Der Landesparteitag stimmt diese mit (Konsens) gekennzeichneten Anträge en bloc ab.
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Antrag 305/II/2019 Konsensliste
6.10.2019Der Landesparteitag stimmt diese mit (Konsens) gekennzeichneten Anträge en bloc ab.
Antrag 266/II/2019 Die Macht von Großinvestor*innen beschränken!
23.09.2019Die größten institutionellen Anleger*innen haben heutzutage ihre Finger in fast jedem Unternehmen im Spiel. Anleger*innen, welche einen so großen Einfluss auf verschiedene Unternehmen haben, besitzen eindeutig zu viel Marktmacht. Sie sind im Stande die Dinge so zu steuern, dass die Gewinne der Unternehmen auf Kosten der Konsument*innen, Arbeitnehmer*innen und Innovation ansteigen.
Institutionelle Anleger*innen sind Investor*innen, dessen Kapitalanlagen sehr hoch sind. Die größten Institutionellen Anleger*innen sind BlackRock, Vanguard, State Street und Fidelity. Solche Anleger*innen besitzen inzwischen 26% aller Unternehmensanteile in den USA. Mit 6,29 Billionen US-Dollar an verwaltetem Vermögen stellt BlackRock hierbei die größte unabhängige Vermögensverwalter*in der Welt dar. So ist BlackRock zum Beispiel auch bei 28 von 30 DAX Unternehmen Großaktionär*in. In absoluten Zahlen besitzen diese Investor*innen in den meisten Fällen zwar nie mehr als 6-7% eines Unternehmens. Da aber sehr viele Aktionär*innen ihren Einfluss auf das Unternehmen nicht ausüben, reichen solche Anteilsmengen schon aus, um sehr viel Macht auf das Unternehmen ausüben zu können. Es reicht allein aus, dass eine Investor*in zu den größten Einzelaktionär*innen gehört.
Betrachtet man eine einzelne Branche, hält diese kleine Gruppe von institutionellen Anleger*innen abwechselnd die größten Anteile an Unternehmen dieser Branche. Ein Beispiel bildet der US-Banken Sektor. Betrachtet man die größten Anteilseigner*innen der sechs größten US-Banken, fällt auf: BlackRock ist dreimal die größte, und dreimal die zweitgrößte Anteilseigner*in. Vanguard hingegen ist zum Beispiel bei drei dieser Banken, die zweitgrößte Einzelaktionär*in. Weiterhin finden sich die anderen Großinvestor*innen, wie State Street oder Fidelity alle samt unter den fünf größten Einzelaktionär*innen bei diesen Banken wieder. In deutschen Branchen sieht es sehr ähnlich aus.
Dadurch besitzen diese großen Anleger*innen viel zu viel Macht in diversen Branchen. Die institutionellen Anleger*innen haben ein Interesse daran, dass die Unternehmen eines Sektors möglichst viel Gewinn erzielen und die damit verbundene Ausschüttung am größten ist. Am größten werden diese Gewinne natürlich, wenn Unternehmen keinen Wettbewerb mehr untereinander führen und sie ihre Kosten senken. Dadurch werden die Preise für Konsument*innen erhöht, die Löhne für Arbeitnehmer*innen gesenkt und der Einfallsreichtum der Unternehmen gebremst. Investor*innen wie BlackRock nutzen ihre geballte Anteilsmacht um die verschiedenen Unternehmen einer Branche für ihre Ziele einzuspannen.
Es ist zwingend notwendig, die Macht dieser institutionellen Anleger*innen aufzubrechen.
Forderungen:
Wir fordern, dass institutionelle Anleger*innen pro Branche entweder:
1. einen Anteil von mehr als 1% an einem einzigen Unternehmen halten dürfen, in welchem Fall sie aber keine Anteile an anderen Unternehmen derselben Branche halten dürfen
oder
2. an mehreren Unternehmen Anteile halten dürfen, in welchem Fall sie jedoch nicht mehr als 1% aller Anteile eines Unternehmens halten dürfen.
Für institutionelle Anleger*innen welche nur stille Aktionär*innen sind, dass bedeutet sie machen von ihren Mitbestimmungsrechten keinen Gebrauch, ändert sich nichts.
Wir fordern außerdem, dass Sanktionen gefunden werden, welche bei Nichteinhalten dieser Regeln verhängt werden können.
Antrag 264/II/2019 Für eine starke Engagementlandschaft! Wir setzen uns für eine Verstetigung der Förderung der Freiwilligenagenturen in den Berliner Bezirken ein.
23.09.2019Seit 2018 werden die kommunalen Freiwilligenagenturen in den Berliner Bezirken durch ein Förderprogramm des Senates finanziert, das darauf abzielt, bestehende Agenturen auszubauen, bzw. neue Agenturen in Bezirken, die bislang keine haben, aufzubauen.
Wir fordern die sozialdemokratischen Abgeordneten dazu auf, sich für eine Verstetigung der Förderung dieser einzigartigen Engagementlandschaft einzusetzen. Die kommunalen Freiwilligenagenturen sind wichtige Anlaufstellen für Engagierte in den Bezirken.
Weiterhin fordern wir die Beibehaltung ergänzender Förderungen im Bereich bürgerschaftliches Engagement wie bspw. FEIN (Freiwilliges Engagement in Nachbarschaften). Diese Programme ermöglichen es Bürger*innen mit wenig Bürokratie Mittel zur Verwirklichung von Engagement vor Ort abzurufen, wie z.B. zur Bepflanzung einer Baumscheibe oder dem Aufbau von Insektenhotels.
Antrag 267/II/2019 Geld für Menstruationsprodukte im Arbeitslosengeld II
23.09.2019In der Berechnung des Arbeitslosengeld II-Satzes und der Grundsicherung für Frauen* und Mädchen sollen die erhöhten Kosten von Menstruationsprodukten berücksichtigt werden. Im Durchschnitt kosten Tampons, Binden etc. 4 bis 5 Euro. Daher soll der Satz entsprechend um 5 Euro pro Frau* und Mädchen angehoben werden.
Antrag 263/II/2019 Einen ersten Schritt ins bedingungslose Grundeinkommen wagen
23.09.2019Die sozialdemokratischen Mitglieder im Senat, die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, der SPD-Landesvorstand sowie die SPD-Kreisvorstände der Berliner Bezirke werden ersucht, das wachsende innerparteiliche und starke öffentliche Interesse an einem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) anzuerkennen und dieses populäre, diskussionswürdige Thema in seinen verschiedenen – u.a. verfassungsmäßigen, sozialwissenschaftlichen, philosophischen und volkswirtschaftlichen – Dimensionen als Chance für eine grundsätzliche programmatische Neuausrichtung der Partei und als Impuls für ein innovatives, gesellschaftspolitisches Projekt zu begreifen.
Dazu werden folgende Schritte unternommen, deren Umsetzung bis spätestens zum Ende der laufenden Wahlperiode erfolgt:
1. Die o.g. Adressaten schaffen innerhalb ihrer Verantwortungsbereiche zeitnah Möglichkeiten, die Thematik eines BGE breit angelegt, vorurteilsbewusst und fachlich kompetent auf die enthaltenen konstruktiven gesellschaftlichen und sozialpolitischen Potentiale hin zu diskutieren. Hierfür werden auf allen Ebenen geeignete Gremien und Arbeitsstrukturen genutzt oder geschaffen (z.B. Arbeitskreise). Deren Arbeit wird aktiv unterstützt, ihre landesweite sowie ggf. bundesweite Vernetzung gefördert.
2. Geeignete Modelle eines BGE werden insbesondere dahingehend untersucht, inwiefern sie sich anschlussfähig an aktuelle sozialpolitische Reformansätze zeigen (z.B. Kindergrundsicherung, Grundrentendebatte, Einführung einer Bildungsdividende, Bürger*innenversicherung u.a.). In Identifikation dieser Schnittmengen werden Verfechter*innen eines (emanzipatorisch orientierten) BGE als potentielle Verbündete einer anzustrebenden gesellschaftlichen Transformation verstanden, entsprechende auch positionsübergreifende Kooperationen gesucht und unterstützt.
3. Für die Bundeshauptstadt Berlin wird ein Modellprojekt zur Erprobung bestimmter relevanter, in ihrer Wirkung bislang strittiger Effekte eines BGE bis zur Einführungsreife vorbereitet.
Das Design des Modellprojektes beinhaltet die regelmäßige Zahlung eines BGE in teilhabesichernder Höhe (ca. 1.200 € pro Erwachsener/ 628 Euro pro Kind) an einen bevölkerungsrepräsentativen und statistisch aussagekräftigen Personenkreis und erstreckt sich über die Dauer einer Wahlperiode (5 Jahre einschließlich Vor- und Nachbereitung bei mindestens 3 Jahren Bezugsdauer).
Das Berliner Modellprojekt wird wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Dabei stehen insbesondere Wirkungen auf die individuelle Gesundheit, Aufstiegschancen durch Bildung, auf armutspräventive Aspekte, das individuelle Verhalten zum Arbeitsmarkt, familiäre Auswirkungen und mögliche Effekte auf gemeinnützig orientierte Verhaltensweisen im Mittelpunkt der begleitenden Untersuchungen.
Es erfolgt eine bedingungslose und individuelle, an keinerlei Bedarfsprüfungen und Geltendmachung von Ansprüchen gekoppelte Auszahlung an jeden Angehörigen des berechtigten Personenkreises, unabhängig von seinen Familienverhältnissen. Insbesondere erfolgt keine Kopplung an Erwerbsarbeit und besteht kein Zwang zur Arbeit oder zu sonstigen sozialen Tätigkeiten.
Die Teilnahme am Projekt erfolgt freiwillig und unter Wegfall ggf. bislang bezogener steuerfinanzierter Sozialleistungen (im Bedarfsfall mit Ausnahme von Wohngeld).
Erläuterung
In den vergangenen rund 20 Jahren ist (nicht nur) in Deutschland in verschiedener Hinsicht ein grundlegender, für Vieler beunruhigender gesellschaftlicher Wandel zu beobachten. Dieser hat globale, sicherheitspolitische, ökonomische, klimatische, aber auch sozial- und mikropolitische Aspekte. Die Welt zeigt sich dem Individuum als überaus fragil, teils bedrohlich dynamisch, äußerst komplex und immer schwerer steuerbar. Leistungskürzungen und die Individualisierung von Risiken – verbunden mit sozialpolitischen Reformen in der Vergangenheit– haben diese Tendenz noch verstärkt und das Vertrauen in die Institutionen des Sozialstaates untergraben. Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer spricht im Ergebnis seiner Langzeitstudie „Deutsche Zustände“ für die betrachteten Jahre zwischen 2001 und 2011 von einem „Jahrzehnt der Entsicherung“, mit dessen psychologischen und politischen Folgen Politik und Zivilgesellschaft seither konfrontiert seien.
In Wissenschaft, Philosophie, Politik und sogar in der Wirtschaft wächst anhand dieser Diagnose das Bewusstsein dafür, dass einer solchen Entwicklung nicht lediglich mit minimalinvasiven Eingriffen einzelner kleinerer Reformen zu begegnen ist. Vielmehr benötige es die ermutigenden Umrisse eines neuen und gemeinsamen gesellschaftlichen Projektes, welches auf der Basis eines positiven Menschenbildes dem Einzelnen inmitten des vielfachen Wandels ein hinreichendes Maß an sozialer Sicherheit verleiht, die ihn befähigt, seine persönlichen Lebensbedürfnisse mit den immer schneller verlaufenden Veränderungen überein zu bringen.
Vor diesem Hintergrund erzeugt die Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen vermutlich vor allem deshalb eine so weite Resonanz in ganz verschiedenen Teilen der Gesellschaft, da sie unmittelbar an diesem „visionären Bedarf“ unserer Gesellschaft anknüpft, in dem sie nicht lediglich eine Debatte über eine Sozialleistung führt, sondern vielmehr zentrale und elementare Fragen unseres künftigen Zusammenlebens adressiert.
Wo ist dies konkret der Fall?
Demografischer und arbeitsmarktstruktureller Druck auf das Sozialversicherungssystem
Das lohnbasierte Sozialsystem in seiner jetzigen Form auf der Grundlage des bisherigen „Generationsvertrages“ zeigt sich unter Berücksichtigung der Lohnentwicklungen und der Geburtenrate zukünftig als nicht mehr tragfähig. Laut einer aktuellen Studie für den Deutschen Gewerkschaftsbund NRW ist jeder fünfte Erwerbsarbeitsplatz in NRW im Lohnniedrigsektor einzustufen, sodass hier weder genug aktuelles Einkommen geschweige denn eine ausreichende Rücklage für die Lebenssicherung im Alter erwirtschaftet werden könnte. Bis zum Jahr 2025, so die Prognose des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, wird sich die Anzahl der Rentner*innen, die auf zusätzliche Hilfe vom Staat angewiesen sind, von 2,5 auf 10% vervierfachen.
Die Differenz in einem der wohlhabendsten Länder der Welt, in dem die Armut, insbesondere die Kinder- und Altersarmut rapide ansteigt, ist nicht mehr nur für eine kleine Minderheit der Bevölkerung spürbar. Längst scheinen davon nicht mehr nur Erwerbsarbeitslose, sondern zunehmend auch in Vollzeit Beschäftigte betroffen zu sein.
Beim bedingungslosen Grundeinkommen handelt es sich um ein Einkommen, das von einem politischen Gemeinwesen an alle seine Mitglieder ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Gegenleistung individuell ausgezahlt wird. Das Grundeinkommen bietet damit eine umfassende und lückenlose Sicherung der wirtschaftlichen Existenz aller Bürger*innen und sorgt somit für die Beseitigung von Armut. Das Grundeinkommen ermöglicht das Recht auf soziale Teilhabe und schafft durch die Verhinderung von sozialer Ausgrenzung und Stigmatisierung die Exklusionsfalle ab.
Gleiche Chancen für alle – Das Bedingungslose Grundeinkommen für Kinder und Jugendliche (Kindergrundsicherung)
Das Zukunftsforum Familie e.V. beschreibt die gegenwärtige Situation in Deutschland wie folgt:
„Gut 18 Prozent der Menschen in Deutschland sind von Armut bedroht. Betroffen sind vor allem Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende, Mehr-Kind-Familien und Familien mit Migrationshintergrund. Die Armut der Erwachsenen betrifft auch die in den Familien lebenden Kinder. Weit mehr als 2,4 Millionen Kinder wachsen in Deutschland in materieller Armut auf […]. Die Folgen sind gravierend: Der Mangel an Einkommen, Ressourcen und Lebensperspektiven für Kinder entwickelt sich zur Bildungs- und Teilhabearmut. “
Zudem führen diverse gesetzliche Regelungen zu unterschiedlichen Berechnungshöhen des Existenzminimums für Kinder und Jugendliche im Sozial-, Steuer- und Unterhaltsrecht. Daher ist gegenwärtig das Existenzminimum nicht für alle Kinder gedeckt.
Statt vieler verschiedener Hilfen braucht es eine Gesamtlösung – die „Grundsicherung für Kinder und Jugendliche“ als Teil des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE)!
Warum ist ein solches Kindergrundeinkommen „aus einer Hand“ noch sinnvoll?
„Dringend notwendig ist es vor allem, die bisherigen Leistungen zusammenzuführen und so das komplizierte System der Kinder- und Familienförderung zu vereinfachen; das bürokratische und sozial ungerechte System aus Kindergeld, Kinderfreibeträgen und Hartz-IV-Regelsätzen muss durch eine Grundsicherung für Kinder und Jugendliche ersetzt werden. Denn weder die geringfügige Anhebung des Kindergeldes noch die Ausweitung des Kinderzuschlags oder eine Erhöhung der Regelsätze in der Grundsicherung lösen das Problem zeitnah und befriedigend. “
Aktuell beträgt die Höhe des verfassungsrechtlich notwendigen Existenzminimums 628 Euro monatlich. Sie setzt sich aus der Höhe des sächlichen Existenzminimums (408 Euro) und dem Freibetrag für die Betreuung und Erziehung bzw. Ausbildung (BEA) (220 Euro) zusammen. Dieses Existenzminimum muss für alle Kinder gelten, nicht nur für diejenigen, deren Eltern Steuern zahlen können.
Damit wäre sichergestellt, dass alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer familiären Situation und dem Einkommen ihrer Eltern ausreichend gefördert werden und die Chance erhalten, ein gutes und selbstbestimmtes Leben zu führen.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Geschlechterpolitisch kann ein Grundeinkommen eine große und nachhaltige Wirkung haben. Insbesondere Frauen* werden im heutigen System häufig schlechter für Erwerbsarbeit entlohnt („In Deutschland liegt die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern bei 21 Prozent. Selbst bei gleicher formaler Qualifikation und ansonsten gleichen Merkmalen beträgt der Entgeltunterschied immer noch sechs Prozent.“ ). Als Alleinerziehende sind sie häufig finanziell schlechter gestellt, Hausfrauen und Mütter bleiben oft ohne eigenes Einkommen oder in finanzieller Abhängigkeit von Partnern oder dem Staat. Das Grundeinkommen kann dies ändern, da es an Individuen und nicht an Bedarfsgemeinschaften (vgl. SGB II, XII) ausbezahlt wird. Das Grundeinkommen unterliegt keiner versteckten Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt und berücksichtigt Hausarbeit, Kindererziehung sowie Pflege- und Carearbeit sowie sonstige unentgeltliche Arbeit als Teil der Wirtschaft und wertschätzt die erbrachten (Lebens-)Leistungen.
Selbstbestimmt und abgesichert Leben in der digitalen Arbeitsgesellschaft der Zukunft
Mit zunehmender Digitalisierung, den Fortschritten in der Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) sowie wachsender Automatisierung stellt sich bereits erkennbar ein umfangreicher Wandel der Arbeitswelt ein. Dies führt dazu, dass Personen aus jedem Bildungsniveau erwerbslos werden können. Die Arbeit wird durch KI-bedingte Automatisierung erledigt, die Erträge der Unternehmen bleiben im Gegensatz zu vielen Arbeitsplätzen erhalten, wenn sie nicht sogar mit einem gestiegenen Profit einhergehen. Die Auflösung traditioneller, lebenslang konstanter Erwerbsbiographien schafft Unsicherheit, die belasten kann. Sie stellt aber auch eine Chance dar, wenn Menschen sich entsprechend ihrer Fähigkeiten und Interessen selbstbestimmt beruflich weiterentwickeln können. Entscheidend ist, dass dies in einem sozial abgesicherten Rahmen geschieht und niemand um die eigene wirtschaftliche Existenz fürchten muss, wenn sich etwa eine Branche durch technologische Neuerungen stark verändert. Im Zuge der Digitalisierung werden sich diese Entwicklungen stark beschleunigen. Ein BGE würde den Menschen Angst vor der gravierenden Veränderung des Arbeitsmarktes nehmen und es ihnen erleichtern, sich im Laufe ihres Erwerbslebens ohne Druck umzuorientieren und weiter zu qualifizieren.
Von Stress befreit – gesünder und zufriedener leben
Psychosoziale Stressfaktoren der Leistungsgesellschaft – etwa übermäßige Arbeitsbelastung oder die Angst vor Arbeitsplatzverlust – verringern nicht nur die Lebenszufriedenheit, sondern erhöhen langfristig auch die Verwundbarkeit für psychische und körperliche Erkrankungen, wie zahlreiche Studien belegen. So führen etwa Angst, Depression und Persönlichkeitsstörungen dann zu Risikoverhaltensweisen, welche auch die Wahrscheinlichkeit für körperliche Erkrankungen (kardiovaskuläre, Schlaganfall, Virushepatitis, Typ-2-Diabetes, obstruktive Lungenerkrankungen) ebenso wie für Gewaltverhalten erhöhen.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe Sicherheit und damit die Freiheit, zu Bedingungen „Nein“ zu sagen, die uns krank machen (können): zu schlechten Arbeitsverhältnissen, zur unglücklichen Ehe mit dem/r Alleinverdiener*in etc.
Wenn keine unmittelbare Leistungsabfrage hinter einem „Nein“ steht, lebt der Mensch selbstbestimmter und stressfreier. Wer nicht unter Stress steht, lebt gesünder und verursacht weniger Kosten im Gesundheitssystem. Diese positiven Effekte eines BGE beträfen tatsächlich alle Gesellschaftsgruppen, besonders aber jene, die derzeit akut von Armut bedroht sind, z. B. weil sie ihre Renten „aufstocken“ müssen oder Eingliederungshilfe beziehen.
Gemeinsame Verantwortung – eine Krankenversicherung für alle
Die Bürger*innenversicherung ist als solidarisches Sozialversicherungssystem eine wichtige Ergänzung zum bedingungslosen Grundeinkommen, in das ausnahmslos alle Bürger*innen und dies unter Einbeziehung aller Einkunftsarten Beiträge in die gesetzliche Krankenversicherung leisten und im Versicherungsfall daraus gleiche Leistungen in Anspruch nehmen können. Das bedeutet die Aufhebung des dualen Systems zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung im Leistungsbereich der Grundversorgung und damit die Abschaffung einer Zwei-Klassen-Medizin.
Wegfall von Hartz IV und Sanktionen – Erleichterung für Betroffene, Entlastung der Verwaltung
Das Hartz-IV-System steht seit den „Agenda-Reformen“ unablässig in der Kritik, insbesondere wegen der Sanktionen. Bei Einführung eines BGE würde dieses System schlicht wegfallen: Durch das BGE wäre die Bedürftigkeit bei den bisherigen ALG-II-Empfänger*innen nicht mehr gegeben, aufgrund der bedingungslosen Auszahlung bräuchte es auch keine Sanktionen. Die bisher davon Betroffenen könnten „aufatmen“. Die Mitarbeiter*innen in den Jobcentern würden massiv entlastet und könnten sich verstärkt ihren fördernden und unterstützenden Aufgaben widmen – etwa, Menschen bei einer Qualifizierung und Jobsuche zu helfen. Die SPD hätte – der Forderung Vieler entsprechend – Hartz IV endlich „hinter sich gelassen“.
Das Berliner Modellprojekt
Warum ein Berliner Modellprojekt?
Modellprojekte ermöglichen die Erprobung und Überprüfung bestimmter Effekte und Funktionalitäten, bevor eine angestrebte Veränderung mit in der Breite implementiert wird. Gerade bei einem von unterschiedlichen Vorannahmen geprägten Thema wie dem BGE spricht Vieles für einen lokal begrenzten und wissenschaftlich begleiteten Versuch.
Bestrebungen, die eigene Kommune für ein solches Modell ins Gespräch zu bringen, gab es schon in etlichen deutschen Städten bzw. Landkreisen. Im internationalen Raum ist uns aus jüngerer Vergangenheit der Pilot eines partiellen Grundeinkommens in Finnland ein Begriff.
Als Berliner*innen finden wir, dass sich unsere Stadt in ihrer Vielfalt, ihrer Vitalität und Offenheit für Innovation und Visionäres besonders gut für ein solches Vorhaben eignet. Berliner Bürger*innen ebenso wie die stark strapazierte Berliner Verwaltung würden im gegebenen Fall von den erwarteten positiven Effekten profitieren.
Mit einem Modellprojekt wollen wir jenes misstrauische und zugleich bevormundende „Menschenbild“, das (derzeit noch) hinter der verbreiteten und in der Ausformulierung wie im Vollzug von Gesetzen oft handlungsleitenden Annahme steht, mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen würden sich die Menschen in die „soziale Hängematte“ legen, nicht arbeiten bzw. vermeintlich unpopuläre Tätigkeiten (z. Bsp. Müllabfuhr) verweigern, widerlegen.
Wir wollen im Querschnitt herausfinden, wofür die Teilnehmenden das zusätzliche Geld verwenden, welchen Einfluss es tatsächlich auf ihre Lebensverhältnisse, ihre Gesundheit und die Teilhabe am öffentlichen Leben hat.
Finanzierung
Ein BGE-Modell im vorgenannten Umfang ist finanzierbar. Beispielsweise würde sich der absolute Transferaufwand bei einem Betrag von 1.200 Euro bzw. 628 Euro und einer Beteiligung von 2.000 erwachsenen Personen sowie 1.000 Minderjährigen auf 36,336 Mio. Euro jährlich belaufen, wobei sich dieser Betrag in der Realität noch (um alle bis zum Grundeinkommensbetrag zu verrechnenden steuerfinanzierten Sozialleistungen sowie zu ersparenden Verwaltungsaufwand) vermindern würde. Zum Vergleich: Für das soeben in Berlin eingeführte Beschäftigungsprojekt „Solidarisches Grundeinkommen“ wurden für ca. 1.000 begünstigte Personen Kosten von 35 Mio. Euro p.a. kalkuliert.
Hinzu kämen natürlich noch die Kosten einer wissenschaftlichen Begleitung, für Öffentlichkeitsarbeit und Veröffentlichungen.
Die Finanzierung eines BGE-Modellprojektes kann während der Projektphase durch Haushaltsmittel erfolgen.
Eine spätere mögliche Ausweitung auf Deutschland kann über viele denkbare Wege finanziert werden (z.B. über ein modifiziertes Steuersystem, einzusparende Bürokratie und zu ersetzende, dann überflüssige andere Sozialleistungen. Eine Möglichkeit wäre auch, dass Bundesbanküberschüsse in einen Fonds fließen und vergleichbar mit dem norwegischen staatlichen Rentenfonds Erträge erwirtschaften, die anschließend für ein BGE zur Ausschüttung kommen. – Diese Fragestellung ist nicht Bestandteil dieses Antrages und noch intensiv zu diskutieren.