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Antrag 59/II/2023 Keine Festung Europa - Das EU-Asylrecht darf nicht zum Nachteil der Schutzsuchenden geschwächt werden!

27.08.2023
  • Die Innenminister*innen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich am 08.06.2023 auf eine Verhandlungsposition zur Asylverfahrensverordnung (AsylVerf-VO) und zur Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement (AMM-VO) geeinigt. Sie wird die Grundlage für die Verhandlungen des Ratsvorsitzes mit dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission (Trilog) bilden, um das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) zu reformieren.
  • Die Verhandlungen des Rats der Europäischen Union für die Verordnung im Fall von Krisen, höherer Gewalt und Instrumentalisierung („Krisenverordnung“) finden darüber hinaus derzeit noch statt und sollen in den kommenden Wochen abgeschlossen werden.

 

 

  1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, der „Verordnung im Fall von Krisen, höherer Gewalt und Instrumentalisierung“ im Rat nicht zuzustimmen, sollten die im aktuellen Verordnungstext enthaltenen Abschwächungen der derzeitigen Standards für die Registrierung, Unterbringung und rechtliche Verfahren unter Berufung auf „Instrumentalisierung“, Krisen und „force majeure“ zum Zeitpunkt der Abstimmung nicht vollständig entfernt worden sein.
  2. Die SPD-Mitglieder der S&D-Fraktion im EU-Parlament werden aufgefordert, sich bei den Verhandlungen mit dem Rat für die Rechte schutzsuchender Menschen einzusetzen und jegliche Einigung abzulehnen, die diese Grundstandards missachtet. Dies muss insbesondere auch in Fällen von Krisen, höherer Gewalt (,force majeure‘‘) und Instrumentalisierung gelten.

 

 

Die Mitglieder der S&D-Fraktion im EU-Parlament sowie die Bundesregierung werden darüber hinaus aufgefordert, der GEAS-Reform nicht zuzustimmen, wenn die folgenden Bedingungen nicht gegeben sind:

 

  1. Einführung eines echten und effektiven Solidaritäts- und Verteilungsmechanismus für alle Asylsuchenden (nicht nur 30.000, wie aktuell vorgesehen) in der Europäischen Union als Nachfolge des Dublin-III-Verfahrens, welcher die Staaten an den EU-Außengrenzen, insb. die Mittelmeeranrainerstaaten, im Registrierungs- und Entscheidungsprozess nachhaltig finanziell und personell entlastet. Sollten einzelne Mitgliedsstaaten diesen Solidaritätsmechanismus nicht mittragen wollen, muss die Bundesregierung gemeinsam mit gewillten EU-Partnerstaaten vorangehen und ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ für die Registrierung, Aufnahme und Integration von Flüchtlingen anführen;
  2. Einführung eines echten Anreizsystems für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen in Form eines EU-Fonds aller Mitgliedsstaaten, welcher aufnahmewillige Staaten und Kommunen ausreichend finanziell unterstützt;
  3. Ein Ablassen von der derzeit geplanten Verwendung der Fiktion der Nicht-Einreise, welche die Rechtsposition der betroffenen weitere verschlechtert und die Schaffung von Haftlagern und Abschiebungen ohne rechtsstaatlich angemessene Verfahren unterstützt.
  4. Eine Ablehnung von Grenzverfahren ohne rechtstaatliche Einzelfallprüfung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, welche durch die Anerkennungsquote bezüglich eines bestimmten Herkunftslandes oder die auf der Flucht durchquerten Drittstaaten ausgelöst würden. Diese Kriterien dürfen nicht zu einem Maßstab erhoben werden, der über die faktische Inhaftierung von Betroffenen in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen entscheidet. Dieser willkürliche Maßstab verstößt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und ist vor dem Hintergrund der Menschenrechtsbetroffenheit bei haftähnlicher Behandlung ohne verpflichtenden Rechtsbeistand völlig ungeeignet;
  5. Eine Ausnahme von Familien mit minderjährigen Kindern von jeglicher Form von Grenzverfahren, wobei die Definition „Kind“ entsprechend der UN-Kinderrechtskonvention alle Minderjährigen unter 18 meint;
  6. Eine Garantie, dass Menschen mit besonderen Verfahrens- und Unterbringungsbedürfnissen (unter anderem Opfer von Folter, Betroffene von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt sowie des Menschenhandels, LGBTIQ+ und Schwangere) ebenfalls aus den Grenzverfahren ausgenommen werden sowie, dass alle EU-Mitgliedsstaaten kollektiv in den Ausbau adäquater psychologischer, medizinischer und rechtlicher Betreuungskapazitäten dieser Personengruppen investieren;
  7. Eine Garantie, dass die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrages von unbegleiteten Minderjährigen bei fehlenden Familienangehörigen, die sich rechtmäßig in einem EU-Mitgliedstaat aufhalten, bei dem Mitgliedsstaat liegt, in welchem dieser sich aufhält und seinen Antrag gestellt hat ;
  8. Eine Garantie, dass Zivilgesellschafts- und Menschenrechtsorganisationen, medizinisches, psychologisches und juristisches Personal vollumfänglichen Zugang zu Registrierungs- und Aufnahmezentren in allen EU-Mitgliedsstaaten haben. Auch Seenotrettungsorganisationen müssen ohne jegliche Behinderung in EU-Gewässern operieren können, ohne kriminalisiert zu werden. Darüber hinaus ist eine europäisch koordinierte und finanzierte Seenotrettung dringend erforderlich und geboten, um weiteres Sterben an den EU-Außengrenzen zu verhindern;
  9. Die tatsächliche verpflichtende Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren durch die EU-Kommission ohne jegliche „Übergangsphase“ nach Einführung der GEAS-Reform, um einen Rückstau an Verfahren zu verhindern;
  10. Ein Ablassen von den Versuchen, Rückführungsabkommen mit Drittstaaten zu schließen, welche die europäischen Abhängigkeiten von Autokratien befördern und somit dem Ziel der europäischen Souveränität entgegenlaufen. Eine Bestimmung eines ,,sicheren Drittstaates‘‘ durch einzelne Mitgliedstaaten darf nicht stattfinden.
  11. Eine völkerrechtskonforme und in Übereinstimmung mit dem Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP ausgestaltete GEAS-Reform.

 

Antrag 58/II/2023 Für eine parteiübergreifende Aufarbeitung der deutschen Russlandpolitik jetzt!

22.08.2023

Wie konnte es zu einer der größten deutschen außenpolitischen Fehleinschätzungen – der deutschen Russlandpolitik der letzten Jahrzehnte – kommen, die wir spätestens seit dem 24. Februar 2022 mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die gesamte Ukraine erlebt haben?

 

Die Mitglieder der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag werden aufgerufen, sich fraktionsübergreifend für eine unabhängige Enquete-Kommission aus Fachleuten einzusetzen, um die deutsche Russlandpolitik seit Beginn der Präsidentschaft Wladimir Putins im Jahr 1999 historisch und systematisch aufzuarbeiten. Im Kern geht es darum, Faktoren und Strukturen zu identifizieren, die zur gescheiterten deutschen Russlandpolitik beigetragen haben, um ähnliche strategische Fehler im Umgang mit autoritären Staaten, wie etwa der Volksrepublik China, in Zukunft zu vermeiden. Daher geht es unter anderem um folgende Fragen:

 

  • Wie konnte es zur sicherheitspolitischen Fehleinschätzung kommen, dass Russland unter Wladimir Putin keine direkte militärische Bedrohung für Deutschland und Europa darstellen würde? Wieso wurde ein Umdenken nicht spätestens ab dem Jahr 2014 mit der völkerrechtswidrigen russischen Annexion der Krim eingeleitet? Wieso gab es nie robuste Reaktionen auf Russlands Aggressionen gegenüber Deutschland und Europa (Cyberattacken, Spionage, Mordanschläge, Destabilisierungsversuche)?
  • Wie konnte es zu den energie- und wirtschaftspolitischen Abhängigkeiten – insbesondere durch russische Rohstoffimporte (Gas, Kohle, Öl) – kommen, ohne dass auf die Gefahren für Deutschland ausreichend Rücksicht genommen wurde? Wie konnte es dazu kommen, dass Deutschland sogar strategische Infrastruktur (z.B. Gasspeicher) an Russland verkauft hat? Warum wurden die Vorteile des wirtschaftlichen Austausches mit Russland lange überschätzt (“Wandel durch Handel bzw. Annäherung”)?
  • Wieso wurden die Warnungen unserer mittel- und osteuropäischer Partner – immerhin die eigentlichen Nachbarn Russlands – nicht ernst genommen? Wieso hat die zunehmende Autokratisierung, die damit einhergehende Unterdrückung und Verfolgung der demokratischen Opposition und Zivilgesellschaft, und die systematische Einschränkung der Menschenrechte in Russland nicht zu einem grundlegenden Umdenken der deutschen Russlandpolitik geführt?
  • Warum verfingen und verfangen noch immer viele russischen Desinformationskampagnen in bestimmten Teilen der deutschen Gesellschaft? Warum gelang es der russischen Regierung, ungestört pro-russische Netzwerke und gefährliche Abhängigkeiten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Deutschlands aufzubauen? Welche Rolle hat die deutsche Wirtschaft in der deutschen Russlandpolitik gespielt und inwiefern haben deutsche Unternehmen dazu beigetragen, Deutschland in gefährliche Abhängigkeiten zu treiben?
  • Warum haben wir auf Russlands wachsende schädliche Einflüsse im Globalen Süden keine strategischen Antworten gefunden?

 

Diese und weitere Aspekte müssen systematisch aufgearbeitet werden, um derartige katastrophale Fehler zukünftig zu vermeiden und weiteren Schaden vom Land und Europa insgesamt abzuwenden. Die Enquete-Kommission soll aktiv von allen relevanten Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern in ihrer Arbeit unterstützt werden und notwendige Dokumente aus den Ministerien erhalten.

 

Mit den Ergebnissen der Enquete-Kommission muss transparent umgegangen werden. Sie müssen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

 

Antrag 67/II/2023 Queer Refugees Welcome! Für eine Reform der Geflüchtetenpolitik

22.08.2023

Wir fordern eine grundlegende Reform der Geflüchtetenpolitik besonders mit Blick auf LSBTQIA*Geflüchtete. Hierzu sollen die SPD-Abgeordneten von Bund und Land sich für eine Reform der notwendigen Gesetze einsetzen, die folgende Maßnahmen enthält:

  1. 3 (1) 1. des Asylgesetzes soll um die “sexuelle Identität” und “Geschlechtsidentität” als Gründe der Flucht vor Verfolgung ergänzt werden. Mit der Aufnahme der sexuellen Identität und Geschlechtsidentität ins Asylgesetz wird die nationale Gesetzgebung an die Richtlinie 2011/95/EU angepasst, die diese Verfolgungsgründe bereits anerkennt.
  2. Für alle Mitarbeitenden von Ämtern, Behörden und Aufnahmeeinrichtungen sollen Sensibilisierungsprogramme zum Umgang mit LSBTQIA*-Geflüchteten verpflichtend angeboten werden. Diese Sensibilisierungsprogramme sollen in Zusammenarbeit mit entsprechenden zivilgesellschaftlichen Organisationen eingerichtet werden.
  3. Bundesweit soll ein behördenunabhängiges Asylberatungssystem eingerichtet werden. Die Beratungen sollen hierbei u.a. als Einzelgespräche zur Verfügung stehen. Darüber hinaus müssen die Beratungsangebote niedrigschwellig und flächendeckend angeboten werden und vor behördlichen Anhörungen wahrnehmbar sein. Die Einrichtung eines behördenunabhängigen Asylberatungssystems kommt der in Richtlinie 2013/33/EU festgeschriebenen Verpflichtung nach, Geflüchtete im Asylprozess über ihre Rechte und mögliche Rechtsberatungsstellen zu informieren. Dabei gewährleistet das Angebot von Einzelgesprächen, dass queere Menschen nicht vor Dritten ein Zwangsouting erleben müssen. Frühzeitige Beratungsangebote gewährleisten zudem, dass die Asylsuchenden rechtzeitig über die eigenen Rechte aufgeklärt werden.
  4. Sogenannte Ankerzentren werden abgeschafft und durch dezentrale Unterbringungen ersetzt.
  5. In allen Aufnahmeeinrichtungen muss Zugang zu rechtlicher, gesundheitlicher und psychologischer Betreuung für LSBTQIA*- Geflüchtete gewährleistet werden. Zudem müssen weitere Aufnahmeeinrichtungen speziell für LSBTQIA*-Geflüchtete geschaffen werden.
  6. Alle Kommunen werden insbesondere verpflichtet, Wohnraum für LSBTQIA*-Geflüchtete bereitzustellen. Ausreichende Mittel werden zentral zweckgebunden zur Verfügung gestellt. Hierbei soll in jedem Fall jeweils Gruppen- und Einzelunterbringung grundsätzlich gewährleistet sein. Diese Wohnungen werden entweder von Fachträger*innen der queeren Wohnhilfe oder der Queerarbeit verwaltet oder von explizit hierfür zu schulendem Fachpersonal kommunaler Trägerschaften. Der Gesetzgeber legt Fristen zur Einrichtung und ihrer Kontrolle fest, sodass die Nichterfüllung dieser Aufgabe durch die Kommunen verhindert werden kann. Eine Einrichtung zu Lasten expliziten Wohnens bspw. für junge Geflüchtete oder flüchtende Frauen* findet nicht statt.
  7. Abschiebungen dürfen nicht weiter durchgeführt werden. Abschiebungen sind ein inhumanes Mittel der Geflüchtetenpolitik, wodurch Menschen häufig in lebensbedrohliche Situationen gebracht werden. Da ein Verfolgungsgrund aufgrund der sexuellen Identität oder Geschlechtsidentität niemals ausgeschlossen werden kann, sind alle Abschiebungen abzulehnen.

 

Antrag 81/II/2023 Novellierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes: Effektiver Schutz vor Diskriminierung durch öffentliche Stellen des Bundes

22.08.2023

Die SPD-Fraktion im Bundestag und die SPD-Mitglieder in der Bundesregierung werden aufgefordert, bei der Novellierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) den Geltungsbereich des Gesetzes auf öffentliche Stellen des Bundes zu erweitern und die gesetzlich beschriebenen Diskriminierungsmerkmale zu modifizieren.

 

Konkret ist bei der Novelle (auch in Umsetzung der bisherigen Beschlussfassung der Berliner SPD) zu berücksichtigen:

  • der Anwendungsbereich des AGG wird auf Verwaltungshandeln der Bundesverwaltung, öffentlich-rechtlicher Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des Bundes, des Bundesrechnungshofs, der Bundesbeauftragten oder des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit und der Gerichte des Bundes erweitert
  • der Begriff „Rasse“ wird mit „rassistischer Zuschreibung“ ersetzt
  • ein Verbot von Diskriminierung aufgrund des „sozialen Status“ wird in das AGG aufgenommen

 

Antrag 77/II/2023 Herzsport in Vereinen stärken: Faire Abrechnungen durch die Krankenkassen ermöglichen

22.08.2023

Die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag und die SPD-Mitglieder in der Bundesregierung werden aufgefordert die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Abrechnungskataloge der Krankenkassen und alle weiteren Erstattungssysteme so anzupassen, dass Herzsportangebote, die durch Sportvereine durchgeführt werden, nicht nur nach Sitzung bezahlt werden, sondern zusätzlich auch die Kosten für eine Vereinsmitgliedschaft (für die Dauer der verschriebenen Inanspruchnahme des Herzsportangebots) erstattet werden. Die Abrechnung anderer Herzsportangebote, beispielsweise durch physiotherapeutische Praxen, bleibt hiervon unberührt.