammenspiel beider Diskriminierungsformen erhöht die Sorge vor Ausgrenzung und die Angst vor Übergriffen. Im Bereich von Gesundheit und Pflege erfahren z.B. schwarze trans*, inter* oder nicht-binäre Menschen besonders häufig Diskriminierung, sowohl im Vergleich zu weißen als auch zu cis-BIPoC-Personen.
Sowohl bei queeren Menschen als auch bei BIPoCs handelt es sich um Personengruppen, die durch Zugangshürden oft über eine geringere Informiertheit über das deutsche Gesundheits- und Pflegesystem verfügen. Außerdem bevorzugen Befragungen zufolge beide Personengruppen tendenziell eine ambulante Pflege im häuslichen Umfeld aus Angst, in Einrichtungen erneute Diskriminierung und Ausgrenzung zu erfahren. Viele Betroffene beschreiben ein Gefühl der Isolation, der Unsichtbarkeit und der Behandlung als Außenseiter*innen im Umgang mit medizinischem Personal oder anderen Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen. Hinzu kommen Sprachbarrieren und damit verbundene Scham oder das Gefühl des Nicht-ernstgenommen-werdens, da häufig aufgrund der mangelnden deutschen Sprachkenntnis gleichsam mangelnde Intelligenz unterstellt wird. Wenn die Kommunikation nicht in der Erstsprache der Behandelnden oder Patient*innen durchgeführt wird, kann dies außerdem schlimmstenfalls dazu führen, dass Behandlungen nicht, schlechter oder falsch durchgeführt werden. Häufig müssen nicht-deutschsprachige Menschen sich zudem entscheiden, ob sie Einrichtungen aufsuchen, in denen sie mit einer queersensiblen Behandlung rechnen können oder zu einer Person, mit der sie in ihrer Erstsprache kommunizieren können.
Gerade für die Pflege rückt der Themenkomplex Queer und post-/migrantisch zudem immer weiter in den Fokus im Vergleich zu früheren Generationen. Sowohl die Zahl der pflegebedürftigen BIPoC-Personen und Menschen mit Migrationsbiografie als auch der pflegebedürftigen queeren Menschen steigt an.
Die Sensibilität für die Intersektionalität von Queerness und Rassismus darf überdies nicht nur Patient*innen berücksichtigen, sondern muss ebenso An- und Zugehörige sowie das medizinische Fachpersonal miteinbeziehen. Der Gesundheitssektor wird zunehmend von internationalen Fachkräften getragen und auch von diesen sind viele Menschen queer, auch aber nicht nur deswegen, da sie ihre sexuelle bzw. geschlechtliche Identität in Deutschland ohne Angst vor staatlicher Verfolgung leben können. Um dieses internationale Fachpersonal dauerhaft halten zu können und als Arbeitsstandort attraktiv zu bleiben, ist es jedoch notwendig, Diskriminierungsformen, wie Rassismus und Queerfeindlichkeit abzubauen, weil sie sowohl durch Mitarbeiter*innen als auch Patient*innen z.B. Rassismus erleben.
Die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung, des Senats, des Bundestags, des Abgeordnetenhauses, der Bezirksämter und Bezirksverordnetenversammlungen werden daher aufgefordert, sich für die folgenden Maßnahmen einzusetzen:
- Den Abbau von Sprachbarrieren in der Gesundheitsversorgung. Außerdem müssen Möglichkeiten zur kostenlosen Wahrnehmung von Sprachmittlung oder Angeboten in Leichter Sprache geschaffen werden.
- Die Etablierung von Sensibilisierungsprogrammen in öffentlichen medizinischen Einrichtungen zu gesellschaftlicher Vielfalt und dem Abbau von Diskriminierungsformen wie Rassismus.
Queere Gesundheit von Kindern und Jugendlichen
Der Bereich der Gesundheit queerer Kinder und Jugendlicher ist von besonderer Relevanz, da sich in den aktuellen Alterskohorten anteilig deutlich mehr Menschen als queer identifizieren als in älteren Jahrgängen, was u.a. mit einer größeren gesellschaftlichen Offenheit und Akzeptanz zusammenhängen könnte. Die bereits in der Einführung genannten Faktoren, welche queere Gesundheit negativ beeinflussen, treten dabei vermehrt bereits in der Kindheit und Jugend auf. Viele queere Kinder und Jugendliche leiden unter depressiven Verstimmungen, unter einem Gefühl der Einsamkeit und Isolation sowie des Andersseins, einem negativen (Körper-) Selbstbild, Selbstablehnung und Scham, was häufig auch durch z.B. (Cyber-) Mobbing verstärkt wird. Begleiterscheinungen psychischer und psychosomatischer Art sind oft Kopf-, Magen-, Nacken- und Rückenschmerzen, Niedergeschlagenheit, Nervosität, Schlafstörungen, Angstgefühle und Sorgen um die Zukunft. Auch wenn hier einzuräumen ist, dass viele Kinder und Jugendliche unter den genannten Symptomen leiden und sich dieser Effekt durch Corona verstärkt hat, so treten sie doch prozentual wesentlich häufiger bei queeren Kindern und Jugendlichen auf als bei cis-heteronormativen. Queere Kinder und Jugendliche leiden unter allgemeinen Stressoren ihrer Altersgruppe, wie bspw. Pubertät, Schulstress und Identitätsfindung, aber auch unter spezifisch queeren Stressfaktoren, die mit dieser Lebensphase einhergehen. Körperliche Veränderungen können bei TINA* (trans*-, inter*, nicht-binäre und agender*) Kindern und Jugendlichen Körperdysphorie auslösen, Misgendering durch das Lehrpersonal kann zu zusätzlichem Stress in der Schule und Schuldistanz beitragen, gleichzeitig geht mit queerer Identitätsfindung häufig die Angst vor Ablehnung und Zurückweisung einher, da sie nicht „normal“, also cis-heteronormativ sind, was teils mit verinnerlichter Queer-Negativität zusammenhängt.
Ein weiterer nicht zu vernachlässigender und schwerwiegender Punkt ist die traurige Tatsache, dass die Suizidversuchsrate unter queeren Menschen drei- bis viermal höher ist als bei cis-heteronormativen Personen und die Mehrheit dieser Versuche im Kinder- und Jugendalter erfolgt. Queere Jugendliche sind vermehrt von Suizidgedanken und -versuchen betroffen. Hier müssen Kampagnen zur Suizidprävention und Aufklärung rechtzeitig einsetzen, um die queeren Kinder und Jugendlichen in dieser vulnerablen Zeit in ihren Bedarfen nicht zu vernachlässigen.
Zudem fühlen viele queere Kinder und Jugendliche sich durch ihr familiäres Umfeld unzureichend oder gar nicht unterstützt, was Effekte von Einsamkeitsgefühlen noch verstärkt, und befinden sich aus Angst vor Ausgrenzung in einem ständigen Anpassungsprozess, was Stress auslöst. Dabei sind gerade Kinder und Jugendliche, auch in ihrer gesundheitlichen Versorgung, von ihrem Umfeld und dessen Willen zu unterstützen abhängig.
Diskriminierende Faktoren im Gesundheitswesen können sich bei Kindern und Jugendlichen überdies verstärken aufgrund ihres Alters und ihres Erfahrungshintergrunds, Ängste und Unsicherheit treten vermehrt auf, sind jedoch gleichzeitig mit einer stärkeren Zurückhaltung und in der Folge dem Verschweigen von Unwohlsein und diskriminierenden Erfahrungen verbunden. Diese Umstände müssen im medizinischen Umgang mit queeren Kindern und Jugendlichen besonders berücksichtigt werden, um Ängste abzubauen und das Vertrauen zu stärken. Queere Kinder und Jugendliche müssen in der Bewusstseinsbildung über die eigenen gesundheitlichen Bedürfnisse unterstützt und in der Inanspruchnahme der Möglichkeiten des Gesundheitssystems entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen bestärkt werden.
Leider werden auch heute noch häufig Operationen und Veränderungen an inter* Kindern und Jugendlichen durchgeführt, um bspw. Geschlechtsmerkmale binaritätskonform anzupassen, obwohl diese Eingriffe medizinisch gar nicht notwendig sind, dabei fordern Betroffenenverbände seit Jahrzehnten ein umfassendes Verbot. Seit 2021 sind medizinisch nicht notwendige genitalverändernde Operationen bei inter*Personen ohne deren Einwilligung in Deutschland zwar verboten, dennoch hat die aktuelle Gesetzeslage diverse Regelungslücken, die zur Umgehung genutzt werden. Gesetzeslücken müssen vollumfänglich geschlossen werden. Kosmetische Genitaloperationen und medizinisch nicht notwendige hormonelle Behandlungen, sofern keine lebensbedrohliche Indikation besteht, welche nachweislich erhebliche körperliche und psychische Folgen für die Betroffenen haben, müssen verboten werden und sollten nicht ohne die informierte Einwilligung der Kinder und Jugendlichen erfolgen. In Fällen lebensbedrohlicher Notwendigkeit muss eine stärkere Kontrolle der Gegebenheit und eine genaue Dokumentation erfolgen.
Der Zugang zu gewünschten Operationen und Hormontherapien, sowie Pubertätsblockern, bspw. im Rahmen von Transitionsprozessen, muss gewährleistet sein und darf nicht von der finanziellen Situation abhängig sein. Dies gilt auch bei queeren Kindern und Jugendlichen und ihren Familien. Hormontherapien, Pubertätsblocker und geschlechtsangleichende Operationen, die auf den Wunsch der Betroffenen hin angefragt werden, müssen als medizinisch notwendig anerkannt werden, da sie entscheidend sind für das körperliche und psychische Wohlbefinden der Betroffenen, und müssen Kassenleistung sein! Pubertätsblocker sind für viele TINA*Kinder und Jugendliche entscheidend für die körperliche und psychische Gesundheit und senken Studien zufolge das Suizidrisiko. Sie tragen zum Abbau von Körperdysphorie bei, da entscheidende körperliche Faktoren, die eventuell nicht mit der eigenen Identität der Kinder und Jugendlichen übereinstimmen, unterbunden werden, bspw. das Einsetzen von Periode oder Stimmbruch, das Brustwachstum oder eine vermehrte Körperbehaarung. Die niedrigschwellige Zugänglichkeit dieser lebensrettenden Medikamente muss gewährleistet sein und darf nicht eingeschränkt werden.
Außerdem fordern wir ein EU-weites Verbot von „Konversionstherapien“, auch wenn Deutschland bereits ein Verbot derselben „ohne Einwilligung“ etabliert hat. Dies ist erforderlich, um vor allem queere Kinder und Jugendliche vor „Konversionstherapien“ im Ausland zu schützen.
Kinder und Jugendliche müssen das Recht haben, über ihren Körper und ihren Geschlechtseintrag selbstbestimmt entscheiden zu können! Das Selbstbestimmungsgesetz muss auch für Minderjährige zugänglich sein und bleiben! Denn auch minderjährige Menschen haben das Recht, an ihrer medizinischen Versorgung beteiligt zu werden und die Maßnahmen, die dort ergriffen werden, mitbestimmen zu können.
Medizinische Behandlungen und Medikamente, bspw. im Rahmen von Transitionsprozessen, müssen auch für Kinder und Jugendliche Kassenleistung sein!
Über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt muss darüber hinaus in Bildungseinrichtungen, z.B. Schulen im Rahmen des Lehrplans aufgeklärt werden. Dies muss bundesweit verankert werden. Dabei soll auch über Themen wie queere Sexualaufklärung und Verhütung informiert werden.
Dies alles ist ein enormes Warnsignal! Eine derartige Häufung von gravierenden, durch Minderheitenstress verursachten Krankheitsbildern im Jugendalter hat langfristige negative gesundheitliche Folgen für queere Menschen, die sie im Zweifel bis ins Alter begleiten bzw. ihre Lebenszeit verkürzen. Darum ist es umso dringender, dass diese Kinder und Jugendlichen zeitnah Zugang zu Therapieplätzen erhalten und die Therapieangebote für queere Kinder und Jugendliche ausgebaut werden. Denn gerade im Kinder- und Jugendalter ist Zeit ein wesentlicher Faktor für queere Menschen, um bspw. rechtzeitig Maßnahmen in Reaktion auf Veränderungen durch die Pubertät zu ergreifen und langfristige gesundheitliche Folgen zu verhindern – Zeit, die diese Kinder und Jugendlichen nicht haben.
Die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung, des Senats, des Bundestags, des Abgeordnetenhauses, der Bezirksämter und Bezirksverordnetenversammlungen werden daher aufgefordert, sich für die folgenden Maßnahmen einzusetzen:
- Die Erstellung von Aufklärungsmaterial zu Gesundheitsbedarfen von queeren Kindern und Jugendlichen für Fachpersonal sowie Eltern und Kinder und Jugendliche, die auch altersgerecht medizinische Maßnahmen erläutern und darüber nachvollziehbar und in ihrer Relevanz informieren.
- Die Schaffung gezielter Anlaufstellen für Eltern von queeren Kindern zur Angehörigenberatung und -begleitung
- Die Verbesserung der gesundheitlichen Beratung zu Behandlungsbedarfen von queeren Kindern und Jugendlichen, besonders TINA*Kinder und Jugendliche und die Weiterbildung von schulischem Personal, Personal der Jugendarbeit, sowie Ärzt*innen und Einrichtungen des Gesundheitswesens. Es ist die Einrichtung einer spezialisierten Beratungsstelle zu erwägen.
- Die Einrichtung von Unterstützungsstrukturen im Gesundheitswesen zur Beratung und Begleitung queerer Kinder und Jugendlicher bei gesundheitlichen Entscheidungsprozessen durch geschulte Mediziner*innen und Berater*innen, um Kindern und Jugendlichen eine informierte, selbstbestimmte und ausgewogene Entscheidungsfindung zu ermöglichen. Eltern sollen dabei so gut wie möglich, aber im Interesse des Kindes einbezogen werden
- Die Schaffung von medizinischen Begleitmöglichkeiten, damit Eltern auf Wunsch Begleitung bspw. während eines Transitionsprozesses ihres Kindes durch ausgebildetes Personal mit Spezialisierung auf Kinder- und Jugendarbeit erhalten können
- Die Schaffung von Austauschangeboten für queere Kinder und Jugendliche, bei welchen auch Themen wie Outing, Transition und queere Verhütung behandelt werden
- Aufklärung von Personal in Bildungs- und Kinder- und Jugendeinrichtungen bzgl. Themen von queerer Gesundheit, um eine angstfreie Identitätsentwicklung der Kinder und Jugendlichen und eine kompetente Begleitung zu gewährleisten und die Schaffung entsprechender Weiterbildungsangebote
- Sensibilisierung für Themen queerer Kinder und Jugendlicher im Schulsport und in Kinder- und Jugendsportstätten sowie bei freien Angeboten, u.a. aber nicht nur die Einrichtungen von geschlechtsneutralen Umkleidekabinen, Duschen und Toiletten bzw. die Einführung von Einzelkabinen. Die Teilnahme am Sport ist für den Erhalt der körperlichen Gesundheit von queeren Kindern und Jugendlichen sowie der psychischen, um Gefühlen von Anderssein und Ausgrenzung vorzubeugen.
- Die Schaffung von Angeboten zur beratenden Begleitung von Transitions- und „Coming-Out“-Prozessen
- Keine medizinisch nicht notwendigen Operationen und Veränderungen von Geschlechtsmerkmalen sowie medizinisch nicht notwendige hormonelle Behandlungen, bevor die Personen nicht selbst über ihren Körper und ihre Identität entscheiden können und wollen – es braucht ein umfassendes Verbot!
- Ein EU-weites einwilligungsunabhängiges Verbot von „Konversionstherapien“
- Die Zurücknahme der Beschlüsse Ic-128 und IC-48 der Bundesärztkammer des 128. Deutschen Ärztetages
- Die Verbesserung der Forschungslage und Etablierung von Forschungsprojekten zu Gesundheitsbedarfen queerer Kinder und Jugendlicher
- Die Berücksichtigung der Bedarfe in Aus- und Weiterbildung von Kinderärzt*innen und Kinder- und Jugendpsychiater*innen
- Die Schaffung von Angeboten zur queeren Suizidprävention in Schulen und Jugendeinrichtungen sowie die entsprechende Weiterbildung und Sensibilisierung des Personals (Sozialarbeitenden, Lehrenden etc.)
- Den Ausbau von Kinder- und Jugendtherapieplätzen, besonders solchen, die auf die Behandlung und den Umgang mit queeren Kindern und Jugendlichen spezialisiert sind
- Wir fordern die Aufklärung über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt und die Verankerung dieser Themen in den Rahmenlehrplänen der Länder.
Queer im Alter
Die Zahl pflegebedürftiger Menschen wird im Zuge des demografischen Wandels in den kommenden Jahren gesamtgesellschaftlich ansteigen. Queere bzw. diversitäts- und diskriminierunssensible Pflege ist nicht nur eine Frage des Alters, auch junge Menschen sind auf Pflege angewiesen und das Angebot muss insgesamt ausgeweitet werden. Dennoch macht die Pflege älterer Menschen immer noch einen Großteil des Bedarfs aus und auch queere Menschen werden älter und haben spezifische Bedürfnisse an ihre Gesundheitsversorgung. Allgemeine Aspekte der Gesundheit queerer Menschen und ihre Gesundheit im Allgemeinen müssen bei der Pflege queerer Menschen, auch im Alter, aber somit ebenfalls mitgedacht werden, bspw. das Thema Einsamkeit, aber auch die Häufigkeit chronischer Erkrankungen durch jahrelangen Minderheitenstress. Die bereits angeführten und noch folgenden Aspekte müssen somit auch in die queere Altenpflege einbezogen werden.
Nach Schätzungen des niedersächsischen Sozialministeriums aus dem Jahr 2016 gibt es in Deutschland bis zu 1,8 Millionen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche (LSBTI*) Senior*innen im Alter von über 60 Jahren. Queer und Alter ist im öffentlichen Diskurs allerdings selten Thema. Ältere queere Menschen sind gesellschaftlich oft wenig sichtbar und erhalten wenig Beachtung. Das hängt u.a. damit zusammen, dass viele sich zunehmend zurückziehen und ihre sexuelle oder geschlechtliche Identität verschweigen, da sie in ihrem Leben Diskriminierungserfahrungen gemacht haben. Diskriminierungen, die vor Jahrzehnten aufgrund der eigenen sexuellen oder geschlechtlichen Identität erlebt wurden, haben auch im Alter Auswirkungen. Betroffene reden oft nicht über das Erlebte, haben das Gefühl, dass sie von ihrem Umfeld nicht verstanden werden oder es keine Personen gibt, mit denen sie diese Erfahrungen teilen und die diese nachvollziehen können. Außerdem herrscht ein Mangel an queersensiblen Räumen für ältere Menschen. Häufig fühlen sich ältere queere Menschen sozial isoliert. Dieser Fakt wird zudem dadurch verstärkt, dass ältere queere Menschen häufiger kinderlos und alleinlebend sind und Versorgungsangebote der Altenhilfe aus Angst vor Diskriminierung weniger annehmen.
Aufgrund des Mangels familiärer Kontexte, z.B. als Folge einer Ausstoßung aus der Familie als Folge eines Outings oder aus Mangel an Kindern und Nahverwandten, fehlt die Unterstützung durch Angehörige und familiäre Netzwerke, auch gesundheitlich. Als Resultat erfolgt ein großer Teil der Sorgearbeit bei queeren Menschen durch die sog. „Wahlfamilie“, also Freund*innen und andere soziale Netzwerke. Wahlfamilien werden vom Gesundheitssystem jedoch nicht berücksichtigt. Andere als familiäre zugehörige Personen werden bei Gesprächen zu Pflege und Unterstützungsnetzwerken seitens offizieller Stellen gar nicht erfragt. Dies macht ein Umdenken bei der Angebotslandschaft und Beratung für Pflegende notwendig, welche nicht nur auf An-, sondern auch auf Zugehörige ausgeweitet werden sollte. Angebote müssen um Zugehörige erweitert werden und dürfen nicht nur auf Familien ausgerichtet sein. Dies gilt auch in der Kommunikation zu pflegebezogenen Themen und im Umgang mit Pflegebedürftigen. Zudem braucht es eine bessere, auch psychosoziale Begleitung von an- und zugehörigen Pflegenden. Es sollten Stationspsycholog*innen zur Verfügung gestellt werden auf Stationen, wo es sinnvoll ist, und allgemeine Beratungsangebote müssen ausgeweitet werden.
Gleichzeitig altern diese Netzwerke häufig zusammen mit ihnen und haben nicht die Ressourcen, um eine adäquate Pflege zu gewährleisten oder sind mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert. Der Einzug in eine Pflegeeinrichtung bedeutet zudem zumeist eine Herauslösung aus diesem Umfeld. Gerade weil das persönliche Umfeld vor allem für queere Menschen enorm wichtig und eine große soziale Stütze ist (diskriminierungsfrei), fällt es queeren Menschen häufig umso schwerer als ohnehin schon z.B. in Pflegeeinrichtungen mit ihnen Unbekannten zu ziehen. Ältere queere Menschen brauchen die Gewissheit, dass sie ihr Leben weiterhin selbstbestimmt leben können. Statt in stationäre Pflegeeinrichtungen zu ziehen, bevorzugen viele queere Menschen daher Kontexte, die ihrem Bedürfnis nach gesellschaftlicher Teilhabe mehr entgegenkommen und ihnen eine höhere Selbstständigkeit ermöglichen und ihnen gleichzeitig ein sensibles Umfeld erhalten. Darum werden viele queere Wohnprojekte als Mehrgenerationenwohnen gedacht, also Pflege-WGs in Kombination mit Wohneinheiten für queere Menschen allen Alters, um Teil der Community zu bleiben und bspw. auch Kontakt zu jungen queeren Menschen zu haben. Die Wohnprojekte sind von hoher Relevanz für queere Senior*innen. Sie bieten ihnen die Möglichkeit, mit anderen queeren Menschen zusammenzuleben, solidarisch und gemeinschaftlich, die ihre Erfahrungen verstehen und teilen und bei denen sie sich zugehörig fühlen, ohne sich immer wieder erklären zu müssen. Darüber hinaus kostet das dortige Wohnen nur wenig Geld. Gerade letzteres ist für viele queere Senior*innen von zentraler Bedeutung. Viele ältere queere Menschen haben unterbrochene Erwerbsbiografien, haben aufgrund von Queerfeindlichkeit nur im Niedriglohnsektor Arbeit gefunden oder aufgrund von Verurteilungen nach §175 und ihrer damit zusammenhängenden Vorstrafe keine Arbeit gefunden. Queere Frauen sind zudem von doppelter Diskriminierung als Frauen und queere Menschen betroffen und die Altersarmut von Frauen ist statistisch bekanntlich noch höher als bei Männern, außerdem sind auch ihre Erwerbsbiografien in einigen Fällen durch Schwangerschaften unterbrochen. Queere ältere Menschen leiden in der Konsequenz besonders unter der angespannten Wohnungsmarktsituation und den steigenden wirtschaftlichen Kosten.
Allerdings gibt es in Berlin zu wenige queere Pflege-Wohngemeinschaften, um den Bedarf und die hohe Nachfrage zu decken. Die Wartelisten der existierenden Angebote und Mehrgenerationenhäuser sind lang und können die enorme Nachfrage, auch angesichts der angespannten Wohnungsmarktsituation, nicht decken. Zudem fehlt es an einer Definition, um Wohnraum spezifisch als queeren Wohnraum auszuweisen. Es gibt weder Richtlinien noch Umsetzungsstrategien, was das Merkmal „queer“ ausmacht und warum „queer“ als besondere Kategorie zu berücksichtigen und somit bei der Vergabe von Wohnraum zu bevorzugen ist. Queeres Wohnen ist schwierig, weil (rechtlich) nicht klar ist, was „Queeres Wohnen“ definiert und was die besonderen Bedarfe ausmacht. Hier müssen definitorische Parameter geschaffen werden, um queeres Wohnen langfristig abzusichern und die Schaffung weiterer queerer Wohnprojekte zu unterstützen. Die ambulante Pflege wird der stationären vorgezogen, da der Verbleib in der eigenen gewohnten Umgebung und im sicheren zu Hause von queeren Menschen als zentral erachtet wird, auch aus Angst vor institutioneller Diskriminierung. Wenn die ambulante Pflege die Pflegeerfordernisse nicht bewältigen kann, werden Pflege-Wohngemeinschaften herkömmlichen Pflegeheimen vorgezogen. Zudem gibt es in Berlin kaum Angebote stationärer Pflege die ausgewiesen queersensibel ist. Der strukturelle Mangel bedingt im Zweifel also auch die Wahl der Versorgung.
Queere Menschen befürchten in Einrichtungen der Altenhilfe und Pflege Ausgrenzung, Ablehnung und Diskriminierung bzw. sich und ihre sexuelle und geschlechtliche Identität verstecken zu müssen, um eben jenen zu entgehen. Dabei geht es nicht nur um Diskriminierungssorgen durch Personal der Gesundheitsversorgung, sondern auch durch Altersgenoss*innen, welche auf Diskriminierungs- und Verfolgungserfahrungen zurückzuführen sind. Hierbei sind z.B. Fragen von strafrechtlicher Verfolgung (§175) und HIV relevant – Altersgenoss*innen, mit denen queere Senior*innen bspw. in Pflegeeinrichtungen zusammenleben müssen, haben die Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung sowie die Stigmatisierung häufig miterlebt bzw. sind in einer Zeit sozialisiert worden, in der queere Menschen kriminalisiert und ausgegrenzt wurden. Der Umgang mit HIV-positiven Menschen ist ebenfalls immer noch mit vielen Vorurteilen und Ängsten behaftet und mit viel Unwissenheit verbunden, sowohl seitens des medizinischen Fachpersonals als auch anderen Senior*innen in Gesundheitseinrichtungen. Dabei sind die Betroffenen nicht nur aufgrund der HIV-Erkrankung selbst, sondern auch aufgrund der Begleiterkrankungen und Risiken, bspw. Osteoporose oder Herz-Nierenerkrankungen, auf eine gute gesundheitliche Versorgung angewiesen.
Demenz ist eine Erkrankung, die alle Betroffenen und ihre An- und Zugehörigen vor große Herausforderungen stellt. Zudem ist Demenz als Thema gesellschaftlich oft noch unsichtbar und erhält wenig Beachtung. Die Unsichtbarkeit der Themen Demenz und Queer im Alter sorgt für eine doppelte Unsichtbarkeit queerer Betroffener. Für queere Menschen ergeben sich jedoch zusätzliche Bedarfe und Leiden, die mit der Erkrankung einhergehen. Viele Erkrankte wissen oft nicht mehr, ob sie sich in Pflegekontexten geoutet haben, was sie und wie offen sie erzählt haben bzw. wenn sie sich nicht geoutet haben, was sie stattdessen über ihr Leben erzählt haben, um nicht als queer „entdeckt“ zu werden. Auch das Coming-Out selbst oder eine Geschlechtsangleichung können vergessen werden, abhängig davon, wie lange die Ereignisse zurückliegen. Das kann in der Folge zu einem unfreiwilligen Coming-Out oder zur erneuten Sorge der Offenlegung führen. Zudem vergessen Erkrankte die Medikamenteneinnahme bspw. von Hormonpräparaten oder HIV-Medikation. Auch die sexuelle und geschlechtliche Identität einer Betreuungsperson kann seitens der Betreuten vergessen werden und wiederum zur Diskriminierung der Pflegenden führen. Gleichzeitig geht mit dem Thema Demenz die Herausforderung einher, zu unterscheiden, ob es sich bei den Erinnerungen einer Person um Symptome einer Demenzerkrankung oder um Re-Traumatisierungen handelt. Traumatische Erlebnisse können durch Erfahrungen im Gesundheitssystem, durch das Gefühl von Abhängigkeiten, Ausgeliefertsein, Kontrollverlust, Stress, z.B. durch den Verlust des vertrauten sozialen Umfelds, erneute Diskriminierungserfahrungen oder Pflegepraktiken ausgelöst werden, die in der Symptomatik einer beginnenden Demenz ähneln können. Hier ist es notwendig für beide Themen, sowohl Demenz als auch Traumaerfahrungen und -reaktionen zu sensibilisieren und das Personal entsprechend zu schulen.
Bedürfnisse von queeren Senior*innen werden in Gesundheits- und Pflegekontexten (sowohl stationär als auch ambulant) in vielen Fällen nur unzureichend berücksichtigt. Überdies herrscht trotz des Bedarfs einer differenzierten Pflege bzw. eines differenzierten Angebots ein großes Defizit an queersensiblen (Pflege-)Einrichtungen. Eine Verbesserung der Situation hat es durch die Schaffung des Qualitätssiegels „Lebensort Vielfalt“, eines bundesweiten Qualifizierungsprogramms für stationäre Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflege, Hospize, Krankenhäuser gegeben. Das Ziel des Programms ist die Schaffung struktureller, organisationspolitischer und personeller Voraussetzungen für LSBTIQ*-sensible und (post-)migrationssensible Situationen. Es handelt sich um ein kostenfreies Angebot. Mitarbeitende sollen im Rahmen des Prozesses im Umgang mit vielfältigen Lebenswelten gestärkt werden. Die Schwulenberatung bietet einen Diversity-Check an, bei dem mit konkreten Kriterien gearbeitet wird, um die Diversitätssensibilität von Einrichtungen einzuschätzen. Die Kriterien stellen gleichzeitig die Grundlage des Begutachtungsprozesses des Qualifizierungsprogramms dar, wobei z.B. Aspekte wie Unternehmenspolitik und Kommunikation, Personalmanagement, Transparenz und Sicherheit, Pflege/Versorgung/Begleitung und Lebenswelten/Aktivitäten betrachtet werden. Programme wie dieses müssen ausgeweitet werden, um diskriminierungssensible Versorgung sicherzustellen, auszuweiten und sichtbar zu machen. Dafür braucht es belastbare und sensibilisierte Gesamtkonzepte, Einrichtungen müssen für Themen von Diskriminierung und Diversität sensibilisiert werden und willkommenheißend sein. Öffentliche Gesundheitseinrichtungen müssen Konzepte zum Umgang mit Diskriminierung und Diversität entwickeln und ihre Diversitätsgrundsätze sichtbar und leicht zugänglich für Personal und Patient*innen sowie An- und Zugehörige machen. Öffentliche Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen müssen sich im Rahmen anerkannter Prozesse als diversitätssensibel zertifizieren lassen.
Die Datenlage zu queeren Menschen im Alter ist gering, wobei bei existierenden Studien und Befragungen von einer Dunkelziffer auszugehen ist, da Menschen ihre Zugehörigkeit zur queeren Community aus Angst vor Diskriminierung eventuell nicht angegeben haben. Im 9. Altersbericht der Bundesregierung von 2024 gibt es erstmalig einen Abschnitt zu LSBTIQ* im Alter. Dabei fällt ebenso auf, dass es keine Datengrundlage gibt. Dies trifft sowohl auf die Bundesebene als auch auf die Länder und Kommunen zu. Dieser Zustand muss verbessert werden, um zielgerichtete Maßnahmen etablieren und queere Senior*innen in der Versorgung besser unterstützen zu können.
Die Vorbeugung von Einsamkeit ist Teil der Gesundheitsvorsorge, auch oder gerade im Alter braucht es folglich Angebote, die gezielt den Bedarfen queerer Menschen gerecht werden, Freizeitangebote, Räume zum Austausch, aber auch Einrichtungen, Wohnprojekte, Gesundheitsversorgung und Pflege-WGs. Die Bedürfnisse queerer Senior*innen sollten zudem in bestehende Angebote eingebunden werden, ohne, dass dabei eine erneute Stigmatisierung erfolgt, wobei dennoch Vorurteile und Diskriminierungen sichtbar gemacht und abgebaut werden müssen.
Ungleichbehandlungen, denen Menschen in ihrem Leben ausgesetzt waren, bleiben auch im Alter weiter bestehen und beeinflussen den Zugang zu gesundheitlicher und pflegerischer Versorgung. Neben den institutionellen und strukturellen Barrieren kommen persönliche Ängste hinzu, u.a. vor erneuter Diskriminierung oder Ausgrenzung, die Menschen davon abhalten können, benötigte Unterstützung anzunehmen. Diese verstärken sich noch, wenn Menschen in eine Lebensphase kommen, in der sie potenziell auf Unterstützung angewiesen sind.
Die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung, des Senats, des Bundestags, des Abgeordnetenhauses, der Bezirksämter und Bezirksverordnetenversammlungen werden daher aufgefordert, sich für die folgenden Maßnahmen einzusetzen:
- Sensibilisierung zum Umgang mit HIV-positiven Senior*innen, welche eine respektvolle Versorgung sicherstellen soll
- Die Schaffung von Weiterbildungsangeboten zum Paragrafen 175, dessen Folgen und Nachwirkungen für medizinisches Fachpersonal, aber auch nicht-queere Senior*innen, um Diskriminierung und Vorurteile abzubauen
- Die Schaffung von geschützten Räumen und Vernetzungsangeboten für queere Senior*innen, in öffentlichen Einrichtungen und Einrichtungen der Gesundheitsversorgung und Pflege
- Die Förderung der bestehenden und den Ausbau weiterer queerer Wohnangebote
- Die Förderung des Qualitätssiegels „Lebensort Vielfalt“
- Verstärkte Schulungen des medizinischen Fachpersonals im Umgang mit Demenz und Trauma bei diskriminierungsbetroffenen Senior*innen
- Die Schaffung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für An- Zugehörige, sowie die bessere Anerkennung von zugehörigen Personen aus dem sozialen Nahumfeld als Pflegende
- Die Verbesserung der Studienlage zu queeren Menschen im Alter und in der Pflege
- Öffentliche Gesundheitseinrichtungen müssen Konzepte zum Umgang mit Diskriminierung und Diversität entwickeln und ihre Diversitätsgrundsätze sichtbar und leicht zugänglich für Personal und Patient*innen sowie An- und Zugehörige machen. Öffentliche Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen müssen sich im Rahmen anerkannter Prozesse als diversitätssensibel zertifizieren lassen.
- Die Merkmalsdefinition „queer“ hinsichtlich der Wohnraumvergabe und die Schaffung definitorische Parameter, um queeres Wohnen langfristig abzusichern und die Schaffung weiterer queerer Wohnprojekte zu unterstützen.
Intersektionale Gesundheitsbetrachtung strukturell unterfüttern
Einzelne Diversitätsmerkmale kommen in medizinbezogenen Studiengängen, Aus- und Weiterbildungen durchaus vor, werden aber nach wie vor zu selten im Kontext ihrer vielfältigen Verflechtungen und der damit zusammenhängenden Auswirkungen betrachtet. Das unzureichende Wissen über Mehrfach-Diskriminierungserfahrungen und die Auswirkungen von Machtasymmetrien und ihre verwobenen Wirkungen führt nicht nur zu Unsicherheiten im Umgang mit von Diskriminierung betroffenen Personengruppen, sondern auch zu mangelhafter Versorgung, Infantilisierung und in der Konsequenz erneuter Diskriminierung, dem Gefühl von Machtlosigkeit und Ohnmacht bei Patient*innen und An- und Zugehörigen und dem Verlust von Vertrauen. Dabei handelt es sich um strukturelle Diskriminierung. Strukturelle Diskriminierungen, wie Rassismus, Ableismus und Queerfeindlichkeit im Gesundheitswesen und seinen Institutionen müssen als solche erkannt und sichtbar gemacht werden. Es braucht eine intersektionale Perspektive in der medizinischen Praxis, diskriminierungs- und diversitätssensible Versorgung und diskriminierungs- und diversitätssensitive Forschung. Der Mangel an Vermittlung dieser Themen und Zusammenhänge führt in der Konsequenz dazu, dass es zu wenig Behandler*innen mit intersektionaler Gesundheitskompetenz gibt. Es besteht nach wie vor ein Mangel an Fachpersonal, das mehrere Diskriminierungsmerkmale intersektional berücksichtigt, z.B. Aspekte queeren Lebens, Sprachbarrieren oder Neurodivergenz, wodurch Patient*innen häufig Teile ihres Lebens verschweigen.
Um strukturelle Diskriminierung sichtbar zu machen, braucht es klarere Strukturen und eine bessere Datengrundlage, z.B. durch konsequentere Datenerfassung und die Schaffung von Anlaufstellen für Menschen, die Diskriminierungserfahrungen in der Gesundheitsversorgung und in der Pflege erleben. Darüber hinaus benötigt es Reflexionsräume für das Personal.
Forschungsdesiderate bestehen sowohl im qualitativen als auch quantitativen Bereich sowie in der Mixed-Methods-Forschung, insbesondere in der Forschung zur Pflegesituation, zu Bedürfnissen und zur Evaluation von konkreten Maßnahmen sowie in Bezug auf unterschiedliche Lebenswelten von queeren Menschen im Zusammenhang mit bedürfnisorientierter gesundheitlicher Versorgung. Es existieren bislang kaum Studien mit einer intersektionalen Perspektive, die mehrere Differenzmerkmale einbeziehen, wie etwa die sozioökonomische Situation, die sexuelle und geschlechtliche Identität, Ableismus, Antisemitismus und Rassismus. Dabei sind diese für die Entwicklung bedürfnisorientierter gesundheitlicher Versorgungsangebote und einer intersektionalen Weiterentwicklung des Gesundheitssystems hinsichtlich einer milieu-, diskriminierungs- und diversitätssensiblen Gesundheitsversorgung unerlässlich. Diversität muss als Querschnittsthema in gesundheits- und pflegewissenschaftliche Forschungs- und Modellprojekte einbezogen werden.
Die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung, des Senats, des Bundestags, des Abgeordnetenhauses, der Bezirksämter und Bezirksverordnetenversammlungen werden daher aufgefordert, sich für die folgenden Maßnahmen einzusetzen:
- Die flächendeckende Schaffung von zentralen und dezentralen Anlaufstellen für Menschen, die Diskriminierungserfahrungen in der Gesundheitsversorgung und in der Pflege erleben, u.a. Antidiskriminierungsstellen und Beschwerdestellen in allen öffentlichen medizinischen Einrichtungen.
- Die Einrichtung von Reflexionsräumen zu Themen von Diskriminierung und Diversität für medizinisches Personal
- Die konsequente und strukturierte Datenerfassung zu Themen von Diskriminierung und Diversität im Gesundheitssektor
- Die Etablierung von Diversität als Querschnittsthema und einer intersektionalen Perspektive in gesundheits- und pflegewissenschaftlichen Forschungs- und Modellprojekten
2: TINA*Gesundheit
Trans*-, inter*, nicht-binäre und agender* Personen sind die queeren Menschen, die in der Gesellschaft und auch im Gesundheitssektor die meiste Diskriminierung erfahren. Gleichzeitig sind sie die Gruppe, die am häufigsten im Diskurs unsichtbar bleiben und deren Bedürfnisse oft übersehen werden. Die mit am häufigsten auftretende Diskriminierung trat nach einer Umfrage von der Antidiskriminierungsstelle StandUp der Schwulenberatung Berlin im Zusammenhang von sexueller und geschlechtlicher Identität auf. So gaben 30% der Teilnehmenden an, auch sexistisch bzw. aufgrund einer nicht-binären Identität (33%) Diskriminierung erlebt zu haben. Bei inter*Personen kommt hinzu, dass eine bedeutende Anzahl von ihnen insbesondere menschenrechtsverletzende Eingriffe an ihren intergeschlechtlichen Körpern im Kindesalter (ohne Einwilligung oder Zustimmung) erlebt haben und der dadurch erfahrene Vertrauensbruch in alle Lebensphasen fortdauert.
Die Sensibilität für TINA*Personen im Gesundheitssystem beginnt schon bei der Terminvergabe, der Einrichtung von Praxen und Wartezimmern oder der Gestaltung von Anmeldungen und Anamnesebögen. Häufig kann bei der Terminvergabe und in Anamnesebögen nur zwischen zwei Geschlechtern gewählt werden. Obwohl der Beschluss zur sog. „Dritten Option“ schon viele Jahre zurückliegt, wurden die Strukturen vielerorts immer noch nicht angepasst und häufig ist nicht einmal die Auswahl „divers“ möglich, geschweige denn die Möglichkeit gegeben, eine individuelle Angabe zu machen. Besonders im Bereich der Gynäkologie kommt es zudem zu erheblichen Problemen, bspw. in der Terminvergabe, wo männlich gelesene Personen (männlich präsentierend, stimmlich, namentlich etc.) oft bereits an der Anmeldung und Terminvereinbarung scheitern, weil dort keine Sensibilität für TINA*Personen und ihre medizinischen Bedarfe herrscht, wodurch ihnen in der Folge Termine verweigert werden aus der fälschlichen Annahme heraus, sie bräuchten keine gynäkologische Versorgung bzw. hätten in „Frauenräumen“ nichts zu suchen. Auch Wartezimmer sollten in der Ausgestaltung geschlechtsneutral sein, stattdessen sind sie jedoch häufig mit Abbildungen cis-weiblicher (z.B. Gynäkologie) oder cis-männlicher (z.B. Prostata-Zentren) Personen dekoriert.
Viele TINA*Personen werden oft mit Fragen konfrontiert, die nichts mit dem Gesundheitsbild zu tun haben und unnötig weitreichend und übergriffig sind, außerdem erleben sie regelmäßig Misgendering, also die falsche Verwendung von Pronomen bzw. die Ansprache mit einem nicht zutreffenden Geschlecht. TINA*Personen sind darüber hinaus besonders oft, auch im Vergleich zu anderen queeren Menschen, von Pathologisierung betroffen, sowohl in Verbindung mit ihrer Identität als TINA* als auch im Zusammenhang mit medizinischen Anliegen, welche nichts mit ihrer Identität zu tun haben, aber anlasslos auf diese als Ursache zurückgeführt werden. Dadurch werden TINA*Personen in gesundheitlichen Bedarfen vermehrt nicht ernstgenommen.
Im Bereich der TINA*Gesundheitsversorgung bestehen erhebliche Wissens- und Versorgungslücken. Nicht-binäre Menschen, die geschlechtsangleichende Anpassungen in Anspruch nehmen möchten, können dies ausschließlich eigenfinanziert tun, da die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen, wenn sich nicht umgehend einem spezifischen Geschlecht zugeordnet wird. Eine Gesundheitsversorgung, die ausschließlich bzw. fast ausschließlich auf cisgeschlechtliche, weiße und heterosexuelle Körper ausgerichtet ist, vernachlässigt eine adäquate Gesundheitsversorgung für alle! Die medizinische Versorgung von TINA*Personen erfordert jedoch auch eine Auseinandersetzung mit von dieser „Norm“ abweichenden Körpern, um diesen die gesundheitliche und pflegerische Versorgung zukommen zu lassen, die sie brauchen. Gerade für die Frage guter Pflege ist es jedoch essenziell zu lernen und zu verstehen, wie diese Körper gepflegt werden können und müssen. Es braucht zudem Ärzt*innen, z.B. Gynäkolog*innen, die sich mit geschlechtsangleichenden Operationen und Körpern, die solche durchlaufen haben, auskennen, bspw. hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung von Personen mit Neo-Vagina. Auch Themen im Kontext von Hormontherapien und den Auswirkungen auf Körper sollten medizinischem Fachpersonal vertraut sein, bspw. Brustwachstum durch Hormone, Tumorvorsorge und weitere. Operationen und Hormonbehandlungen müssen zudem durch Ärzt*innen adäquat und sensibel begleitet werden können. Biologisch weibliche Personen, die Östrogenblocker einnehmen brauchen z.B. besondere medizinische Versorgung, da der Östrogenmangel zu Trockenheit und Vaginose führen kann. Auch andere medizinische Probleme können auftreten, auf die Ärzt*innen professionell und informiert reagieren können müssen. Auch bei der Mamographie stoßen TINA*Personen auf Hürden, weil für diese Untersuchung/ Vorsorge nur Menschen angeschrieben werden, die als „weiblich“ registriert sind. Nicht alle Menschen, die einen gesundheitlichen Bedarf an dieser Untersuchung haben identifizieren sich jedoch als „weiblich“ und nicht alle Menschen, die Brüste haben, sind auch als „weiblich“ registriert. Umgekehrt identifizieren sich nicht alle Personen, die als „weiblich“ registriert sind als solches oder haben Brüste und daher keinen Bedarf an einer entsprechenden Untersuchung. Dieses Vorgehen bringt gleich mehrere Zugangsbeschränkungen und Diskriminierungen mit sich. Einerseits handelt es sich um Misgendering, da alle angeschriebenen Personen als „Frauen“ angeschrieben werden, andererseits werden nicht alle Personen erreicht, die dieses Angebot brauchen würden, dadurch findet keine ausreichende Gesundheitsversorgung statt. Ähnlich sehen die Praxis und Kontaktaufnahme z.B. bei der Durchführung von Pap-Abstrichen aus, welche alle Menschen mit Cervix machen lassen sollten. Hier braucht es zwingend Lösungen, um alle Menschen zu erreichen, die einen Bedarf an einer entsprechenden Gesundheitsversorgung haben, auch solche, die selbstmedikamentiert sind, damit diese nicht durchs Raster fallen und entsprechende Erkrankungen durch Vorsorge frühzeitig entdeckt werden können. Die Gesundheitsversorgung von TINA*Personen sowie die Inanspruchnahme notwendiger Vorsorgeuntersuchungen und der Zugang zu solchen müssen Teil von Aufklärungskampagnen sein. Es müssen Lösungen für die Kontaktaufnahme und das Erreichen dieser Personengruppe erarbeitet werden. Zudem braucht es Handlungsempfehlungen und eine bessere Daten- und Studienlage zum Umgang mit TINA*Personen in der Gesundheitsversorgung.
Die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung, des Senats, des Bundestags, des Abgeordnetenhauses, der Bezirksämter und Bezirksverordnetenversammlungen werden daher aufgefordert, sich für die folgenden Maßnahmen einzusetzen:
- Die Einbindung der Gesundheitsbedarfe von TINA*Personen in Aufklärungskampagnen
- Die Einbindung der Gesundheitsbedarfe von TINA*Personen in Behandlungsempfehlungen
- Die Verbesserung der Studien- und Datenlage zu TINA*Gesundheit
- Die Anpassung von Anamnesebögen sowie Terminvergabesystemen und eine Überwindung der geschlechtlichen Binarität in der Ansprache durch Gesundheitseinrichtungen
- Die geschlechtsneutrale Gestaltung von Warteräumen öffentlicher Gesundheitsinstitutionen
- Die Auseinandersetzung mit diversen Körperbildern in Studium, Aus- und Weiterbildung
- Der Herausgabe von Empfehlungen zu TINA*sensibler Gesundheitsversorgung z.B. für den medizinischen Privatsektor
- Den Aufbau von queeren Gesundheitszentren in Berlin zur besseren Information und vernetzten Gesundheitsversorgung von queeren Menschen sowie Förderung bestehender Initiativen, wie „Casa Kuà“
3: Notwendige Veränderungen in Bezirken, Land und Bund
Die aufgelisteten Punkte sind ohne eine grundsätzliche Strukturreform auf Bezirks-, Landes- und insbesondere Bundesebene nicht realisierbar. Die wichtige intersektionale Sensibiliserung in den Berufszweigen für die Bedürfnisse queerer Menschen muss begleitet werden von einer stärkeren materiellen Ressourcenausstattung (z.B. mehr Einrichtungen, mehr sensibilisiertes Personal). Die Unterschiede zwischen Stadt und Land, Ost und West sowie zwischen Stadtstaaten und großen Flächenbundesländern müssen hinsichtlich der Verfügbarkeit von Ärzt*innen und Ausbildungsplätzen bedarfsgerecht angepasst und Defizite ausgeglichen werden. Die derzeitige rechtliche Situation, insbesondere auf Bundes- und Landesebene, verhindert aber genau das.
Wir fordern deswegen die Schlüsselverteilung auf Bundesebene zur Niederlassung von Ärzt*innen zu ändern, sodass für Berlin nicht der Versorgungsgrad eines Gesamtbundeslandes (gerechnet auf 100 %) als Berechnungsgrundlage genommen wird, sondern die Berechnungsgrundlage auf die lebensweltlich orientierten Planungsräume (LOR) umgestellt wird. Damit soll der ungleichen Verteilung von Ärzt*innen und dem materiellen Mangel an Ausbildungsplätzen im gesundheitlichen Bereich in den Berliner Bezirken und somit der strukturellen Unterversorgung bestimmter LORs, insbesondere in den Außenbezirken von Berlin, entgegengewirkt werden.
Auf Bundesebene muss zudem die gesetzliche Lücke bei nicht-binären Personen, die geschlechtsangleichende Anpassungen vornehmen wollen, geschlossen werden. Derzeit übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen hierfür keine Kosten, wenn sich eine Person nicht sofort einem Geschlecht zuordnen will. Entsprechend ist eine gesetzliche Anpassung hier also zwingend notwendig, damit nicht-binäre Menschen unabhängig von ihrer monetären Situation Zugang zu für sie elementaren Behandlungen haben.
Pflegepolitisch müssen Diversitätsaspekte stärker in der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung berücksichtigt werden, etwa in Modellvorhaben nach Paragraf 8 Absatz 3 Sozialgesetzbuch XI, was bislang nur wenig erfolgt.
Auf Landesebene muss an verschiedenen Stellschrauben, insbesondere bei den zuständigen Senatsverwaltungen, gedreht werden, um die materielle, infrastrukturelle wie auch bildungstechnische Ausstattung weiter zu verbessern:
Die Pflegekammer muss endlich kommen. Berlin hat einen Errichtungsbeschluss, dieser wird aber seit 10 Jahren vertagt.
Wir fordern die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege auf die bereits zur Verfügung stehenden gesundheitlichen Einzelmaßnahmen und Konzepte zur Gesundheit von und für queere Menschen besser zu bündeln und diese über ein Informationsportal niederschwellig interessierten Menschen zur Verfügung zu stellen. Zudem sollen auf diesem Informationsportal medizinische und pflegende Einrichtungen sowie Ärzt*innen aufgelistet werden, die queersensibel sind. Zum Zweck der Zusammenstellung und Aktualisierung einer entsprechenden Sammlung könnten Kooperationen mit existenten Initiativen in Erwägung gezogen werden (z.B. QueerMed, QueerPflege). Das Informationsportal sollte zudem um eine Übersicht zu weiteren Beratungs- und Anlaufstellen und Portalen erweitert werden, welche im Bereich diskriminierungs- und diversitätssensibler Gesundheitsversorgung angesiedelt sind bzw. Expertise aufweisen. Die Übersichtsseite sollte ähnlich zur Seite der Senatsverwaltung Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung zu den queeren Beratungsangeboten oder in Anlehnung an die Website „queere-jugend-berlin“ gestaltet werden.
Ferner soll die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege sich stärker an bereits bestehenden Maßnahmen orientieren. So enthält der Maßnahmenkatalog der Leitlinien der Senior*innenpolitik von 2021 einen Abschnitt zu LSBTIQ+. In diesem geht es u.a. um die Qualifizierung ambulanter und stationärer Pflege und Altenhilfe zum Thema LSBTIQ+ und das bedarfsgerechte Arbeiten. Die Ergebnisse der Prüfung der Möglichkeiten sollten laut Maßnahmenkatalog bis Ende 2024 vorliegen und könnten entsprechend niederschwellig in die eigene landesweite Strategie eingebunden werden.
Zudem muss ein umfassendes Qualifizierungsprogramm zu Diversitätssensibilität in der Pflege durchgeführt werden. Ursache ist die Erkenntnis, dass Einrichtungen der Altenhilfe und Pflege nach wie vor nicht ausreichend auf die spezifischen Bedarfe von LSBTIQ+ ausgerichtet sind. Die Qualifizierung soll Zugänglichkeit und Selbstbestimmung für ältere queere Menschen fördern. Hierzu kann bspw. das Angebot der Schwulenberatung genutzt werden.
Von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen soll zudem eine landesweite Strategie entwickelt werden, um insbesondere für queere Menschen im Alter Wohnmöglichkeiten in landeseigenen Einheiten zu schaffen, in welchen sie diskriminierungsfrei leben und gesundheitlich versorgt werden können. Rechtliche Lücken (z.B. Diskriminierungsverbot bei Platzvergaben) müssen dabei von Seiten der Senatsverwaltung explizit angegangen und im Austausch mit den in diesem Feld bereits etablierten Akteur*innen (z.B. Lebensort Vielfalt) geschlossen werden.
All diese Maßnahmen (Infoportale, Qualifizierungs- und Wohnprogramme etc.) sollen von den Senatsverwaltungen übergreifend mit einer Werbekampagne speziell für die queere Community begleitet werden, im Zuge derer in Zusammenarbeit mit den Bezirken auch explizit Angebote zu Alter und Pflege für queere Menschen in Freizeit und Selbsthilfe geschaffen werden.
Wir fordern darüber hinaus den Erhalt und eine flächendeckendere Versorgung mit queersensiblen Apotheken im Berliner Gesamtraum. Diese sind nicht nur infrastrukturell in den Bezirken wichtig, wo Ballungsräume der queeren Community zu verorten sind und so bestimmte Ressourcen (z.B. spezifische Medikamente, STI-Tests) mehr nachgefragt werden, sondern es ist eine gesamtstädtische und wohnortnahe Versorgung notwendig, da queere Menschen oft einen höheren Beratungsbedarf zu Medikationen und z.B. Wechselwirkungen, Hormonbehandlung, insbesondere für TINA*Personen haben. Deswegen sollen auch in diesem Gesundheitsbereich die Vermittlung queersensibler Inhalte verpflichtend in Ausbildung und Studium verankert werden. In der Übergangszeit, wo noch keine flächendeckende Versorgung erreicht werden kann, soll ein Register erstellt werden, in welchem entsprechend queersensible Apotheken und Anlaufstellen aufgelistet sind.
Wir fordern den Erhalt und die Weiterfinanzierung queerer Gesundheitsinitiativen und -programme, sowie Beratungs- und Informationsstellen, bspw. der Schwulenberatung oder des Chechpoints BLN. Es darf keine Kürzungen im unterversorgten Bereich der queeren Gesundheit geben!
Auf Bezirksebene ist der Austausch mit der queeren Community vor Ort für eine Verbesserung der Gesundheitssituation essenziell, darf aber nicht einseitig sein. Leider geht die Kontaktaufnahme bisher häufig nur von der queeren Community selbst aus. Wir fordern deswegen die queerbeauftragten Personen sowie die entsprechend verantwortlichen Referate und Stadträt*innen in den Berliner Bezirksämtern auf, aktiver auf die Community zuzugehen und in einen lebendigen Austausch über Bedarfe zu treten. Die zuständigen Personen in den Bezirksämtern sollen ergänzend den Austausch mit Einrichtungen und Orten suchen, welche Raum für queersensible Angebote (z.B. (Jugend-)Freizeitstätten, Senior*innentreffen, AWO-Begegnungsstätten) bieten, diese aufsuchen und in Erfahrung bringen, was vor Ort benötigt wird, um bestehende Angebote zu unterstützen oder mangelnde Angebote aufzubauen. Wir fordern, dass dieser Prozess durch die Bezirke mit einer dezidierten Bewerbungskampagne über die jeweiligen existierenden Angebote begleitet wird. So können Strukturen, etwa in den Freizeitstätten, nicht nur verändert und sicherer gemacht werden, sondern dies stärkt gleichzeitig die queere Community, diese Räume auch explizit aufzusuchen und Angebote anzunehmen.
Zudem muss bei den bezirklich betriebenen Programmen (Besuchsdienste, amtliche medizinische Untersuchungen, medizinische Untersuchungen zur Einschulung, aufsuchende Sozialarbeit usw.) auf Queersensibilität geachtet werden. Notwendige Weiterbildungsprogramme sind bei Bedarf durchzuführen.
Die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung, des Senats, des Bundestags, des Abgeordnetenhauses, der Bezirksämter und Bezirksverordnetenversammlungen werden daher aufgefordert, sich für die folgenden Maßnahmen einzusetzen:
- Die Änderung der Schlüsselverteilung auf Bundesebene zur Niederlassung von Ärzt*innen, sodass für Berlin nicht der Versorgungsgrad eines Gesamtbundeslandes (gerechnet auf 100 %) als Berechnungsgrundlage genommen wird, sondern die Berechnungsgrundlage auf die lebensweltlich orientierten Planungsräume (LOR) umgestellt wird und die Ausweitung der Kassensitze
- Die Übernahme aller geschlechtsangleichenden Anpassungen durch die gesetzlichen Krankenkassen unabhängig vom Geschlecht
- Die Berücksichtigung von Diversitätsaspekten in der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung
- Die Einführung einer Pflegekammer und einen entsprechenden Errichtungsbeschluss
- Die Bündelung von bereits existenten Gesundheitsmaßnahmen im Bereich queerer Gesundheitsversorgung, sowie die Bündelung und niedrigschwellige Zurverfügungstellung von Informationen zu existenten Maßnahmen und Konzepten.
- Einrichtung eines Informationsportals zu Anlaufstellen und queersensiblen Ärzt*innen auf den Seiten der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege, soweit eine Veröffentlichung unter Einhaltung des Informationsschutzes ausschließlich erfolgt, wenn dies von den betreffenden Anlaufstellen und Ärzt*innen gewünscht ist und ausschließlich auf freiwilliger Basis erfolgt.
- Die Umsetzung der Abschnitte zu queerer Versorgung bestehender Konzepte und Maßnahmen, bspw. des Maßnahmenkatalogs zu den Leitlinien der Berliner Senior*innenpolitik, des Berliner LSBTIQ+Aktionsplans und der Landesstrategie Queere Sicherheit
- Die Durchführung eines umfassenden Qualifizierungsprogramms zu Diversitätssensibilität in der Pflege
- Die Entwicklung und Umsetzung einer landesweiten Strategie durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen zur Schaffung queeren Wohnraums, insbesondere für queere Menschen im Alter, in landeseigenen Einheiten und die Beseitigung etwaiger rechtlicher Hindernisse bzw. Regelungslücken in Zusammenarbeit mit den Queerverbänden
- Die Schaffung von Angeboten der Queeren Selbsthilfe in den Bezirken, insbesondere für ältere queere Menschen
- Den Erhalt und eine flächendeckendere Versorgung mit queersensiblen Apotheken im Berliner Gesamtraum
- Die Erstellung eines Registers mit Standorten queersensibler Apotheken und Anlaufstellen, soweit eine Veröffentlichung unter Einhaltung des Informationsschutzes ausschließlich erfolgt, wenn dies von den betreffenden Anlaufstellen und Apotheken gewünscht ist und ausschließlich auf freiwilliger Basis erfolgt.
- Den Austausch der zuständigen Bezirksämter und bezirklichen Queerbeauftragten mit der queeren Community vor Ort zu gesundheitlichen Bedarfen, sowie die Kontaktaufnahme mit bezirklichen Einrichtungen zur Angebotsstruktur.
- Bezirkliche Informationskampagnen zu vorhandenen Angeboten im bezirklichen Wohnumfeld
- Die queersensible Durchführung bezirklicher Programme und Angebote, bspw. Besuchsdienste und amtlicher medizinischer Untersuchungen, und die Durchführung von diversitäts- und diskriminierungssensiblen Weiterbildungen, falls erforderlich
- Keine Kürzungen bei queerer Gesundheit! Queere Gesundheitsinitiativen und -programme, sowie Beratungs- und Informationsstellen müssen erhalten, weiterfinanziert und perspektivisch ausgebaut werden
4: Ausbildung und Standardisierung
Um das Gesundheitssystem nachhaltig zu ändern und langfristig Diskriminierung abzubauen, reicht es nicht, Maßnahmen für den Umgang mit queeren Menschen in Einrichtungen zu verankern. Das Berufsethos sollte inklusiv sein, viele queere Menschen erfahren dennoch Diskriminierung im Gesundheitssystem, Gesundheit sollte jedoch über alle Bereiche hinweg flächendeckend und geschlechtsübergreifend gedacht werden. Es muss ein konsequentes Um- und Neudenken hinsichtlich queerer Gesundheitsversorgung geben. Dies beginnt schon bei Ausbildung und Studium.
Medizinische und therapeutische Lehrbücher bilden leider häufig weiße, cis-heteronormative, normschlanke, nicht behinderte Körper ab. Dieses Bild hat die Lehre über Jahrzehnte dominiert und unser Gesundheitssystem sowie den Umgang mit Patient*innen auf lange Zeit geprägt. Das führt zu Missständen und Unterschieden in der Versorgung. Hier sind Weiterbildungsprogramme notwendig, um die fehlenden Aspekte von Ausbildung und Studium auszugleichen und bereits praktizierende Personen zu sensibilisieren. Daher ist es notwendig verpflichtende Fortbildungen für bereits im Gesundheitssektor tätige Personen durchzuführen, wobei in regelmäßigen Abständen eine pflichtgemäße Auffrischung des Kenntnisstandes im Rahmen einer Weiterbildung bspw. alle 5 Jahre erfolgen soll oder auf freiwillige Nachfrage auch zwischen den vorgeschriebenen Zeiträumen. Dabei müssen etwaige Fortbildungskosten vollumfänglich durch die Arbeitgebenden, nicht durch die Beschäftigten, getragen werden. Bei Bedarf sollen die Arbeitgebenden die Möglichkeit bekommen, beim Land Beihilfen für die Gegenfinanzierung der Fortbildungen zu beantragen. Auch das nicht-medizinische Personal muss im diversitätssensiblen Umgang mit Patient*innen geschult werden und Zugang zu Fortbildungsangeboten erhalten, mindestens in den Bereichen, die viel Patient*innenkontakt haben. Um einen Anreiz zu schaffen, damit z.B. private Praxen und Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen offen für Fortbildungen zu queerer bzw. diversitäts- und diskriminierungssensibler Gesundheitsversorgung sind, wäre es möglich, dass diese bei erfolgreich absolvierter Fortbildung bspw. nach Schlüssel für ihre Leistungen mehr abrechnen dürfen, um so das Engagement für eine bedarfsgerechte Versorgung für alle Menschen zu belohnen.
Menschen, die im Gesundheitssektor arbeiten, sollten bereits vor Berufsantritt ein Verständnis für eine integrative und diverse Gesundheitsversorgung entwickeln. Dazu ist es notwendig, Themen von Diversität und Diskriminierung intersektional in medizinischen, therapeutischen und pharmazeutischen Ausbildungs- und Studiengängen zu implementieren. Dazu gehört auch die Sensibilisierung und der Abbau von Vorurteilen im Umgang mit queeren Menschen, nicht-cis-heteronormativen Körpern und Krankheitsbildern bspw. HIV. Um eine höhere Sensibilität zu fördern, ist es notwendig, die adäquate Behandlung queerer Menschen systematisch in die Lehre einzubinden und curricular festzuschreiben. Zudem sollten entsprechende Inhalte in die Logbücher der Fachärzt*innen aufgenommen werden, dafür muss die Liste um ein Log erweitert werden, damit Menschen in der Fachärzt*innenausbildung bspw. in der Gynäkologie queergynäkologische Behandlungen durchgeführt haben müssen.
Um Hürden abzubauen und das Vertrauen queerer Menschen in das Gesundheitssystem zu stärken, ist es zudem notwendig, alltägliche Diskriminierungen abzubauen. Scheinbare Kleinigkeiten können hierbei bereits einen merkbaren Unterschied machen und das Vertrauen queerer Menschen stärken. Hierzu gehört es u.a., Formulare und Anamnesebögen anzupassen, die eigene Website diversitätssensibel zu gestalten, indem z.B. auf die Verwendung bestimmter Bilder geachtet bzw. verzichtet wird, oder die eigene Praxis barrierearm einzurichten, um bereits die Ansprache offen zu gestalten und queeren Menschen ein Gefühl der Sicherheit in Gesundheitseinrichtungen zu geben. Ein respektvoller Umgang fördert das Vertrauen zwischen Patient*innen, Ärzt*innen und Therapeut*innen. Patient*innen fühlen sich ernst genommen, sind eher bereit, Bedenken und Informationen offen mitzuteilen und sich anzuvertrauen, was enorm wichtig für eine präzise Diagnosestellung und Behandlung ist. Hierbei kann auch das verpflichtende Tragen eines Namensschilds inklusive der Pronomen der Person helfen. Das erleichtert sowohl Patient*innen als auch queeren Mitarbeiter*innen die Ansprache. Ein diskriminierungssensibler Umgang in der medizinischen Praxis ermöglicht eine angemessene und bedarfsgerechte Versorgung für alle und kann dazu beitragen, Barrieren abzubauen und den Zugang zu Gesundheitsleistungen zu verbessern.
Um strukturelle Diskriminierung abzubauen und flächendeckend diskriminierungs- und diversitätssensible Strukturen zu schaffen, ist es notwendig, einheitliche Standards für öffentliche Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser einzuführen. Dies kann zum Beispiel im Rahmen eines landeseigenen oder existierenden Zertifizierungsprogramms für Diversitätssensibilität erfolgen. Zudem müssen Leitfäden im Umgang mit queeren Menschen erstellt werden. Mögliche Maßnahmen könnten die Festschreibung von Diversitätssensibilität im Rahmen von Qualitätshandbüchern, die Einrichtung einer Stelle als Diversitätsbeauftragte bzw. -manager*in, die Erstellung eines Leitbilds zum Thema Diversitätssensibilität, die Einrichtung eines Beschwerdemanagements, die Schaffung von Vertrauenspersonen, die Umsetzung gendersensibler Sprache (auch um Misgendering auszuschließen), die Umsetzung diversitätssensibler Aufnahme- und Anamnesebögen, die Einführung eines Verhaltenskodex oder diversitätsbezogene Weiterbildungskonzepte sein. Die Kriterien des Diversity Checks der Schwulenberatung könnten bei der Festlegung einheitlicher Standards könnte bspw. mit der Schwulenberatung kooperiert werden, welche im Rahmen des Programms „Lebensort Vielfalt“ bereits Kriterien für einen Diversity Check erarbeitet haben. Die Erarbeitung der Standards muss in Zusammenarbeit mit Expert*innen, queeren Organisationen, Vereinen, Verbänden und Initiativen und der queeren Community entwickelt werden.
Es müssen klare und niedrigschwellig zugängliche und erreichbare Beschwerdewege und Anlaufstellen im Falle von Diskriminierungen geschaffen werden. Zudem braucht es Vorgaben, welche Maßnahmen bei vorgefallenen Diskriminierungen ergriffen werden und welche möglichen Sanktionen eintreten.
Die Einrichtung bzw. der Ausbau von queeren Netzwerken, z.B. Queer Staff Networks, an Gesundheitseinrichtungen soll unterstützt und den Beteiligten der Zugang zu Weiterbildungsprogrammen ermöglicht werden.
Die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung, des Senats, des Bundestags, des Abgeordnetenhauses, der Bezirksämter und Bezirksverordnetenversammlungen werden daher aufgefordert, sich für die folgenden Maßnahmen einzusetzen:
- Die Aufnahme von Themen queerer Gesundheitsversorgung und Sensibilisierung hinsichtlich queergesundheitlicher Bedarfe in die Lehrpläne bzw. Studien- und Prüfungsordnungen gesundheitsbezogener Ausbildungs- und Studiengänge.
- Die Behandlung spezifischer Themen queeren Lebens in der Facharztausbildung
- Die verpflichtende Fortbildung bereits im Gesundheitssektor tätigen medizinischen und nicht-medizinischen Personals zu diversitätssensibler Gesundheitsversorgung, wobei in regelmäßigen Abständen eine pflichtgemäße Auffrischung des Kenntnisstandes im Rahmen einer Weiterbildung bspw. alle 5 Jahre erfolgen soll oder auf freiwillige Nachfrage auch zwischen den vorgeschriebenen Zeiträumen. Dabei müssen etwaige Fortbildungskosten vollumfänglich durch die Arbeitgebenden, nicht durch die Beschäftigten, getragen werden. Fortbildungen zu queersensibler Gesundheitsversorgung sollen nicht allein aus Kosten- und Zeitgründen abgelehnt werden können. Bei Bedarf sollen die Arbeitgebenden die Möglichkeit bekommen, beim Land Beihilfen für die Gegenfinanzierung der Fortbildungen zu beantragen.
- Die Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen für medizinisches Fachpersonal, um die Bedarfslücken auszugleichen
- Die Erstellung von Aufklärungs- und Informationsmaterial zu queerer Gesundheit für medizinisches Fachpersonal
- Die curriculare Festschreibung queermedizinischer Lehrinhalte in medizinischen, therapeutischen und pharmazeutischen Ausbildungs- und Studiengängen
- Die Erweiterung der Logbücher der Fachärzt*innenausbildung um ein Log zu queermedizinischer Behandlung
- Die Entwicklung, Bewerbung und Empfehlung von diversitätssensiblen Anamnesebögen und Leitfäden zum diversitätssensiblen Umgang mit Patient*innen – zur Orientierung können hierbei bspw. die Empfehlungen von Queermed Deutschland genutzt werden.
- Die Erarbeitung und Umsetzung diversitäts- und diskriminierungssensibler Standards für öffentliche Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser in Zusammenarbeit mit Vereinen und Verbänden der queeren Community
- Die Schaffung von weisungsungebundenen Queer- und Diversitätsbeauftragten an öffentlichen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, z.B. allen landeseigenen Krankenhauseinrichtungen. Die Stelle könnte angelehnt an die der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten geschaffen werden.
- Die Erarbeitung von Leitfäden zum Umgang mit queeren Menschen im Gesundheitswesen
- Die Etablierung von klaren und niedrigschwelligen Beschwerdewegen
- Die Unterstützung queerer Netzwerke
5: Verbesserungen im Versorgungssystem
Die Sicherung queerer Gesundheitsversorgung betrifft weitreichende Bereiche unseres alltäglichen Lebens. Um queere Menschen langfristig gesundheitlich zu unterstützen, ist es nicht nur notwendig, Einrichtungen zu sensibilisieren, berufliche Standards zu etablieren und Gesetze zu ändern, es erfordert auch den Erhalt bereits geschaffener und genutzter Strukturen, den Zugang zu Medikamenten und die Berücksichtigung sozioökonomischer Faktoren.
Die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung, des Senats, des Bundestags, des Abgeordnetenhauses, der Bezirksämter und Bezirksverordnetenversammlungen werden daher aufgefordert, sich für die folgenden Maßnahmen einzusetzen:
- Die Versorgung mit PrEP-Medikamenten, Medikamenten der HIV-Behandlung und weiterer muss auch weiterhin, trotz Lieferengpässen, sichergestellt sein. Die Versorgung von Ärzt*innen und Patient*innen mit PrEP-Medikamenten ist gewährleisten. PrEP-Medikamente müssen für alle Patient*innen zugänglich und kostenlos sein.
- Die Durchführung von STI-Tests muss nicht nur durch Fachärzt*innen und designierte Teststellen, sondern z.B. auch Hausärzt*innen möglich sein, um eine breite Zugänglichkeit zu gewährleisten und dem zahlenmäßigen Bedarf gerecht zu werden. Die Notwendigkeit für ein erweitertes Angebot wird schon allein durch die neue Gesetzesregelung geschaffen, die es vorsieht, dass vor dem Aufsuchen von Fachärzt*innen zunächst Hausärzt*innen aufgesucht werden müssen. Dies kann im Zweifel eine dringend notwendige Testung verzögern, obwohl schnelles Handeln von Nöten ist.
- Den Ausbau von STI-Teststellen und die Ausweitung des Angebots
- Die Versorgung mit ausreichend diversitätssensiblen Therapieplätzen ist sicherzustellen, dazu ist eine Ausweitung der Kapazitäten notwendig. Gerade für queere Menschen ist der rasche Zugang zu einem Therapieplatz essenziell, da sie vermehrt unter depressiven Episoden, Burn‑out, Angststörungen, chronischen Schlafproblemen und essgestörten Verhaltensweisen leiden sowie neurodivergent sind. Es braucht eine bessere Zugänglichkeit und höhere Verfügbarkeit von queersensiblen Therapieangeboten
- Die Schaffung mehr queerer Schutzräume in öffentlichen Einrichtungen
- Die Schaffung und Ausweitung des Angebots von gesundheitlichen Selbsthilfegruppen für queere Patient*innen und An- und Zugehörige (z.B. Queer und Demenz, Queer und Krebs usw.), sowie Vernetzungsgruppen und Beteiligungsformaten, um Informationen auszutauschen und sich zu vernetzen
- Die Schaffung zusätzlicher Beratungsmöglichkeiten zu queersensibler Pflege, Zugängen, Beschwerdewege usw.
- Queere Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben, sollten die Möglichkeit bekommen, auch weiterhin Kontakt zur Community zu haben. Hierzu sollen Konzepte entwickelt werden, bspw. Kooperationen mit Vereinen und Verbänden oder Besuchsdienste
- Das Mitdenken queerer Menschen bei Formaten, wie z.B. der „Woche der pflegenden Angehörigen“
- Die Schaffung niedrigschwelliger Angebote, z.B. in Nachbarschaftseinrichtungen, bspw. Freizeitgruppen zu queeren Themen, wie Outing bei älteren queeren Menschen, Unsicherheiten oder queeren Lebenswelten und -wegen. Durch die Schaffung vertrauensvoller Räume ist ein leichterer Übergang zu Beratungsgesprächen möglich, auch in medizinischen Fragen. Niedrigschwelligkeit und Teilhabe gehören zur Gesundheitsvorsorge dazu
- Informationen zu queerer Gesundheitsversorgung durch staatliche Institutionen und Versicherungsträger sind unzureichend, hier gibt es einen Informationsbedarf zu medizinischen Möglichkeiten, es braucht eine umfassendere Informationsbereitstellung
- Eine Aufklärungskampagne und die Erstellung entsprechenden Materials zu Übertragungswegen von HPV und anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen sowie Angebotsgespräche bspw. zu PrEP-Medikation. Dabei darf die Kampagne nicht nur auf queere Menschen Bezug nehmen, sondern soll allgemein zu sexueller Gesundheit informieren, um unzutreffende Stigmatisierungen nicht zu erhärten. Die Kampagne soll die Anerkennung des Themas „Sexuelle Gesundheit“ erhöhen und die Notwendigkeit der Vorsorge kenntlich machen
- Die Beseitigung ökonomischer Hürden in der Gesundheitsversorgung. Der Zugang zu medizinischen Leistungen darf nicht vom Geldbeutel abhängen! Oft verweigern Krankenkassen die Finanzierung medizinischer Leistungen queerer Menschen, da diese nicht abgedeckt sind oder als notwendig erachtet werden und die Unterstützung der Krankenkassen ist mangelhaft. Die Abrechnung in der Gynäkologie ist bspw. nur auf cis-Frauen ausgelegt, TINA*Personen haben somit häufig keinen Anspruch auf gynäkologische Leistungen. Viele Patient*innen können die privaten Rechnungen jedoch nicht begleichen und nehmen in der Konsequenz wichtige Untersuchungen nicht wahr, weil sie sie sich nicht leisten können. Auch STI- Tests sind bspw. bei den Kassenleistungen von der Leistungsübernahme oft ausgeschlossen, was u.a. mit der Stigmatisierung des Themas und der Annahme zusammenhängt, Betroffene seien selbst an ihrer Ansteckung Schuld. In der Folge müssen queere Menschen medizinische Untersuchungen und Hilfsmittel häufig selbst zahlen, was eine erhebliche finanzielle Belastung darstellt. Das muss aufhören, queere Gesundheit und der Zugang zu Behandlungen dürfen nicht an Krankenkassen scheitern! Viele Untersuchungen sind zudem übermäßig teuer. In anderen Ländern können Menschen sich bspw. jederzeit kostenlos auf STIs testen lassen. In Deutschland kostet die Testung eine nicht unermessliche Summe, die Privatrechnungen für einen einzigen Test sind oft 300€ hoch und höher. Es gibt kaum Anlaufstellen und die Anlaufstellen, die es gibt sind häufig auf homosexuelle cis-Männer ausgerichtet und nicht auf cis-Frauen oder andere queere Personengruppen. Hier muss es ein Umdenken geben! Gesundheitliche Vorsorge muss kostenfrei und für alle Menschen zugänglich sein! Gesundheitsbehandlungen und Untersuchungen sexueller Gesundheit müssen Kassenleistung sein!
Es braucht ein Um- und Neudenken queerer Gesundheitsversorgung – weil alle Menschen ein Recht auf ein gesundes Leben haben. Dafür setzen wir uns ein.
